Gefährliche Zecken

August 2011 | Medizin & Trends

Achtung: FSME fühlt sich an wie Sommergrippe!
 
Kopf- und Gliederschmerzen, Müdigkeit, Fieber: Was sich wie eine Sommergrippe anfühlt, kann auch ein erster Hinweis auf die gefürchtete Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) sein. Die gefährliche Viruserkrankung wird meist durch Zeckenstiche übertragen und tritt jetzt in der warmen Jahreszeit gehäuft auf. MEDIZIN populär über Früherkennung und Spätfolgen von FSME, die einzig wahre Schutzmaßnahme und alarmierende Erkenntnisse aus der Zeckenforschung.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Man fühlt sich schlapp, der Kopf brummt, seit Tagen tut alles weh und jetzt gesellt sich auch noch leichtes Fieber dazu: Was sich nach Sommergrippe anhört, kann auch eine ganz andere Ursache haben, sagt Univ. Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Leiter der Forschungsunit Epidemiologie und Reisemedizin am Institut für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien. „Die Symptome der Sommergrippe gleichen den Beschwerden, die man nach dem Stich einer Zecke haben kann, die mit dem FSME-Virus infiziert ist.“ Das FSME-Virus ist der Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis, einer Gehirnhautentzündung.
Vergehen die Beschwerden nicht nach einigen Tagen, sondern werden die Kopfschmerzen immer stärker, kommen Nackensteifigkeit und Lichtempfindlichkeit hinzu, dann sollte man möglichst rasch zum Arzt. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man sich nicht bloß eine Sommergrippe eingehandelt hat, sondern mit FSME infiziert ist und eine Gehirnhautentzündung bekommt. Und die Gehirnhautentzündung wiederum kann schlimme Folgen haben wie „eine Entzündung des Gehirns oder des gesamten Zentralnervensystems“, so Kollaritsch. Manchmal können auch Lähmungen von Gesichtsnerven oder Armen und Beinen auftreten, manchmal Hörprobleme und Gleichgewichtsstörungen. Auch Probleme mit der Atmung können entstehen. Darüber hinaus können sich psychische Probleme entwickeln wie Konzentrationsstörungen und Störungen der Merkfähigkeit bis hin zu Depressionen. „In der Regel sind die Beschwerden nach einer Infektion mit FSME umso ausgeprägter, je älter die Erkrankten sind“, sagt Kollaritsch. Mit zunehmendem Alter steigt auch die Gefahr, dass die Beschwerden nicht mehr vollständig vergehen. Einer von 100 Erkrankten stirbt sogar an den Folgen der Infektion mit FSME.

Impfung auch jetzt noch sinnvoll

Ein düsteres Szenario, dabei wäre die Erkrankung leicht vermeidbar. Kollaritsch: „Man kann der gefährlichen Viruserkrankung durch die FSME-Impfung sehr sicher vorbeugen.“ Schon nach den ersten beiden Impfungen, die im Abstand von einem Monat erfolgen, ist man geschützt. Ein Jahr später sollte man zur ersten Auffrischungsimpfung, nach drei Jahren zur zweiten. Danach heißt es, alle fünf Jahre einmal impfen. Über 60-Jährigen empfehlen Experten sicherheitshalber, die Impfung alle drei Jahre aufzufrischen, da eine FSME-Infektion bei ihnen erfahrungsgemäß besonders schwerwiegende Folgen haben kann. Den Impfschutz holt man sich am besten vor der warmen Jahreszeit, es ist aber auch jetzt im Sommer noch sinnvoll, sich impfen zu lassen.
Zwar sind mehr als 80 Prozent aller Österreicher gegen FSME geimpft, doch gab es zuletzt immer noch rund 80 Erkrankungen im Jahr. Rund 700 waren es vor 35 Jahren, als es noch keine Zeckenschutzimpfung gab. Unerwünschte Nebenwirkungen der Impfung treten heute so gut wie nicht mehr auf, sagt Kollaritsch. Und wenn, dann handle es sich dabei um leichte, vorübergehende Beschwerden, „wie zum Beispiel lokale Hautrötungen oder leichtes Fieber“. Die Impfstoffe sind im Lauf der Jahrzehnte immer besser geworden. Sie bestehen aber nach wie vor im Wesentlichen aus inaktivierten FSME-Viren, die – einmal geimpft – dem Immunsystem sozusagen beibringen, ein aktives Virus unschädlich zu machen.

