Fit auf blankem Eis

Oktober 2018 | Fitness & Entspannung

Die kalte Jahreszeit lockt uns bald zum Sport aufs spiegelglatte Parkett.
 
– Von Wolfgang Kreuziger

Ein dampfendes Glaserl Glühwein in der Hand, dazu ein bisserl Schmäh und „Zielwasser“: Das lieben rund 200.000 österreichweit aktive Eisstockschützen am beliebtesten organisierten Wintersport hierzulande. „Das Tolle am Eisstockschießen ist, dass nur wenig Kraft und Grundfitness nötig sind“, weiß Dr. Martin Herzeg, Allgemeinmediziner und Facharzt für Orthopädie in Villach sowie Teamarzt des Eishockeyvereins Villacher SV. „Wie auch beim Eislaufen können hier, wenn nicht gravierende Vorbelastungen – etwa in Form schwerer Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gelenksschädigungen – vorliegen, Alt und Jung sofort aufs Eis.“

Die Ausrüstung jenes Sports, bei dem ein etwa vier Kilo schwerer Eisstock möglichst nahe an eine „Zieldaube“ geschoben wird, ist überschaubar, selbst im kleinsten Dorf lässt sich bei Bedarf eine Bahn einrichten. „Je nach Spielniveau wird beim Eisstockschießen die Gesamtfitness verbessert, die Augen-Körperkoordination geschult, die Psyche positiv stimuliert, in der Kälte das Immunsystem gestärkt und auch speziell Schulter, Ober- und Unterarm der Wurfseite trainiert“, erklärt Mag. Oliver Steinwender, Sportwissenschafter und Leistungsdiagnostiker beim Institut im.puls sport in Kärnten. Ein spezifisches Trainingsprogramm für Eisstockschützen gibt es zwar nicht, aber trainingshungrigen Hobbyschützen empfiehlt Steinwender die allgemeine Fitness zu heben. „Sie sollten ihre Ausdauer durch Sportarten wie Radfahren, Wandern oder Nordic Walking verbessern und mit Übungen für Bauch- und Rückenmuskulatur an ihrer Körper- und Rumpfspannung arbeiten.“

Gefährdetes Handgelenk

Doch der spiegelglatte Untergrund sorgt selbst bei diesem harmlos anmutenden Gesellschaftssport für unfreiwillige „Hoppalas“. In einigen Wintersaisonen verzeichneten manche Unfallkrankenhäuser mehr Verletzte durch Eisstockschießen als durch Rodeln. Wenn Hobbyathleten mit schmerzverzerrten Gesichtern von der Eisbahn direkt die Notaufnahme ansteuern, sind typischerweise meist Sturzverletzungen nach Gleichgewichtsverlust die Ursache.

„Klassisch ist der Fall nach vorne und der Versuch, sich mit den Händen abzufangen. Das hat häufig eine Handwurzelverletzung bis hin zum Bruch der Speiche zur Folge“, erklärt dazu Orthopäde Herzeg. Aber auch der Fall auf Gesäß oder Kopf stoppt vielfach unsanft den Spielspaß und kann mit Steißbeinprellungen oder Schädelverletzungen wie etwa Gehirnerschütterungen enden. Herzeg: „Noch seltener – aber dafür extrem gefährlich – sind sogenannte Pfählungsverletzungen, wenn ein Spieler mit dem Brustkorb auf einen stehenden Eisstock fällt.“ Der Villacher sieht die Verletzungssituation – bis auf wenige Ausnahmen – aber generell entspannt. „Beim Eisstockschießen ist traditionell zuweilen Alkohol im Spiel. Das verbessert nicht gerade die Koordinationsfähigkeit. Ansonsten ist es ein sehr ungefährlicher Sport.“

