Marode Knie?

Juni 2013 | Medizin & Trends

Neue Hilfen für kranke Gelenke
 
Knieschmerzen machen hierzulande jedem Vierten das Leben zur Qual. Wenn nichts anderes mehr nützt, bleibt oft nur mehr der Weg in den Operationssaal. Dort kann Betroffenen jetzt u. a. mit einem maßgeschneiderten Gelenksersatz geholfen werden. Für MEDIZIN populär informiert ein Pionier auf diesem Gebiet über neue Methoden.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Sie sind unsere größten Gelenke, und sie müssen am meisten aushalten: die Knie. Immerhin lastet beim Stehen und bei Bewegung der Großteil unseres Körpergewichts auf ihnen. Beim Laufen und Bergabgehen vervierfacht sich die Belastung, beim Hüpfen ist sie zehn Mal, beim Springen etwa vom Sessel auf den Boden sogar 25 Mal so groß. Da müssen die einzelnen Bestandteile der Kniegelenke mit den Jahren doch allein durch die normale Benützung marod werden? „Die Hauptursache für schadhafte Knie ist in der Tat das Alter“, bestätigt Prim. Dr. Werner Anderl von der Abteilung für Orthopädie am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien.
Freilich treten die altersbedingten Abnützungserscheinungen umso früher und stärker auf, je mehr andere belastende Faktoren den Drehscheiben unserer Gehwerkzeuge zusetzen. Übergewicht und Fehlstellungen im Bewegungsapparat zählen dazu, zu spät oder gar nicht behandelte Knorpel- oder Bänderverletzungen, aber auch Entzündungen, die oft eine Begleiterscheinung anderer Krankheiten sind. Auch häufiges schweres Heben und Sportarten wie Laufen oder Tennisspielen belasten die Knie. So sind marode Gelenke fast schon eine Volkskrankheit geworden: „Man kann davon ausgehen, dass bereits jetzt jeder vierte Österreicher an Knieschäden leidet, die mit chronischen Schmerzen verbunden sind“, so Anderl. Vor allem wegen der steigenden Lebenserwartung wird die Zahl der Betroffenen weiter zunehmen, blickt der Experte in die Zukunft.

Eine „Krone“ fürs Knie

Ist alles beschädigt, Knorpel und Knochenteile, Muskeln, Bänder und Sehnen, haben die Betroffenen nach wie vor nur noch eine Möglichkeit, sich von ihren Qualen befreien zu lassen: den Ersatz des Knies durch ein künstliches Scharniergelenk. „Wenn Muskeln, Bänder und Sehnen noch in Ordnung sind, was keine Frage des Alters, nur des Zustands ist, braucht ein schadhaftes Kniegelenk heute aber nicht mehr zur Gänze gegen ein künstliches Gelenk ausgetauscht werden“, erklärt Anderl. „Dann reicht es, prinzipiell so vorzugehen, wie beim Überkronen von schadhaften Zähnen und nur die oberste abgenützte Schicht des Schienbeinkopfs und des Oberschenkelknochens zu ersetzen.“
Die „Krone“ fürs Knie wird mithilfe von computertomografischen Aufnahmen und einem dreidimensionalen Modell des Gelenks für jeden Betroffenen maßgeschneidert. Sie besteht aus einer Metallschale am Oberschenkel und einer rotierenden Plattform aus Kunststoff am Unterschenkel. Bei Patienten, die allergisch gegen Metall sind, wird die Metallschale mit einer Goldschicht überzogen. „Die beschädigten, körpereigenen Schichten werden abgetragen, und anschließend wird die Metallschale implantiert“, erklärt Anderl die Vorgangsweise bei der Operation.
Der Eingriff ist besonders schonend, weil er nicht so lange dauert, da nur kleine Schnitte gesetzt werden müssen und nach Vorgabe der Chirurgen der Computer die Instrumente führt. „Und der ist vor menschlichen Ungenauigkeiten gefeit“, schwärmt Werner Anderl. Mithilfe von Krücken können die Patienten gleich nach der Operation wieder gehen und oft schon nach wenigen Tagen das Spital verlassen. Voll funktionstüchtig ist das überkronte Knie, für das die Patienten übrigens nichts zu zahlen brauchen, nach vier bis fünf Wochen. Als einer der Designer und Pioniere dieser sogenannten MyKnee-Methode nimmt Anderl an, dass das Knie nach Maß mindestens 15 bis 20 Jahre hält, also länger als ein komplettes künstliches Gelenk.

