Wohnen ohne Barriere

März 2019 | Gesellschaft & Familie

Türschwellen, sich einrollende Teppichenden oder freiliegende Kabel – wenn Seh- und Muskelkraft im Alter nachlassen, werden kleine Hindernisse zu großen Stolperfallen.
 
– Von Mag. Helga Schimmer

Jahrzehnte lang ist Karoline M., 83, über die Kante des Perserläufers in ihrem Vorzimmer mühelos hinweg gestiegen. Vor kurzem jedoch ist sie darüber gestolpert und gestürzt. Oberschenkelhalsbruch, lautete die Diagnose, und Frau M. hat nunmehr einen langen Leidensweg vor sich, an dessen Ende womöglich auch der Verlust der Eigenständigkeit droht. Unfälle wie diese ließen sich vermeiden, indem man potenzielle Gefahrenquellen rechtzeitig aus der eigenen Wohnung eliminiert. Doch wann ist rechtzeitig?
„In welchem Gesundheitszustand Menschen alt werden, ist individuell sehr verschieden“, sagt Ulrike Fellinger, MSc., Ergotherapeutin und Lehrende an der Fachhochschule Wiener Neustadt im Fachbereich Ergotherapie in der Geriatrie. „Viele Menschen leiden im hohen Alter an chronischen Krankheiten, die aber keine direkten Folgen des Alters sind.“ Abgesehen davon muss jeder früher oder später mit schwindenden Körperkräften rechnen: Die spontane Muskelkraft verringert sich, die Koordinationsfähigkeit wird schlechter, Seh- und Hörvermögen lassen nach.

In Bewegung bleiben

Um sich im Alter möglichst lange die Selbstständigkeit zu bewahren, ist es besonders wichtig, beweglich zu bleiben. „Trainieren Sie, indem Sie häufig draußen gehen – durchaus auch mit schnellen Schritten und auf unebenen Böden“, rät Fellinger. „Wandern, Gymnastik, regelmäßiges Tanzen in der Gruppe oder Herumtollen mit dem Enkelkind sind weitere hervorragende Möglichkeiten, um sich körperliche Fitness und eine gute Laune zu erhalten. Denn gerade auch die sozialen Kontakte wirken gesundheitserhaltend.“ Augenmerk sollte dabei auf Regelmäßigkeit gelegt werden, das heißt mindestens ein sanftes einstündiges Training pro Woche, besser noch täglich eine kürzere Einheit absolvieren. „Sich dabei bis an den Rand der Kräfte zu verausgaben, wäre jedoch kontraproduktiv, weil die Verletzungsgefahr steigt bzw. das Herz-Kreislauf-System leidet“, betont die Ergotherapeutin. Ein tragbares elektronisches Gerät, das bei Bewegung z. B die Herzschlagfrequenz überwacht (ein sogenannter Fitnesstracker) kann helfen, das richtige Maß zu finden und motiviert zu bleiben.

Altersgerecht wohnen

Mit den fortschreitenden Jahren gewinnt allmählich auch die Anpassung der Wohnverhältnisse an Bedeutung. „Ist man bereits körperlich stark geschwächt oder beeinträchtigt, stellt ein Umbau eine zu große Belastung dar, und es ist dafür eigentlich schon zu spät“, gibt Fellinger zu bedenken. „Ein günstiger Zeitpunkt wäre etwa die Pensionierung. Dann verfügt man noch über genug Energie und in der Regel auch Geld für größere Änderungen.“
Wer sich entscheidet, die eigene Wohnung respektive das eigene Haus möglichst lange zu nützen, zückt am besten das Maßband und unterzieht seine Einrichtung einer Tauglichkeitsprüfung: Sind die Türen breit genug, dass ich später noch mit einem Rollmobil durchkomme? Besitzt das Wohnzimmer genügend Freifläche, um darin mit einem Rollstuhl zu wenden? Können vorhandene Schwellen entfernt oder mit Rampen versehen werden? (siehe Checkliste für barrierefreies Wohnen auf den nächsten Seiten).

