Was hilft bei… Reizmagen?

März 2019 | Medizin & Trends

Die Ursachen dieser funktionellen Verdauungsstörung sind so vielfältig wie die Behandlungsoptionen.
 
– Von Mag. Alexandra Wimmer

Welche Beschwerden verursacht ein Reizmagen?

Beim Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) unterscheidet man je nach Beschwerdebild zwei Formen: „Wenn man nach dem Essen ein Völlegefühl, Übelkeit, Brechreiz oder ein rasches Sättigungsgefühl verspürt, zählt man das zum Postprandialen Distress-Syndrom“, erklärt Mag. Dr. Christian Kienbacher, Arzt am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und mit eigener Ordination im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Den klassischen Magenschmerz wiederum – ein Brennen, Ziehen, Stechen, Drücken oder Krämpfe im Oberbauch – zählt man zum epigastrischen Schmerzsyndrom. „Die Schmerzen treten nicht nur nach dem Essen, sondern unabhängig von den Mahlzeiten auf“, präzisiert der Experte. Manchmal kommt es auch zu Sodbrennen.

Wie wird er diagnostiziert?

Der Reizmagen zählt wie das Reizdarmsyndrom zu den funktionellen gastroenterologischen Erkrankungen (FGIS), deren Diagnose und Therapie genau festgelegt sind: Demnach müssen die Beschwerden über einen Zeitraum von wenigstens drei Monaten innerhalb der vergangenen sechs Monate durchgehend oder immer wieder für jeweils einige Tage auftreten. Um eine funktionelle psychosomatische Erkrankung wie den Reizmagen zu diagnostizieren, muss zuerst eine organische Erkrankung ausgeschlossen werden. Dazu braucht es ein ausführliches  Arzt-Patienten-Gespräch; im Rahmen der Differenzialdiagnose werden Krankheitsbilder mit ähnlichen Symptomen voneinander abgegrenzt. Für die körperliche Untersuchung stehen verschiedene diagnostische Maßnahmen zur Auswahl: Laboruntersuchungen des Blutes, eine Ultraschall-Untersuchung des Oberbauchs sowie eine Magenspiegelung (Gastrokospie). Dabei werden Gewebeproben von der Magenschleimhaut entnommen und vom Pathologen untersucht.

Wodurch wird er verursacht?

Bei der Entwicklung einer funktionellen Verdauungsstörung wie dem Reizmagen spielt das enterische Nervensystem (ENS) eine wichtige Rolle: Es durchzieht den Magen-Darm-Trakt, steuert unter anderem die Verdauung und ist über den Nervus vagus bzw. Parasympathikus mit dem Gefühlszentrum im Gehirn verbunden.
Dieses Nervengeflecht ist bei einem Reizmagen aus verschiedenen Gründen übersensibilisiert. Auch werden normale (Dehnungs-)Reize, etwa durch Nahrungsaufnahme, im Gehirn abnormal verarbeitet: Dadurch wird die Magendehnung als unangenehm erlebt oder sogar mit Angst und Schmerzen verbunden. „Aus Gastroskopie-Studien weiß man zudem, dass es sich bei einem Reizmagen um eine Motilitätsstörung handelt“, betont Kienbacher. Das bedeutet: Der Magen ist weniger beweglich und entspannt sich im Verhältnis zur Nahrungsaufnahme anders als bei der Normalbevölkerung – dadurch füh­len sich manche Patienten schon nach wenigen Bissen satt oder voll. Auch die Barriere der Magenschleimhaut ist gestört und durchlässiger als bei der Normalbevölkerung. „Dadurch gelangen winzige Mageninhalte leichter durch die Magenwand in den Blutkreislauf und verursachen dadurch Probleme.“ Die Gene dürften bei der Entwicklung eines Reizmagens ebenfalls eine Rolle spielen; zwei relevante Gene konnten bislang eruiert werden. Ein Reizmagen kann sich auch nach einer Magen-Darm-Grippe (Gastroenteritis) entwickeln. Das Risiko dafür ist bei jenen, die unter großem Stress stehen, besonders hoch.
Daneben kann ein Reizmagen vorwiegend durch psychosoziale Faktoren verursacht sein. Ähnlich wie beim Reizdarm leidet auch ein hoher Prozentsatz der Reizmagenpatienten an psychischen Problemen wie Depression und Angstzuständen oder hat traumatische Erfahrungen gemacht. „Man geht davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Patienten davon betroffen sind“, erklärt Kienbacher. Etwa sieben Prozent der österreichischen Bevölkerung haben einen Reizmagen, Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer. „Rund 60 Prozent der Patienten leiden nur an einem Reizmagen, bis zu 40 Prozent der Patienten mit Reizmagen haben auch ein Reizdarmsyndrom“, erläutert der Arzt.

