Mini-Schlaganfall

Dezember 2014 | Medizin & Trends

So schlägt der Körper Alarm
 
Weil der Spuk gleich wieder vorbei ist, gehen viele nicht zum Arzt und riskieren so ihre Gesundheit. Denn was der Volksmund als „Schlagerl“ verharmlost, ist in Wahrheit ein Alarmsignal des Körpers und oftmals Vorbote einer weit schlimmeren Attacke. Wie sich der Mini-Schlaganfall bemerkbar macht, was im Notfall zu tun ist, und wie man sein Risiko erkennen kann.

Gerade eben hat man sich noch wohlgefühlt – und dann das: Plötzlich ist ein Bein gelähmt, ein Arm fühlt sich taub an, eine Gesichtshälfte pelzig, ein Mundwinkel hängt herunter. Auf einmal sieht man mit einem Auge verschwommen oder überhaupt nichts mehr, kann Wörter nicht aussprechen, stottert oder findet die Worte erst gar nicht, kann keine vollständigen Sätze formulieren. Wie aus heiterem Himmel wird man von Schwindel und starken Kopfschmerzen übermannt. Ein paar Minuten später ist der Spuk vorbei.
Das sind die typischen Anzeichen für einen Mini-Schlaganfall, in der Fachsprache „Minor Stroke“ bzw. „transitorische ischämische Attacke“ und im Volksmund „Schlagerl“ genannt. „Die Symptome können einzeln oder auch zusammen auftreten“, erklärt der Präsident der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft Univ. Doz. Dr. Hans-Peter Haring: „Da sie sich schnell wieder zurückbilden, halten die Betroffenen oft für harmlos, was vorgefallen ist, und gehen deswegen nicht zum Arzt.“ Damit riskieren sie schwere Folgen, denn: „Jedes sogenannte Schlagerl ist ein Warnzeichen, das man sehr ernst nehmen sollte. In bis zu einem Drittel aller Fälle handelt es sich bei den vorübergehenden Erscheinungen um Vorboten für einen schwereren Schlaganfall“, verdeutlicht Haring die Gefahr.
Die weit schlimmere Attacke lässt mitunter nicht lange auf sich warten: Bei manchen folgt schon binnen Stunden oder Tagen nach dem „Schlagerl“ ein mittelschwerer oder schwerer Schlaganfall. Bei immerhin jedem Fünften innerhalb von zwei bis vier Wochen, andere trifft es einige Monate oder auch Jahre später.

Schwere Folgen verhindern

Von jenen rund 25.000, meist über 60-jährigen Menschen, die jedes Jahr in Österreich einen mittelschweren oder schweren Schlaganfall mit länger als 24 Stunden anhaltenden Beschwerden erleiden, kann nach der Behandlung nur die Hälfte ohne Einschränkungen weiterleben. 15 Prozent leiden lebenslang an den aufgetretenen Beeinträchtigungen, weitere 15 Prozent sind permanent auf Pflege angewiesen, 20 Prozent verlieren ihr Leben; Schlaganfälle sind hierzulande nach anderen Herz-Kreislauf-Leiden und nach Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache.
„Um den frühzeitigen Tod, ein Dasein als Pflegefall und ein Leben mit einer Behinderung zu verhindern, sollte man sich gleich nach einem Mini-Schlaganfall in einer neurologischen Abteilung eines Spitals untersuchen lassen“, appelliert Haring, der als Neurologe am Krankenhaus Wagner-Jauregg Linz und in Steyr tätig ist. Die Untersuchung ist umfangreich: Zunächst fragt der Arzt genau nach, mit welchen Beschwerden sich das Schlagerl bemerkbar gemacht hat. Darauf folgt eine Computertomografie oder Magnetresonanztomografie des Gehirns, um Gewebeveränderungen sichtbar zu machen, die auch bei Mini-Schlaganfällen auftreten. Außerdem werden noch eine Elektrokardiografie (EKG) zur Untersuchung der Herzfunktion, verschiedene Bluttests und eine Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader gemacht.