Neuer Knorpel aus eigener Zucht

Noch besser als die maßgefertigte Krone fürs Knie ist freilich, keinen künstlichen Ersatz zu benötigen. „Man kann ein geschädigtes Knie heute unter gewissen Voraussetzungen auch noch auf andere Art und Weise retten“, weiß Anderl. Sind Muskeln, Bänder und Sehnen in Ordnung, und ist der Patient zumindest biologisch noch jung genug dafür, kann z. B. eine Knorpel-Knochen-Transplantation helfen. „Dabei werden die defekten Knorpel- und Knochenteile im Kniegelenk abgeschliffen. Anschließend wird ein gesunder Abschnitt aus Knorpel und Gelenksknochen aus einem Bereich entnommen, wo er nicht benötigt wird, und in den defekten Bereich verpflanzt“, erläutert der Experte. Die Patienten sind meist schon kurze Zeit danach schmerzfrei und können sich uneingeschränkt bewegen.
Genauso gute Ergebnisse lassen sich unter gewissen Voraussetzungen auch mit weiteren Methoden erzielen: „Sind Knochen und Knorpel weniger stark geschädigt, reicht es oft, den Knorpel zu glätten und den Knochen anzubohren, um ihn so zur Bildung neuer Knochenzellen anzuregen“, so Anderl. Ist nur der Knorpel beschädigt, kann man Knorpelzellen entnehmen, sie im Labor vermehren und den derart gezüchteten neuen Knorpel einpflanzen. Anderl: „Diese Methode funktioniert aber nur bei Patienten, die wirklich noch jung, also unter 40 sind, da bei Älteren der neue Knorpel nicht mehr einwächst.“

Bewährte Soforthilfe

Bei Patienten mit leichten Knorpelschäden lässt sich oft eine deutliche Besserung erzielen, wenn nur Hyaluronsäure injiziert wird. Diese bewährte Substanz, die der menschliche Körper auch selbst bildet, dient als schützender Polster zwischen Oberschenkelknochen und Schienbein. Sie wirkt umso besser, je rascher sie nach einem Schaden, der z. B. durch einen Sturz hervorgerufen wurde, zugeführt wird. „Gerade Jüngere nehmen Knorpelschäden, die sich in Schwellungen des Knies und leichten Schmerzen äußern, aber leider oft nicht ernst und lassen sich zu spät oder gar nicht behandeln“, weiß Anderl. So werden viele unnötigerweise zu Kandidaten für aufwändigere Knierettungsmaßnahmen.

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So schützen Sie Ihre Knie

  • Übergewicht abbauen, um etwas Last von den Kniegelenken zu nehmen.
  • Beinmuskulatur aufbauen; auch so werden die Knie entlastet.
  • Viel Bewegung insbesondere der Kniegelenke, da so vermehrt Gelenksschmiere gebildet wird, die Knorpel und Knochen gut tut. Optimal: Rad fahren.
  • Beim Stehen und Gehen die Knie nie ganz durchdrücken; so verringern sich die Kontaktflächen, und die Belastung nimmt ab.
  • Werden die Knie häufig stark belastet, in Absprache mit dem behandelnden Arzt Nahrungsergänzungsmittel nehmen.
  • Bei Knieschmerzen einen Arzt aufsuchen, um etwaige Schäden bereits im Ansatz erkennen und behandeln zu können.

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Wunderwerk Knie

Sie sind zugleich die größten und die am meisten belasteten Gelenke unseres Körpers: Beim Springen etwa müssen die Knie bis zu 1,5 Tonnen Gewicht puffern.
Um uns durchs Leben tragen zu können, besteht das Knie streng genommen nicht aus einem, sondern aus drei Gelenken: dem Kniescheibengelenk, dem Kniekehlgelenk sowie dem Gelenk zwischen Schien- und Wadenbein. Daneben sind im gesunden Knie Bänder, Sehnen, Knochen, Knorpel und verschiedene kleine Einzelteile perfekt aufeinander abgestimmt.
Die enormen Belastungen, denen das Knie ausgesetzt ist, machen es besonders anfällig für Verletzungen. Die häufigsten Knieprobleme sind: Meniskusriss, Kreuzbandriss, Knorpelschäden, Sehnenriss, Kniescheibenbruch.

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