Gewohnheiten anpassen

„Genauso wichtig wie bauliche Merkmale sind aber auch die persönlichen Gewohnheiten“, sagt Fellinger. „Finden Sie heraus, welche Wege Sie häufig zurücklegen bzw. wo Sie die Dinge des täglichen Gebrauchs lagern.“ So könnte man etwa die nur über die steile Kellertreppe erreichbare Tiefkühltruhe durch einen Gefrierschrank auf Wohnebene ersetzen. Oder häufig gebrauchte Küchenutensilien werden in ausziehbaren Unterschrank-Laden anstatt in den luftigen Höhen der Oberschränke gelagert. Kletteraktionen mittels Tisch, Sessel oder Leiter sind bei eingeschränkter Koordination ohnehin tabu. „Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Beinahe-Unfälle und vertrauen Sie der Einschätzung Ihrer Angehörigen, wenn sie sich Sorgen machen, dass Sie für bestimmte Arbeiten in Haus und Garten nicht sicher genug auf den Beinen sind“, empfiehlt die Expertin.
Eine einfache Möglichkeit, um die eigene Koordinationsfähigkeit zu testen, ist das Gehen auf gerader Linie, indem die Füße Ferse an Spitze voreinander gesetzt werden. Sollte dies nicht gelingen, ist ein Arztbesuch angezeigt, um ernste Ursachen auszuschließen. „Wenn Sie bereits an einer Erkrankung leiden, die Ihre Selbstständigkeit im Alltag einschränkt, kann eine Ergotherapie mit Hausbesuch ärztlich verordnet werden“, so Fellinger. Dabei werden unter anderem tägliche Abläufe verbessert, Fertigkeiten trainiert und der Gebrauch von Hilfsmitteln erlernt.

Checkliste für barrierefreies Wohnen

Wenn für ältere Menschen die Bewältigung des Alltags zunehmend schwieriger wird, sind Hilfsmittel für barrierefreies Wohnen sehr hilfreich. Dazu zählen etwa Heimnotrufsysteme, Treppenlifte oder auch Rollstuhlrampen, um die Mobilität in den eigenen vier Wänden zu gewährleisten. Wer seinen Wohnraum barrierefrei umgestalten möchte, sollte sich fachlich beraten lassen, um gut passende, individuelle Lösungen zu finden – folgende bauliche bzw. organisatorische Maßnahmen machen Sinn:
 

 

 

Merkmal  Bauliche bzw. organisatorische Maßnahmen
Türbreite    Mindestens 80 cm  Schmälere Durchgänge vorsorglich verbreitern, damit ein Rollmobil bzw. Rollstuhl passieren kann.
Böden im Wohn-und Eingangsbereich Rutschfest, frei von Hindernissen Rutschende Teppiche mit aufstehenden Kanten, lose Kabel und auf dem Boden liegende Gegenstände entfernen. Schadhafte Bodenbeläge reparieren.   
Bad, WC  Rutschfester Boden. Setzen, Aufstehen und Umdrehen ist leicht möglich.  Am besten eine bodengleiche Dusche einrichten, vorsorglich Haltegriffe anbringen sowie rutschfeste Matten auf den Boden und in die Wanne legen.
Beleuchtung  Hell und blendfrei  Lampen an allen Wegen und Arbeitsstellen anbringen. Bewegungssensoren installieren (wichtig für den nächtlichen Weg zur Toilette). 
Schwellen Maximal 2 cm hoch   Höhere Schwellen abschrägen. Türstaffeln entfernen.
Treppen   Möglichst keine Geländer und beidseitigen Handlauf anbringen. Gegebenenfalls (Rollstuhl-)Rampen oder Treppenlifte einbauen.
Küchenarbeitsfläche  Höhe abhängig von der Körpergröße. Einen Sitzarbeitsplatz für unangestrengtes Arbeiten schaffen.     
Sofa und Bett Höhere Sitzflächen erleichtern das Aufstehen. Vom Tischler Erhöhungen anfertigen lassen.
Badezimmer  Gefahr von Sturzanfällen minimieren.   Rutschfeste Matten auslegen. Haltegriffe montieren. Einstiegshilfe für die Badewanne oder große schwellenfreie Duschkabine beschaffen. 

Webtipp:
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www.sozialministeriumservice.at

Die wesentlichen Merkmale und eine Checkliste für eine barrierefreie Wohnumgebung finden sich in „Barriere:Frei! – Handbuch für barrierefreies Wohnen“ (unter „Wichtige Hinweise“ – „Barrierefrei – ein + für alle“)

 

Stand 03/2019

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