Auge verrät Krankheit

September 2017 | Medizin & Trends

Was bei einer Untersuchung sichtbar wird
 
Sie sind nicht nur der Spiegel unserer Seele, sondern spiegeln auch unsere Gesundheit: Die Augen. Bei einer augenärztlichen Untersuchung verraten sie Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Rheuma – meist noch ehe deswegen gesundheitliche Probleme aufgetreten sind. Welche Leiden häufig früh in unseren Sehorganen sichtbar werden, wie sie sich im Auge abbilden und was die Früherkennung bringt – das erklärt Dr. Helga Azem, Augenärztin in Wien und Vorsitzende der Fachgruppe für Augenheilkunde und Optometrie der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), für MEDIZIN populär.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Auge verrät:
Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

Erweitert oder verengt: So zeigen sich die winzigen Blutgefäße in den Augen, neue Gefäße haben sich gebildet, auf der Netzhaut sind Blutungen zu sehen, manchmal hat sich die Sehkraft plötzlich stark verändert. „Solche Anzeichen weisen auf eine Zuckerkrankheit hin, und das sehr oft noch bevor die Erkrankung erkannt wurde“, sagt Azem. Erklärbar ist dies damit, dass vor allem Diabetes mellitus Typ 2, der Altersdiabetes, lang keine körperlichen Beschwerden verursacht, während es bereits zu den genannten Gefäßveränderungen kommt.
Betroffene in Österreich: Zirka 600.000, davon 90 bis 95 Prozent Typ 2-Diabetes und 5 bis 10 Prozent Typ 1-Diabetes

Was bringt die Früherkennung?
Wird Diabetes früh diagnostiziert und behandelt, lassen sich schwerwiegende Folgen vermeiden, wie Netzhautschäden, die diabetische Retinopathie, die bis zum Verlust des Augenlichts führen kann – und auch Nierenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Herzinfarkt und Schlaganfall, Haut- und Nervenschäden.

Auge verrät:
Bluthochdruck (Hypertonie)

Verengungen der Blutgefäße in den Augen und eine Verdickung der Gefäßwände: „Wenn sich bei der Augenuntersuchung solche Veränderungen zeigen, legt dies den Verdacht auf erhöhten Blutdruck nahe“, so  Azem. Die Verdickungen und Verengungen treten nicht nur in den Gefäßen der Netzhaut der Sehorgane auf – sondern auch in den Gefäßen des gesamten Körpers: Sie gefährden besonders das Gehirn, das Herz und die Nieren.
Betroffene in Österreich: Etwa jeder vierte Mann, jede fünfte Frau

Was bringt die Früherkennung?
Wird Hypertonie rasch diagnostiziert und therapiert, ist das Risiko für gefährliche Folgen der Erkrankung deutlich reduziert: Diese reichen von Netzhautschäden, der hypertensiven Retinopathie, die das Schwinden der Sehkraft nach sich ziehen kann, über Nierenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Probleme und Thrombosen bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall.    ‘

Auge verrät:
Rheuma

Tränende, brennende, gerötete Augen, das „trockene Auge“ oder „Sicca-Syndrom“, immer wiederkehrende Entzündungen der Lederhaut, Regenbogenhaut oder Aderhaut: „Diese Beschwerden können Anzeichen für eine rheumatische Grunderkrankung sein“, erklärt Azem. Rheumatoide Arthritis, Gicht und Morbus Bechterew bilden sich beispielsweise auf diese Art und Weise im Auge ab – häufig, ehe sich die Rheumaerkrankung durch sonstige Beschwerden bemerkbar gemacht hat. Dies liegt am Mechanismus, der die Krankheit entstehen lässt: Bei Rheuma produziert das Immunsystem Antikörper, die Entzündungen und Stoffwechselstörungen hervorrufen und zunächst zu den genannten Augenbeschwerden, später auch zu Schmerzen und Schwellungen im Gewebe, den Muskeln, Bändern, Sehnen und Knochen des Bewegungs- und Stützapparats führen.
Betroffene in Österreich: Zwei Millionen

Was bringt die Früherkennung?
Werden rheumatische Erkrankungen rasch behandelt, geht nicht nur die Augenentzündung zurück, was schweren Augenschäden vorbeugt. Auch werden Schmerzen und Schwellungen im Bewegungs- und Stützapparat, Schäden durch die Entzündungen an Knochen, Sehnen, Bändern und Muskeln und damit einhergehende Bewegungseinschränkungen hintangehalten oder gelindert.