Ausdauer & Anmut beim Eislaufen

Im Gegensatz zum geselligen Stocksport ist es vor allem die tänzerische Eleganz, die viele Hobbysportler dazu treibt, im Winter ihre Schlittschuhe „auszumotten“. Gerade für bürogestresste Städter ist der Sport auf den nur drei Millimeter schmalen Kufen eine der wenigen Möglichkeiten in urbaner Umgebung bis zu 400 Kalorien pro Stunde zu verbrennen. Beim Eislaufen kommt rasch gute Stimmung auf. „Davon profitiert nicht nur die Psyche, Eislaufen trainiert auch wesentlich mehr Körperteile als Eisstockschießen“, erklärt Steinwender, der das Dahinflitzen auf dem Eis den Ausdauersportarten zuordnet. „Vor allem bei regelmäßiger Ausübung wird einerseits das Herz-Kreislauf-System gestärkt, andererseits die Vorder- und Rückseite der Oberschenkel trainiert sowie die gesamte Oberkörperstabilität durch die Aktivierung der Rückenstrecker verbessert.“

Stabiler auf dem Wackelbrett
      
Um sich fürs kühle Abenteuer auf messerscharfen Kufen schon im Herbst zu rüsten, rät Steinwender dazu, neben Ausdauertraining etwa am Ergometer vor allem an der Koordination der unteren Extremitäten zu feilen. „Dies kann damit beginnen, abends beim Zähneputzen auf einem Bein zu stehen. Bei mehr Ehrgeiz lässt sich die Stabilität von den Sprunggelenken bis zur Hüfte auf beweglichen Trainingsgeräten wie Pölster, Balance-Board oder Koordinationswippe erhöhen“, weiß der Sportswissenschafter. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit zählt österreichweit im Schnitt rund 4500 Unfälle jährlich, die im Spital enden. „Die Verletzungsbilder nach Stürzen decken sich dabei weitgehend mit jenen beim Eistockschießen“, verrät Orthopäde Herzeg. „Allerdings kommt es durch das höhere Tempo zu mehr Knochenbrüchen und auch häufigerem Sturz nach hinten und Verletzungen an Becken, Wirbelsäule und Steißbein. Nicht selten anzutreffen sind auch Schnittverletzungen an Hand und Fingern durch die Kufen anderer.“ Bei einer Verletzung des Bewegungsapparates  rät Herzeg dazu, als Erstmaßnahme die Stelle zu kühlen und ruhigzustellen. „Bei schweren Kopfverletzungen oder gar Bewusstlosigkeit den Verletzten nicht bewegen, sondern in stabile Seitenlage bringen, die Atemwege freihalten und professionelle Hilfe holen.“ ‘

Leidenschaft & Bandenchecks beim Eishockey

Schnell, schneller, Eishockey! Wenn die in dicke Protektoren gepackten „Cracks“ bei der Jagd nach dem Puck sprinten, mit dem Stock schlagen oder im Zweikampf aufeinander krachen, verausgaben sie sich im schnellsten Mannschaftssport überhaupt. Eishockey bringt die Pulswerte in den dreifachen Bereich des Normalen und verbrennt selbst im Hobbybereich je nach Niveau und Körper bis zu 700 Kalorien pro Stunde. Allerdings gilt hier auch der alte Spruch „No pain, no gain“, denn die körperliche Belastung und das Verletzungsrisiko sind deutlich höher als etwa beim Eislaufen oder Eisstockschießen. „Eishockey erfordert von Haus aus mehr Grundfitness und auch Robustheit“, weiß Herzeg, der selbst in einem Kärntner Hobbyteam regelmäßig den Schläger auspackt. „Deswegen sind für mich Gelenksprobleme oder künstliche Gelenke, bestehende Herzerkrankungen, neurologische Vorbelastungen wie Multiple Sklerose oder frühere Schädelverletzungen ebenso Gründe von Eishockey abzuraten, wie Übergewicht oder ein Alter jenseits der 60, wenn die Koordinationsfähigkeit deutlich nachlässt.“

