Helden des Alltags: Was Cobra-Sanitäter leisten

Februar 2019 | Leben & Arbeiten

„Annaberg war das Ärgste“
 
Erwin Grubhofer und Martin Schlagenhaufen, beide 43 Jahre alt, sind Beamte des Einsatzkommandos Cobra. Sie schützen uns nicht nur vor Terroristen und anderen Schwerkriminellen, sondern versorgen als Cobra-Sanitäter auch Verwundete.
 
– Von Mag. Sabine Stehrer

Wird Martin Schlagenhaufen danach gefragt, was in seiner bisherigen Tätigkeit bei der Cobra sein schrecklichster Einsatz war, braucht er nicht lang zu überlegen. „Annaberg war das Ärgste“, sagt er spontan. Fünf Jahre ist es nun her, dass dort ein Jäger, der wegen Verdachts auf Wilderei kontrolliert werden sollte, vier Menschen erschoss und sich anschließend selbst richtete. Seine Opfer waren ein Sanitäter des Roten Kreuzes, zwei Polizisten und ein Cobra-Beamter. Sie waren sofort tot. Dass er die Kollegen nicht schützen und ihnen noch dazu nicht mehr helfen konnte, sei schlimm gewesen, so Schlagenhaufen – der innerhalb der wichtigsten Spezialeinheit der österreichischen Polizei noch einmal eine Sonderstellung innehat. Er gehört dem Cobra-eigenen Sanitäter-Pool an, wie auch Erwin Grubhofer: Die beiden 43-Jährigen, die im Hauptquartier der Cobra in Wiener Neustadt stationiert sind, schützen uns nicht nur vor Terroristen und anderen Schwerkriminellen, sondern sind außerdem für die „taktische Verwundetenversorgung“ zuständig, wie die Zusatzaufgabe intern genannt wird. Als Cobra-Sanitäter leisten sie dort Hilfe, wo andere Berufsretter aus Sicherheitsgründen nicht helfen dürfen, auch nicht helfen können: Weil sie nicht dafür ausgebildet sind, sich mitten in einem Kampfgeschehen beispielsweise um Schuss- und Stichwunden zu kümmern – ohne die Schritte zu behindern, die zur Überwältigung des Täters oder der Täter nötig sind. Bei Bedarf werden auch Täter von den Cobra-Männern versorgt. „Wir sind für alle Verwundeten im Einsatzbereich zuständig“, sagen Grubhofer und Schlagenhaufen.       
                                           
1000 Einsätze im Jahr

Zu rund 1000 Einsätzen werden die insgesamt 450 Beamten der 1978, vor 40 Jahren, als Anti-Terror-Einheit gegründeten Cobra jährlich gerufen. „Amoklagen“ wie jene in Annaberg zählen genauso immer wieder dazu wie „Geisellagen“ in Österreich und im Ausland – so war die Spezialeinheit etwa maßgeblich an der spektakulären Befreiung österreichischer Sahara-Urlauber aus den Händen algerischer Geiselnehmer beteiligt. Die Alltagsarbeit von Schlagenhaufen, Grubhofer und ihren Kollegen besteht aber darin, gefährliche Täter oder ganze Banden in ihren Häusern, Wohnungen oder an Tatorten zu übermannen und festzunehmen. Dies unter „mindestnotwendigem Gewalteinsatz“, wie die Maxime heißt. Was, wenn es dabei dennoch wild zugeht, Täter um sich schießen, andere verletzen oder töten wie der Mörder von Annaberg? Wie sind solche Geschehnisse auszuhalten, wie zu bewältigen? Kommt es vor, dass ein Cobra-Beamter auch einmal dem Druck nicht standhält und zum Beispiel wegrennt? „Nein“, sagt Grubhofer. „Wir Cobra-Beamte sind mental so gepolt, dass wir das schon aushalten.“ Und geht doch einmal etwas über das übliche Maß des Aushaltbaren hinaus, genüge es meist, „untereinander darüber zu reden“. Reicht das nicht, stehe immer noch der psychologische Dienst des Bundesministeriums für Inneres, dem die Cobra direkt unterstellt ist, zur Verfügung. „Nach Annaberg“, meint Schlagenhaufen, „ist da wohl auch der eine oder andere von uns hingegangen“.

Mit Waffen im Flugzeug

Aber nicht nur dann, wenn schon etwas passiert ist, sondern auch überall dort, wo etwas passieren könnte, sind Cobra-Beamte gefragt. So haben sie österreichische Missionen, Botschaften und Konsulate, im Ausland zu bewachen, außerdem im In- und Ausland Personen zu schützen, und als „Air Marshals“ jährlich rund 1000 Flüge zu begleiten. Einmal konnten Cobra-Beamte schon die Entführung eines Flugzeugs verhindern, indem sie den Täter an Bord überwältigten. Meistens hätten sie es bei den Einsätzen in Flugzeugen aber mit Menschen zu tun, „die in eine psychische Ausnahmesituation“ geraten, randalieren oder andere Passagiere bedrohen. Der mindestnotwendige Gewalteinsatz sei auch dann oberstes Gebot. Grubhofer erklärt, was das bedeutet: „Wir schauen uns die Bedrohungslage an und arbeiten Algorithmen ab.“ Das heißt, je nachdem, was geschieht, werden für das Geschehen vorgesehene Handlungsschritte gesetzt. Für den Fall des Falles habe man auch im Flugzeug stets Waffen und ein Sanitätspaket dabei.
Viel zu tragen sind die Männer aber ohnedies gewohnt. „Was wir alles mit uns herumschleppen, wiegt schon so 25 bis 30 Kilogramm“, sagt Schlagenhaufen und zählt auf: „Der Schutzhelm, die beschusshemmende Schutzweste, die Waffen…bei Einsätzen als Sanitäter das Sanitätspaket und…die Verantwortung, die kommt dann auch noch dazu.“ Dennoch sind die Männer bei Alarm schnell gerüstet: „Zwei bis fünf Minuten“ brauchen sie, bis sie im Einsatzfahrzeug sitzen – mit dem sie dann „so schnell wie nötig und so sicher wie möglich“ zum Einsatzort fahren.

