Zähne krank, alles krank? – Wozu Schäden an den Zähnen führen können

Dezember 2020 | Ernährung & Genuss

Bei Zahnerkrankungen nehmen nicht nur die Zähne Schaden. Kranke Zähne können viele weitere Krankheiten verursachen: welche und wie das erklärbar ist.
 
– Von Mag. Sabine Stehrer

Der Mensch hat für gewöhnlich 32 Zähne, je 16 im Ober- und Unterkiefer. Jeder davon kann Schaden nehmen und krank werden. Und nicht immer bleiben Zahnerkrankungen auf die Zähne beschränkt: Mit den knochenähnlichen Hartgebilden können weitere Bestandteile unseres Kausystems erkranken, das Zahnfleisch etwa oder Kieferknochen. Dem nicht genug: Verbreiten sich die Krankheitserreger, Bakterien oder andere Keime, über den Zahnhalteapparat und die Blut- und Lymphgefäße im Körper, oder kommt es beispielsweise bedingt durch einen Zahnverlust zu Funktionsstörungen des Kausystems, kann das zudem zu einer Vielzahl weiterer Erkrankungen führen.

Zahnmediziner erklären, welche Folgen die häufigen Zahnerkrankungen Karies, Parodontitis und Funktionsstörungen, craniomandibuläre Dysfunktionen, CMD, haben können und was davor schützt.

 

Zähne durchlöchert?

= Karies = Zahnschmerzen, Nasenneben­-
höhlen­entzündung, Kniegelenksschmerzen?

Sie beginnt mit Flecken auf den Zähnen, die oft erst auffallend weiß sind, dann immer dunkler werden: Die Zahnerkrankung Karies – von der fast alle Menschen irgendwann einmal im Leben betroffen sind, und die durch Bakterien in Zahnbelag verursacht wird, die den Zahnschmelz angreifen.
„Bei ersten Anzeichen von Karies ist es höchste Zeit für einen Zahnarztbesuch“, sagt der Präsident der Wiener Zahnärztekammer DDr. Claudius Ratschew. Denn allein die Zahnschmerzen, die auf­treten, wenn aus dem Fleck am Zahn ein Loch geworden ist, beeinträchtigen die Gesundheit: Indem sie be­las­ten, Erholung behindern und den Schlaf rauben.

Bleibt die häufige Zahnerkrankung länger unbehandelt, geht die Krank­heit vom Zahn und dem Zahnnerv auf die Zahnwurzel über. Oder auf den sonstigen Zahnhalteapparat aus Zahnfleisch und Kieferknochen – was zu einer Wurzelspitzenentzündung, der apikalen Parodontitis, und Funktionsstörungen des Kausystems, den CMD, führen kann. 

Darüber hinaus bleibt es bei Karies nicht immer bei Missständen im Mund. Gelangen Kariesbakterien über die Blut- und Lymphgefäße in andere Bereiche des Körpers, erhöht sich laut Ratschew das Risiko für eine ganze Reihe an weiteren Infektionen. Wie beispielsweise für Entzündungen der Nasennebenhöhlen.

Aber nicht nur in der Nähe des Krankheitsherds, sondern auch in weiter davon entfernten Arealen wie etwa im Nacken, Rücken oder in den Knien können Kariesbakterien Entzündungen entfachen und Nacken-, Rücken- oder Kniegelenksschmerzen auslösen.

Zahnhalteapparat entzündet?

= Parodontitis = Zuckerkrankheit,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fehlgeburt?

Sie äußert sich anfangs oft durch eine Zahn­fleischentzündung, die Gingivitis, bestehend in Rötungen, Schwellungen oder Blutungen beim Zähneputzen: die Zahnerkrankung Parodontitis – eine Entzündung des Zahnhalteapparats, an der mehr als die Hälfte aller Menschen vorwiegend in der zweiten Lebenshälfte leiden, und die wie Karies durch bestimmte Bakterien im Mund verursacht wird.

„Zeigt sich, dass der Zahnhalteapparat entzündet ist, sollte so bald als möglich eine entsprechende Behandlung erfolgen“, so die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Parodontologie, Dr. Corinna Bruckmann von der Universitätszahnklinik Wien. Denn bleibt die Behandlung länger aus, geht bedingt durch die entzündlichen Prozesse, die der Körper in Gang setzt, um die Keime loszuwerden, das Zahnfleisch zurück. Auch Bindegewebe und Knochen werden abgebaut, die Zähne werden locker.
Obendrein bilden sich Zahnfleischtaschen, aus denen Eiter austritt, wodurch Mundgeruch entsteht. Gehen Zähne verloren, kann es zu Funk­tionsstörungen des Kausystems kommen.

Bei einer Begrenzung auf Schäden im Mund bleibt es bei einer Parodontitis außerdem nicht immer. Gelangen die krankheitsauslösenden Bakterien und Entzündungsstoffe über den Blutkreislauf in andere Organe, können sie laut Bruckmann auch dort entzündliche Erkrankungen verursachen. Oder die Substanzen verschlimmern bestehende Krankheiten. Wie zum Beispiel die Zuckerkrankheit Diabetes, was unter anderem daran liegt, dass bei Entzündungsvorgängen im Körper die Blutzuckerregulation gestört ist.

Auch der krankhafte Knochenschwund Osteoporose wird durch Parodontitis beschleunigt, da wegen der damit einhergehenden entzündlichen Prozesse die Knochenstruktur schneller ausdünnt. Bei Entzündungsstoffen im Blut verhärten außerdem die Blutgefäße, was wiederum die Gefahr für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt erhöht.