Wie wird er behandelt?

Steht die Diagnose Reizmagen fest, wird zuerst ein Gespräch mit dem Patienten geführt. „Wir klären den Betroffenen ausführlich darüber auf, dass hinter den Beschwerden keine gefährliche Erkrankung steckt“, erklärt Kienbacher. Die Medikamente, die bei Reizmagen zur Wahl stehen, wirken vor allem symptomatisch: Dazu zählen Protonenpumpeninhibitoren (PPI), welche die Magensäure reduzieren. Wurde eine Infektion mit dem Helicobacter pylori-Keim festgestellt, wird in der Regel mit PPI und Antibiotika behandelt. Auch Prokinetika – Medikamente, welche die Magenkontraktion steigern – können die Beschwerden lindern. „Diese Medikamente dürfen wegen ihrer Nebenwirkungen, insbesondere auf das Herz, nur für eine begrenzte Zeit von einigen Wochen eingenommen werden“, betont der Mediziner. „Immer einen Versuch wert“ seien zudem pflanzliche Mittel, welche die Muskelspannung erhöhen – tonisierende Phytotherapeutika. „Diese beinhalten zumeist eine Kombination aus Pfefferminz und Kümmel, Enzian, Wermut, Kamille und Melisse“, zählt Kienbacher auf. Abgesehen von Medikamenten zeigt die Psychotherapie gute Erfolge; sehr gut bewährt sich außerdem die bauchfokussierte Hypnose. Nicht zuletzt können Psychopharmaka, Antidepressiva, eingesetzt werden; sie wirken beruhigend auf das Nervensystem im Magen-Darm-Trakt. Weil es sich beim Reizmagen um eine funktionelle psychosomatische Erkrankung mit oft chronischem Verlauf handelt, ist auch die Heilungsprognose individuell.


Wie lässt sich einem Reizmagen vorbeugen?

Abhängig von den jeweiligen Ursachen können Lebensstilmaßnahmen – Reduktion von Stress, bewusste Ernährung – günstig wirken. Hilfreich könnte auch sein, öfters am Tag kleinere Portionen zu essen. Das Führen eines Symptom-Tagebuchs gibt Aufschluss über mögliche Auslöser. Auch um Konfliktsituationen bestmöglich zu bewältigen, könnte man eine Psychotherapie machen. Neben Entspannungstechniken unterstützt ein aktiver Lebensstil mit ausreichend Bewegung bei der Stressbewältigung.

Magenspiegelung
(Gastroskopie)

Im Rahmen einer Magenspiegelung (Gastroskopie) wird ein Schlauch mit einer Kamera in den Magen eingeführt. Dabei werden Gewebeproben der Magenschleimhaut entnommen und untersucht.

Gastritis, Magengeschwür und Herzinfarkt:
Was noch hinter Bauchweh & Co stecken kann

Hinter Völlegefühl, Bauchschmerzen & Co können neben einem Reizmagen andere Erkrankungen stecken. „Dazu zählt zum Beispiel eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die Pankreatitis“, informiert der Arzt und Psychologe Mag. Dr. Christian Kienbacher. Auch das – seltene – Magenkarzinom oder eine Infektion mit dem Helicobacter pylori-Erreger kann solche Probleme verursachen. Weiters kann eine Refluxerkrankung, der Rückfluss von Magen- oder Gallensäure, die Ursache für die Probleme sein. Ein Magengeschwür (= Ulcus) im Magen oder oberen Teil des Dünndarms kann ebenfalls hinter den Beschwerden stecken. „Bei Schmerzen auf der rechten Seite des Bauchs sollte man auch an eine Entzündung der Gallenblase oder an eine Verlegung der Gallengänge mit einem Gallenstein denken“, ergänzt der Mediziner.  
Auch eine Entzündung der Magenschleimhaut (Gastritis) ist eine mögliche Ursache. Diese kann autoimmun bedingt, bakteriell oder durch Medikamente ausgelöst werden.
Nicht zuletzt sollte bei den genannten Beschwerden immer auch ein Herzinfarkt in Betracht gezogen werden, betont Kienbacher. „Gerade bei Frauen äußert sich dieser mitunter auch durch dumpfe Schmerzen im Magenbereich.“    

 

Stand 03/2019

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