Von Bluthochdruck bis Vorhofflimmern

Durch die Untersuchungen kann herausgefunden werden, was zu dem Mini-Schlaganfall geführt hat. Und das ist wichtig, denn: Nach den Ergebnissen richtet sich die Behandlung, die weitere – schwerere, mitunter lebensbedrohliche – Schlaganfälle verhindern kann. Schließlich sei „eines immer klar“, wie Neurologe Haring betont: „Letztlich werden Mini-Schlaganfälle genauso wie mittelschwere und schwere Attacken durch Verstopfungen von Gefäßen im Gehirn ausgelöst.“ Diese Verstopfungen entstehen fast immer durch Ablagerungen, die sich aus anderen Gefäßen des Körpers lösen und mit dem Blut in das Gehirn gespült werden. „Und diese Ablagerungen haben sich oft über viele Jahre  aufgrund von unbehandeltem Bluthochdruck, nicht behandeltem Vorhofflimmern, auch von unerkannt gebliebenen erhöhten Blutfettwerten und Diabetes mellitus, der altersbedingten Zuckerkrankheit, gebildet“, fasst Haring die Verkettung ungünstiger Umstände zusammen.

Medikamente, Stents, Lebensstil

In den meisten Fällen stellen die Ärzte Bluthochdruck oder Vorhofflimmern als ungesunden Nährboden für einen (Mini-)Schlaganfall fest. Mit modernen Medikamenten, Blutdrucksenkern bzw. Blutverdünnern, kann man die beiden Hauptrisikofaktoren heute sehr gut und meist nebenwirkungsfrei in den Griff bekommen. Dasselbe gilt für die Zuckerkrankheit und erhöhte Blutfettwerte, die ebenfalls häufig hinter einem „Schlagerl“ stecken. „Werden die Ursachen behandelt, sinkt die Gefahr erheblich, nach dem Mini-Schlaganfall einen schwereren Schlaganfall zu erleiden“, weiß Haring.
Stellt sich bei der Untersuchung im Spital heraus, dass sich in den Vergabelungen der Halsschlagader (Karotis) Ablagerungen befinden, so können diese operativ entfernt werden. Auch das Setzen von Stents, also von gefäßerweiternden Drahtgeflechten, kann in diesen Fällen einem neuerlichen Schlaganfall vorbeugen. Nur bei wenigen Menschen geht ein Schlaganfall darauf zurück, dass aufgrund von angeborenen Gefäßschäden oder Verletzungen ein Hirngefäß zerreißt, es so zu Hirnblutungen, zu Gerinnseln und über diesen Weg zu Verstopfungen und einem „Schlagerl“ kommt. Auch dann sind rasche Untersuchungen im Spital wichtig, um die richtige Behandlung einleiten zu können.
Was auch immer zu der bedrohlichen Attacke geführt hat: Das Risiko, vom „Schlagerl“- zum Schlaganfall-Patienten zu werden, lässt sich am besten senken, wenn die medizinischen Maßnahmen von Veränderungen des Lebensstils begleitet werden: „Auf eine fett- und zuckerarme Ernährung umsteigen, sich mehr bewegen, wenn nötig abnehmen, gegebenenfalls weniger Alkohol trinken und mit dem Rauchen aufhören“, zählt Haring die heute gängigen Empfehlungen auf.

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Mini-Schlaganfall:
Wie merke ich das?

Eines oder mehrere der folgenden Anzeichen treten plötzlich auf und können mehrere Minuten anhalten:

  • Halbseitige Lähmung oder Muskelschwäche:
    Man kann einen Arm nicht mehr heben, ein Bein nicht mehr bewegen, eine Gesichtshälfte fühlt sich pelzig an, ein Mundwinkel hängt herunter.
  • Schwierigkeiten beim Sprechen:
    Auf einmal können keine Sätze mehr formuliert werden, Wörter oder Wortsilben werden vertauscht, Worte fallen einem nicht mehr ein.
  • Probleme beim Sehen:
    Plötzlich wird die Welt auf einem Auge doppelt, verschwommen oder überhaupt nicht mehr gesehen.
  • Drehschwindel und Gleichgewichtsstörungen

Wer eines oder mehrere dieser typischen, meist binnen weniger Minuten vorübergehenden Anzeichen eines Mini-Schlaganfalls an sich bemerkt, sollte gleich die Rettung (144) rufen oder sich von Angehörigen in ein Spital mit einer neurologischen Abteilung zur Untersuchung und Behandlung bringen lassen.