Zusammenhänge zwischen der häufigen Zahnerkrankung und Problemen in der Schwangerschaft bis hin zu Frühgeburten und Fehlgeburten sind ebenfalls erwiesen. Für möglich gehalten werden des Weiteren Wechselwirkungen zwischen Parodontitis und Gedächtnisstörungen, Atemwegsinfektionen, Lungenentzündungen, rheumatoide Arthritis, Alzheimer-Demenz und Krebs.

 

Kausystem gestört?

= Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD)
= Kopfschmerzen, Tinnitus, Depression?

Sie zeigen sich durch Schmerzen im Kieferbereich, ein Knacken im Kiefer oder einem Hängenbleiben beim Versuch, den Mund zu öffnen: die craniomandibulären Dysfunktionen CMD – eine Erkrankung, bei der Funktionen des Kau­sys­tems, bestehend aus Kaumuskulatur, Kiefergelenk und Zähnen gestört sind, und die mehr als zwanzig Prozent der Menschen betrifft, Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene jeden Alters. Eine Anfälligkeit dafür kann angeboren sein. Mitverursacht wird CMD unter anderem durch Zahnfehlstellungen oder Zahnverlust, etwa in Folge von Karies oder Parodontitis.

„Treten Symptome einer CMD auf, sollte so bald als möglich ärztliche Hilfe gesucht werden“, sagt die Leiterin der Spezialambulanz für Funktionsstörungen an der Universitätszahnklinik in Wien, a.o. Univ. Prof. DDr. Martina Schmid-Schwap. Denn wird nichts gegen eine CMD unternommen, kann es dazu kommen, dass wegen falscher Belastung der Zähne Zahnschmelz absplittert oder eine Erkrankung an Parodontitis verschlimmert wird, wodurch wiederum Zähne verloren gehen können.

Auf eine Beeinträchtigung der Mundgesundheit bleiben die Folgen einer CMD zudem nicht immer beschränkt. Über die Fehlbelastung der Kaumuskulatur und der Kiefergelenke kann es laut Schmid-Schwap zu Schmerzen kommen, die in die Zähne, in die Ohren, in den Kopf, Nacken und bis in die Schultern und den Rü­cken ausstrahlen, manchmal auch in andere Bereiche des Stütz- und Bewegungsapparats wie die Hüft-, Knie- und Fußgelenke. Die Probleme beim Kauen werden außerdem manchmal so groß, dass sie die Vorverdauung im Mund erschweren, was zu Verdauungsstörungen und zu Nährstoffmangel führen kann.

Mitunter bringt diese häufige Zahnerkrankung auch mit sich, dass mit den Zähnen geknirscht wird, was diese abnützt, Löcher in den Zähnen entstehen lässt und mitunter Tinnitus, Ohrgeräusche, verursacht. So kann CMD die Gesundheit beeinträchtigen, die Lebensqualität mindern, zum Rückzug aus dem Sozialleben führen und sogar psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen nach sich ziehen.


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Wissenschaftlich nicht erwiesen:
Zahn steht für Organ, Organ steht für Zahn

Aus der Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) können Zähne über die Meridiane des Körpers, laut TCM Kanäle, in denen die Lebensenergie fließt, Organe beeinflussen. Zahnerkrankungen, wurzelbehandelte Zähne oder Narben, die gezogene Zähne hinterlassen, sollen dem folgend neben der Gesundheit des Kausystems auch die Gesundheit von Organen beeinträchtigen, die in anderen Bereichen des Körpers an den jeweiligen Kanälen oder im Nahbereich der Meridiane liegen.

So sollen zum Beispiel Schneidezähne einen Einfluss auf die Gesundheit von Blase und Niere haben, Eckzähne mit der Gallenblase und der Leber in Verbindung stehen, Backenzähne mit dem Magen und Darm. Wissenschaftlich erwiesen ist diese Annahme samt ihrem Um­kehrschluss laut DDr. Claudius Ratschew aber nicht.

 

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Wenn es andersherum läuft

So wie Karies, Parodontitis und Funktionsstörungen des Kausystems, craniomandibuläre Dys-funktionen, CMD, ihrerseits Erkrankungen an Diabetes, die Gesundheit des Stütz- und Bewegungsapparats sowie eine Schwangerschaft beeinflussen können, kann es laut DDr. Claudius Ratschew, Dr. Corinna Bruckmann und ao. Univ. Prof. DDr. Martina Schmid-Schwap auch andersherum laufen.

Eine Schwangerschaft etwa kann die Zahngesundheit beeinträchtigen, weil durch die Schwangerschaftshormone das Gewebe des gesamten Körpers locker wird, auch das Gewebe um den Zahn. Dadurch können Bakterien und andere krankheitserregende Keime leichter in das Zahnfleisch und den Zahnhalteapparat eindringen und Zahnerkrankungen verursachen.

Schmerzen durch Verspannungen vorwiegend der Nacken- und Schultermuskulatur können in die Kaumuskulatur ausstrahlen und diese in ihrer Funktion beeinträchtigen. Diabetes kann den Zähnen schaden, weil die Zuckerkrankheit oft zu Gefäßschäden, einer schlechteren Durchblutung des Mundraums und zu Mund­trockenheit führt, wodurch der Zahnhaltapparat anfälliger für Infektionen wird und ­bestehende Entzündungen schlechter abheilen.

Manche Allergien und Hauterkrankungen wie Neurodermitis können über eine Ausbreitung auf die Mundschleimhaut und das Zahnfleisch dort ebenfalls Entzündungen ent­fachen und den Zähnen und dem Zahnhalteapparat schaden.

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Stand 12/2020

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