Zecke möglichst gleich entfernen

Abgesehen von der Impfung gibt es laut Kollaritsch keinen zuverlässigen Schutz vor dem gefährlichen Stich der kleinen Spinnentiere, die, sind sie einmal infiziert, das FSME-Virus von Generation zu Generation weitergeben. Kollaritsch: „Auch wer lange Hosen trägt, ist nicht vor dem Angriff von Zecken geschützt.“ Hat sich das Tier, das im Gras und im Unterholz auf mögliche Wirte wartet, einmal am Gewand festgeklammert, kann es auch weiterkrabbeln, bis es nackte Haut findet. Dort sticht es zu, saugt Blut ab und überträgt währenddessen über seinen Speichel, der zur Betäubung der Einstichstelle dient, das Virus. „Weil das Risiko, mit FSME infiziert zu werden, steigt, je länger die Zecke Blut saugt, sollte man sie gleich entfernen, sobald man sie entdeckt hat“, sagt Kollaritsch. Das macht man am besten mit einer Pinzette.
So wie vor FSME schützt die rasche Entfernung auch vor einer Infektion mit Borreliose. Das ist eine Erkrankung, die zwar wesentlich häufiger von Zecken übertragen wird als FSME, aber leichter behandelbar ist. „Die Borreliose ist keine virale Erkrankung, sondern eine bakterielle, daher kann die Krankheit mit Antibiotika völlig ausgeheilt werden“, erklärt Kollaritsch. Den Heilungsprozess fördert die Früherkennung: Wird die Haut rund um den Zeckenstich nach ein bis zwei Wochen hellrot, sollte man gleich zum Arzt. Wird nichts gegen die Borreliose unternommen, kann sie zu verschiedenen Hauterkrankungen führen und so wie die FSME-Infektion zu Nervenschädigungen, die sich u. a. in Lähmungserscheinungen äußern. Kinder können auch durch Borreliose an einer Gehirnhautentzündung erkranken.

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Interview: Jede vierte Zecke ist gefährlich!

MEDIZIN populär fragte Dr. Georg Duscher vom Institut für Parasitologie am Department für Pathobiologie nach bisherigen Ergebnissen.

Jährlich werden etwa 16 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher von einer Zecke gestochen. Ziel von Forschungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien ist es, zu ermitteln, wie hoch dabei das Risiko einer Infektion mit FSME oder Borreliose ist.

MEDIZIN populär:
Herr Dr. Duscher, wie kann man herausfinden, wie gefährlich Zecken sind?

Dr. Georg Duscher
Wir haben Zecken gesammelt und dann untersucht, ob sie mit Erregern infiziert sind.

Wie geht das?
Es wurden an fünf Standorten in Wien, in der Lobau, im Prater, auf der Donauinsel, auf der Sofienalpe und am Wilhelminenberg Tücher ausgelegt und von Zeit zu Zeit umgedreht. Von der Unterseite wurden dann die Zecken abgenommen. Die Zecken lauern nämlich auf der Pflanzendecke und klammern sich reflexartig an alles, was vorbeikommt, also auch an Tücher. Ob sie mit Krankheitserregern wie Borreliose-Bakterien oder FSME-Viren infiziert sind, kann man mit molekularbiologischen Methoden nachweisen.  

Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?
Wir haben herausgefunden, dass zum Zeitpunkt unserer Zeckensammlung jede vierte Zecke mit Borreliose infiziert war.  

Im Gras zu liegen, ist also ein risikoreiches Vergnügen…
Das Liegen im Gras kann nur dazu führen, dass Zecken in unmittelbarer Nähe auf den Menschen gehen. Weitaus größer ist das Risiko, mit einer Zecke in Kontakt zu kommen, wenn man durch das Gras bzw. die Vegetation geht.

Haben Sie auch errechnet, wie lang es dauert, bis man mit einer infizierten Zecke in Kontakt kommt?
Ja, aber das war von Standort zu Standort unterschiedlich. Nach unseren Berechnungen muss man zwischen 31 Minuten und drei Stunden durch das Unterholz gehen, bis man von einer Zecke gestochen wird, die mit Borreliose infiziert ist. Bis eine Zecke zusticht, die mit FSME infiziert ist, dauert das, natürlich rein statistisch betrachtet, wesentlich länger. In der Praxis kann man im ungünstigen Fall aber auch sofort von einer Zecke gestochen werden, die Träger des FSME-Virus ist.

Sind die Ergebnisse Ihrer Forschungen nur für Wien gültig?
Zecken gibt es in ganz Österreich, auch in höheren Lagen. Die Zeckendichte und die Erregerdichte in den Zecken könnten aber von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich sein. Um das herauszufinden, planen wir eine österreichweite Zecken-Sammlung und -Untersuchung, die sich voraussichtlich über die nächsten drei Jahre ziehen wird.

Könnte man die gefährlichen Zecken nicht durch natürliche Feinde beseitigen?
Zecken haben nur wenige natürliche Feinde. Wie zum Beispiel eine bestimmte Schlupfwespe, die ihre Eier in die Zecke legt. Die Nachkommen der Wespe fressen die Zecke von innen her auf. Auch verschiedene Pilze befallen die Zecke und ernähren sich von ihr. Wir wissen aber noch nicht, wie sich die Pilze oder auch die Schlupfwespen auf das ökologische Gleichgewicht auswirken, und solange das so ist, können wir sie nicht gezielt gegen Zecken einsetzen.

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