Auge verrät:
Multiple Sklerose (MS)

Schmerzen bei der Bewegung der Augen, plötzlich auftretende Sehverschlechterung und Gesichtsfeldausfälle: „So zeigt sich oft eine Entzündung des Sehnervs, die auf eine Erkrankung an Multipler Sklerose zurückgehen kann“, sagt Azem. Multiple Sklerose (MS) entsteht durch eine Entgleisung des Immunsystems, die vermutlich genetische sowie weitere, noch un­bekannte Ursachen hat, und zu Ent­zündungsprozessen im Gehirn führt. Diese Prozesse können viele verschiedene Beeinträchtigungen zur Folge haben, so auch solche, die zu den genannten Beschwerden führen.
Betroffene in Österreich: 12.500

Was bringt die Früherkennung?
Mit der raschen und richtigen Therapie können die oft schubweise auftretenden Entzündungsprozesse in Schach gehalten werden, Schübe und damit unter anderem einhergehende Störungen des Sehvermögens treten seltener auf und lösen weniger starke Beeinträchtigungen aus.

**********************************
Woraus besteht die Augenuntersuchung?

  • Überprüfung der Funktionen der Augen und des visuellen Systems, also jenes Teils des Nervensystems, das mit der Verarbeitung der bildhaften Information beschäftigt ist – über einen Sehtest, Test der Naheinstellungsfähigkeit, Farbsinntest, Test des Muskelgleichgewichts, etc.
  • Untersuchung aller Augenabschnitte mithilfe der Spaltlampe und Speziallinsen – wofür die Pupillen meist mit Augentropfen erweitert werden.
  • Wenn nötig weitere spezielle Untersuchungen, z. B. des Gesichtsfelds.

*************************************

Wann zum Augenarzt?

  • Wenn Beschwerden auftreten, wie z. B. rote Augen, und länger als ein bis zwei Tage anhalten.
  • Wenn sich die Sehkraft verändert.
  • Auch bei gutem Sehen und Beschwerdefreiheit vorsorglich etwa alle zwei Jahre, ab dem 40. Lebensjahr am besten jedes Jahr.
  • Mit Kindern wie im Mutter-Kind-Pass vorgesehen zwischen dem 10. und 14. Lebensmonat und zwischen dem 22. und 26. Lebensmonat sowie bis zum Ende des Volksschulalters einmal im Jahr vorsorglich zur Kontrolle, danach etwa alle zwei Jahre.

************************************
Das verrät das „trockene Auge” (= Sicca-Syndrom)

Die Augen sind gerötet, brennen, tränen, schmerzen, manchmal ist das Sehen instabil, das Gesehene unscharf: „Dies sind häufig Anzeichen für das trockene Auge, das Sicca-Syndrom, mit seinen vielen verschiedenen Ursachen“, erklärt Azem. Dazu zählen wie erwähnt rheumatische Erkrankungen, aber auch beispielsweise hormonelle Störungen, etwa bedingt durch Schilddrüsenerkrankungen oder durch  die Einnahme von Hormonpräparaten wie der Antibabypille. Außerdem können Medikamente wie Blutdruckmittel oder Psychopharmaka das Sicca-Syndrom verursachen, das zustande kommt, weil zu wenig Tränenflüssigkeit produziert wird, die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit verändert – und der Lidschlag vermindert ist.
Das trockene Auge ist weit verbreitet, Fauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer, das das Syndrom auch durch die Hormonumstellung in den Wechseljahren verursacht werden kann.
Um schwerwiegende Folgen zu vermeiden wie eine Hornhautentzündung, die Bildung von Geschwüren und Narben in den Augen, muss das trockene Auge behandelt werden. Zudem sollten mögliche Grunderkrankungen abgeklärt werden, um gegebenenfalls eine Therapie ­starten zu können.  Sind Medikamente die Ursache, hilft eventuell ein Wechsel.