Muskelpanzer macht den Unterschied

Wer allerdings fit und motiviert genug ist, dem kleinen Puck aus Hartgummi nachzujagen, der profitiert auch viel. „Eishockey ist eine Schnellkraftsportart, bei der es zu Sprints und hohen Leistungsspitzen kommt“, erklärt Steinwender. „Sowohl die Ausdauer, die Schnelligkeit als auch die Muskulatur von Beinen, Rumpf und Schlagarmseite werden massiv beansprucht. Ein wichtiger Baustein dazu ist, ähnlich wie beim Eislaufen, die Stabilität von Rumpf, Hüfte, Knie und Sprunggelenk auf kippenden Untergründen wie dem Balance Board zu trainieren. Zusätzlich jedoch braucht gerade die Körpermitte einen guten Muskelpanzer gegen die Gefahren von Aufprall und Stößen.“ Diesen erreicht man mit Übungen für Hüfte, den unteren Rücken, den Bauch und bis hinauf zur ersten Rippe. Die Wichtigkeit eines solchen „Schutztrainings“ ist offensichtlich, denn die gepanzerten „Cracks“ setzen sich Blessuren durch Zweikämpfe, Aufprall auf der Bande oder Verletzungen durch Puck und Schlagstock aus. „Im Eishockey resultieren rund 80 Prozent aller Verletzungen aus Zweikämpfen“, verrät Herzeg. Sehr häufig sind Schulter oder Knie nach einem Aufprall oder einer unfreiwilligen Drehbewegung betroffen, die Folge sind Prellungen oder Kreuzband- und Seitenbandverletzungen. Auch geprellte Finger und ausgeschlagene Zähne sind nicht selten. „Am gefährlichsten jedoch sind Kopfverletzungen von der Gehirnerschütterung bis in Einzelfällen hin zur Hirnblutung, die immerhin ein Drittel aller Verletzungen ausmacht“, so Herzeg, der aber trotz aller Risiken ein großer Fan des Sports ist. „Wen die Eishockeyleidenschaft so richtig packt, den lässt sie nicht mehr los.“ 

Schutzausrüstung auf rutschigem Terrain

Allen Sportarten auf dem Eis ist eines gemeinsam: Die hohe Sturzgefahr. „Während beim Eishockey mittlerweile jeder Protektoren anlegt, steckt die Verwendung von Schutzausrüstung beim Eislaufen und Eistockschießen leider noch in den Kinderschuhen“, klagt der Villacher Orthopäde Dr. Martin Herzeg. Als wichtigstes Requisit sieht er einen Helm aus leichtem Kunststoff, der gerade beim Eishockey zumindest mit Halbvisier bzw. Gitter als Augenschutz unverzichtbar ist. Beim Eislaufen kommt er nur langsam in Mode, ist dort aber ebenso wie beim Eisstockschießen sehr zu empfehlen, um schwere Schädel-Hirn-Verletzungen beim Sturz auf den Kopf zu vermeiden. Handgelenks- und Knieprotektoren wären ebenso für alle drei Sportarten sinnvoll, wie auch gute Handschuhe zum Schutz gegen Schnittverletzungen von Kufen oder hartem Aufprall der Hände auf dem Eis.

Im kampfbetonten Eishockeysport ergänzen

*   Beinschutz gegen Bandenaufprall,
*   Ellbogenschutz,
*   Schienbeinschutz,
*   Brust- und Rückenpanzer,
*   Tiefschutz für die Genitalien und
*   Mundschutz für die Zähne die Ausrüstung.

Empfehlenswert beim Eisstockschießen sind rutschsichere Spezialschuhe. Herzeg warnt: „Gerade im Hobbysport ist wegen der Unberechenbarkeit der Mit-Akteure die Schutzausrüstung wichtiger als im Spitzensport.“

WEBTIPP
im.puls sport – Institut für Bewegung und Gesundheit
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Stand 11/ 2018

 

 

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