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Schlaganfall
Wie groß ist mein Risiko?


Mein Blutdruck ist zu hoch.

Wird das Blut dauerhaft mit hohem Druck durch die Gefäße gepumpt, steigt die Gefahr, dass sich in Vergabelungen der Gefäße Ablagerungen bilden. Diese Ablagerungen können sich lösen, mit dem Blutfluss ins Gehirn geschwemmt werden und dort ein Gefäß verstopfen.

Ich habe öfter Herzrasen, Atemnot, Brustschmerzen.

Das können ebenso wie Schwächegefühl, Schwindel, bleierne Müdigkeit Anzeichen von Vorhofflimmern sein. Bei dieser Form von Herzrhythmusstörungen ziehen sich die Vorhöfe des Herzens nicht richtig zusammen. So wird dort das Blut in seinem Fluss gestoppt, wodurch sich immer wieder gefährliche Gerinnsel bilden und die Gefahr für einen Schlaganfall steigt.

Ich esse gerne deftig.

Schweinsbraten, Schnitzel und andere fettreiche Speisen führen zu erhöhten Blutfettwerten: Schlechtes Cholesterin und Triglyzeride lagern sich in den Gefäßen ab und können von dort mit dem Blut ins Gehirn gespült werden.

Ich liebe Süßigkeiten.
Wenn Kuchen, Torten, Mehlspeisen, Schokolade täglich auf dem Speiseplan stehen, droht die Gefahr, Diabetes mellitus zu entwickeln. Die Zuckerkrankheit schädigt die Gefäße, sodass es zu Ablagerungen – und einem (Mini-) Schlaganfall kommen kann.

Sport? Nein, danke!
Bewegungsmangel führt dazu, dass im Blut Fette und Zucker nicht ausreichend abgebaut werden. Das wiederum ebnet den Weg zu schlechten Blutfettwerten und Diabetes. Gefährliche Ablagerungen drohen.

Ich bin dauernd im Stress.
Durch permanenten (negativen) Stress erhöhen sich Pulsfrequenz und Blutdruck. So können Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern entstehen, die Gefahr für einen (Mini-)Schlaganfall vergrößert sich.

Ich bin füllig um die Mitte.
Fett, das sich aufgrund von Bewegungsmangel und ungesunden Ernährungsgewohnheiten um die Leibesmitte sammelt, ist besonders gefährlich, auch wenn gar kein Übergewicht besteht. Bauchfett setzt von sich aus Botenstoffe frei, die im gesamten Körper Entzündungsreaktionen auslösen, Gefäßschäden hervorrufen und das Schlaganfallrisiko erhöhen.

Ich bin über 60 Jahre alt.
Im fortgeschrittenen Alter treten Schlaganfälle besonders häufig auf, da mit den Jahren die Gefäßschäden zunehmen und es daher öfter zu bedrohlichen Ablagerungen in den Gefäßen kommt.

Ich rauche und/oder trinke öfter über den Durst.
Nikotin und Alkohol im Übermaß sind Gift für die Gefäße: Sie schädigen die Gefäßwände und erhöhen das Risiko für Blutgerinnsel, die in das Gehirn gelangen und dort ein „Schlagerl“ bzw. einen Schlaganfall verursachen können.

In meiner Familie gab es schon Schlaganfälle.

Menschen, deren Großeltern, Eltern oder Geschwister einen Schlaganfall erlitten haben, sollten besonders vorsichtig sein: Man weiß, dass Schlaganfälle familiär gehäuft auftreten.

Treffen eine oder mehrere dieser zehn Aussagen auf Sie zu, informieren Sie bitte Ihre Ärztin, Ihren Arzt.

Stand 11/2014

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