*****************************

Verrät das Auge auch Alzheimer-Demenz und Parkinson?
Forscher erkunden derzeit, ob die Erkrankungen Alz­heimer-Demenz und Parkinson an spezifischen Veränderungen der Augen oder aufgrund von Augenbeschwerden früh erkannt – und dann besser behandelt – werden können. Mit Ergebnissen ist, wie es heißt, frühestens in fünf bis zehn Jahren zu rechnen.

*****************************

Spät, aber doch…
…zeigen sich weitere Erkrankungen im Auge – dies aber erst dann, wenn die Erkrankung aufgrund der gesundheitlichen Probleme, die sie bereitet, meist längst erkannt und behandelt wurde.
Dazu zählen die verschiedenen Formen der Leberentzündung, Hepatitis. Für den Fall, dass Hepatitis unbehandelt bleibt, führt sie unter anderem zu einer Gelbfärbung der Augen, bedingt durch eine zu hohe Konzentration des Gallenfarbstoffes Bilirubin im Blut, zu der es durch die entzündungsbedingte Einschränkung der Leberfunktion kommt Die – seltene – Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson zeigt sich unbehandelt in grünlich-braunen Verfärbungen der Augen, was daran liegt, dass die Leber bedingt durch einen Gendefekt Kupfer nicht ausreichend abbauen kann und der Kupfergehalt im Blut zu hoch ist. Bei einer Erkrankung an Lymphdrüsenkrebs, Morbus Hodgkin, kann es als Spätfolge zu Absiedlungen des Krebs, Metastasen im Auge, kommen.

*********************************

Immer mehr Kinder und Jugendliche kurzsichtig
Häufige Nutzung von Smartphones, Tablets, Computern als Ursache

In die Ferne sehen sie zunehmend schlecht, sind kurzsichtig: Das stellen Österreichs Augenärzte bei immer mehr Kindern und Jugendlichen fest, weiß die Wiener Augenärztin Dr. Helga Azem, die auch Vorsitzende der Fachgruppe für Augenheilkunde und Optometrie der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) ist. 2050 wird daher jeder Zweite kurzsichtig sein. Die Ursache für die zunehmend schlechte Sicht in die Ferne dürfte die häufige Nutzung von Smartphones, Tablets und Computern sein. Zur Vorbeugung vor der Fehlsichtigkeit empfiehlt Azem, die Kinder und Jugendlichen dazu anzuhalten, den Blick auf die Geräte auf maximal 20 bis 30 Minuten am Stück einzuschränken und danach idealerweise eine ein- bis zweistündige Bildschirmpause zu machen – sowie mindestens zwei Stunden am Tag bei Tageslicht im Freien zu verbringen. Nur so können sich die Augen von der ständigen Nahsicht erholen, die zu einem Längenwachstum des Augapfels und mittel- und langfristig zur Kurzsichtigkeit führt. Diese bringt nicht nur mit sich, dass für die Fernsicht permanent eine „Krücke“ in Form einer Brille oder von Linsen nötig ist, sie gefährdet auch die Augengesundheit: „Kurzsichtigkeit erhöht das Risiko für diverse Erkrankungen wie zum Beispiel Netzhautabrisse bis hin zur Netzhautabhebung“, sagt Azem. Und die kann zu erheblichen Sichteinschränkungen führen. Ist ein Kind oder Jugendlicher bereits kurzsichtig und schreitet die Kurzsichtigkeit fort, empfiehlt Azem spezielle Kontaktlinsen, die vom Augenarzt angepasst werden, und laut Studien das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit bremsen oder sogar verhindern.

Buchtipp:
Wedrich, Faschinger, Schmut
Mein Auge. Erkrankungen, Behandlungen, Informationen
ISBN 978-3-902552-62-4
256 Seiten, € 19,90
Verlagshaus der Ärzte

Stand 09/2017

aktuelle Ausgabe

MP Cover 2023-06

Sie wollen mehr?

Das freut uns!

 

WÄHLEN SIE EINFACH AUS:
» E-Magazin in der APP «
» E-Magazin im Austria Kiosk «

E-Magazin

Gewinnspiel

Service

Kontakt

aktuelle Ausgabe

MP Cover 2023-06

Sie wollen mehr?

Das freut uns!

 

WÄHLEN SIE EINFACH AUS:
» E-Magazin in der APP «
» E-Magazin im Austria Kiosk «

Service

E-Magazin

Gewinnspiel

Kontakt

E-Magazin

Gewinnspiel

Kontakt

Service