Wöchentlich 20 Stunden Training

Wenn kein Einsatz ist, und auch keiner der drei- bis fünfmal im Monat erforderlichen 24-stündigen Bereitschaftsdienste ansteht, wird meist trainiert. Schlagenhaufen und Grubhofer trainieren häufig die Hälfte ihrer Arbeitszeit, also „20 Stunden pro Woche“. Auf dem Programm stehen dabei neben einem  Ausdauer- und Krafttraining Klettern, Schwimmen, Tauchen, Nahkampfeinheiten, Einheiten im Hindernisparcours, Schießtrainings, Fahrtrainings, und auch das Erstürmen von Wohnungen und Flugzeugen wird regelmäßig geprobt. Der Erfolg des Trainings wird immer wieder bei internen Leistungstests und medizinischen Checks überprüft. Ein Cobra-Beamter bleibt Cobra-Beamter, solang er die Tests besteht – Alterslimit für die Arbeit bei der Spezialeinheit gibt es keines. Auch während des Trainings sind die Cobra-Sanitäter für die medizinische Versorgung verantwortlich – diesfalls nur der Kollegen.  Beim Training komme es oft zu Verletzungen, „meistens bei Stürzen“, heißt es. Besonders fatal sei das für junge Polizisten in der Grundausbildung zum Cobra-Beamten: Ist eine Verletzungspause nötig, kann die Ausbildung nicht weiter absolviert werden – man kann nur noch einmal von vorn beginnen.

Nur jeder Zehnte besteht

Bewerber gibt es immer wieder viele. So wie vor zwanzig Jahren Grubhofer und Schlagenhaufen, die sich als junge Polizisten von der „außergewöhnlichen Arbeit“ bei der Cobra angezogen fühlten, reizen die Aufgaben bei der international renommierten Spezialeinheit heute jeweils rund 250 Polizisten und ein paar wenige Polizistinnen so sehr, dass sie zum Aufnahmeverfahren antreten. Die harten körperlichen, psychischen und verhaltenspsychologischen Tests besteht allerdings nur jeder Zehnte. Und von jenen, die die anschließende sechsmonatige Grundausbildung schaffen, werden wiederum nur die zwanzig besten in den Dienst der Cobra aufgenommen. Übrig bleibt, wer „willig ist, stets das ,Quäntchen’ mehr zu leisten“, sagt Grubhofer. Ein „guter Teamplayer“ müsse man freilich auch sein, und in Stresssituationen einen möglichst kühlen Kopf bewahren. Wobei: Etwas nervös, das darf ein Cobra-Beamter schon werden, wenn es zum Einsatz geht, das sei „sogar gut“, so Grubhofer weiter, „das erhöht das Aufmerksamkeitslevel“.
Dennoch komme es auch noch nach langjähriger Erfahrung zu „Hoppalas“, die während des Einsatzes zwar unangenehm sind, letztlich aber zu dem wenigen Lustigen zählen, das über die Arbeit bei der Cobra erzählt werden kann.
Einmal sei ein Haus zu stürmen gewesen und die Männer hätten sich gegenseitig helfen müssen, um die hohe Gartenmauer zu überwinden. Als die Truppe dann im Garten war, kam noch ein Kollege nach: durch das – unverschlossene – Gartentor.

Zahlen & Fakten

*   Beim Einsatzkommando Cobra sind derzeit 450 Cobra-Beamte, darunter drei Frauen, im Einsatz.
*   Hauptsitz und Ausbildungsstätte befinden sich in Wiener Neustadt. Weitere Standorte hat die Cobra in Wien, Graz, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Innsbruck und Feldkirch.
*   Gegründet wurde die Spezialeinheit, die direkt der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit unterstellt ist, noch als Gendarmerieeinsatzkommando (GEK) 1978. „Cobra“ wurde das GEK von Journalisten getauft: Der Name stammt aus einer US-amerikanischen Fernsehserie mit dem Originaltitel „Mission: Impossible“. Später wurde der Agententhriller mit den 171 Folgen im deutschen Fernsehen teils unter dem Namen „Kobra, übernehmen Sie!“ ausgestrahlt.
*   Einsatzgebiete der Cobra mit der gleichnamigen Schlange als Wappentier, befinden sich im In- und Ausland und decken ein breites Spektrum ab: Neben der Terrorbekämpfung zählen dazu die Unterstützung der Polizei bei erhöhten Gefährdungslagen, Geiselnahmen, Amoklagen, Personenschutz, Spezialflugbegleitung, die Erstürmung von Luftfahrzeugen, der Schutz österreichischer Missionen, sowie auch technische Einsätze, wie das Entschärfen von Bomben.

Wie wird man Cobra-Sanitäter?

Nur Cobra-Beamte können Cobra-Sanitäter werden – nach einer Ausbildung zum Notfallsanitäter mit Einsatztauglichkeit bei Kampfhandlungen.    

WEBTIPP

www.aufnahme-polizei.at
Hier erfahren Sie, wie man sich bei der Polizei bewirbt.

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