Von Pollen geplagt?

April 2023 | Medizin & Trends

Jeder vierte Österreicher reagiert allergisch auf Pflanzenpollen. Wie es dazu kommt, wie sich eine Pollenallergie äußern kann und was Allergikern hilft.

Von Mag.a Sabine Stehrer

Sie sind winzig klein, messen zwischen zehn und 180 Mikrometer, also nicht mehr als ein Feinstaub- oder Mehlkorn, und sind daher auch nur unter dem Mikroskop sichtbar: Pflanzenpollen. Trotz ihrer Kleinheit können sie aber zur großen Plage werden, für alle, die allergisch auf Pollen reagieren.
Und das sind viele. „Jeder vierte Österreicher ist Pollenallergiker“, weiß die Past-Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI) Univ.-Prof. in Dr. in Erika Jensen-Jarolim, die an der Medizinischen Universität Wien lehrt und forscht und sich als Ärztin auf die Diagnose und Behandlung von Allergien spezialisiert hat. Und sie weiß auch: „Die Pollenallergie ist die häufigste Sofortallergie.“

Niesen, Augenbrennen, Husten

Sofortallergie, das bedeutet: Kommt eine Polle daher, reagiert derjenige, der darauf allergisch ist, sofort mit Niesen oder anderen Beschwerden, die für eine Pollenallergie typisch sind.

Und da reicht die Palette vom anhaltenden Niesreiz und der rinnenden oder verstopften Nase über ein Brennen und Jucken in den Augen bis hin zum Räusperzwang und Husten. Allergiker erkranken überdies häufig an Infekten, sind oft müde und fühlen sich eingeschränkt leistungsfähig.

Auch kann es zum sogenannten Etagenwechsel kommen, bei dem nicht mehr nur die Augen und die oberen Atemwege, sondern auch die Bronchien in Mitleidenschaft gezogen werden, was sich in Form von asthmatischen Hustenanfällen, Atemgeräuschen und Atemnot zeigt. Und als wäre das alles noch nicht genug, entsteht bei mehr als der Hälfte der Pollenallergiker nach einiger Zeit auch noch eine Kreuzallergie: Wer etwa auf Birkenpollen allergisch reagiert, reagiert dann auch beim Biss in einen Apfel und anderes Obst und beim Essen von rohem Gemüse und Nüssen mit einem Brennen der Mundschleimhaut, Jucken bis in die Ohren, Heiserkeit oder sogar Lippen-, Gaumen- und Rachenschwellungen. Jensen-Jarolim: „Erklärbar sind diese Reaktionen damit, dass in Pollen ähnliche Allergene stecken wie in Obst, Gemüse und Nüssen.“  

Umweltbedingungen als Ursache

Nur warum kommt es überhaupt dazu, dass das Immunsystem irrtümlich Allergene von Pflanzen aller Art bekämpft? Wie entsteht eine Pollenallergie, die anders als viele vermuten in jedem Alter erstmals auftreten und zur Plage werden kann? „Viele Allergiker sind genetisch vorbelastet“, erklärt Jensen-Jarolim und ergänzt: „Das heißt, die Mutter, der Vater oder beide Elternteile haben eine besonders durchlässige Schleimhaut der Atemwege, geben das an die nächste Generation weiter und damit auch das Risiko für eine Pollenallergie.“

Zudem spielen Umweltbedingungen in der Kindheit eine Rolle. „Ein Kind, das wenig Schmutzkontakte hat, zu denen es etwa beim Spielen im Freien kommt, entwickelt eher eine Allergie als eines, das auf einem Bauernhof mit Tierhaltung aufwächst“, so Jensen-Jarolim. „Das liegt daran, dass bei wenigen Schmutzkontakten das Immunsystem auch wenige Gelegenheiten hat, echte Gefahren aus der Umwelt wie Viren, Bakterien oder andere Krankheitserreger von eigentlich harmlosen Substanzen wie Pollen unterscheiden zu lernen.“

Auch weitere Umweltbedingungen tragen zum Entstehen einer Pollenallergie bei oder dazu, dass sich bei einer bereits bestehenden Allergie die Symptome verschlimmern. So sind Pflanzen etwa bei hoher Ozonbelastung und Trockenheit anfälliger für Schädlinge, im Stress und produzieren mehr Immunabwehrproteine, die mit jenen Allergenen ident sind, die Allergiker belasten.

Symptome abklären lassen

Was tun, wenn es beim Gang zur Arbeit auf einmal dauernd in der Nase kribbelt? Einen bei der Radtour plötzlich das große Niesen plagt und die Augen brennen? Wenn nach dem Laufen die Nase verstopft ist und Husten auftritt wie bei einer Erkältung, man sich aber sonst nicht wie erkältet fühlt? „Bei solchen Symptomen sollte man zu einem Arzt gehen und abklären lassen, ob eine Pollenallergie besteht“, sagt Jensen-Jarolim.

Allergie entsprechend behandeln

Wird eine Pollenallergie diagnostiziert, heißt es, die Allergie auch entsprechend zu behandeln. Bei einer leichten Allergie helfen oft schon spezielle Nasensprays, die entzündungshemmend wirken oder eine Barriere auf der Nasenschleimhaut schaffen, die undurchdringbar für die Allergene ist. Wirken die Sprays nicht ausreichend, kann die Therapie mit Tabletten kombiniert werden. Etwa mit Antihistaminika, Medikamenten, die die irrtümliche Reaktion des Immunsystems auf die Pollen therapieren. Außerdem können noch Augentropfen gegen allergische Beschwerden und gegebenenfalls ein Asthmaspray nötig sein, um das Leiden zu lindern.

Auch kann ein immunstärkendes diätetisches Nahrungsmittel helfen, das unprozessiertes Protein von der Kuhmilch enthält und über Lutschtabletten alias Kuhstallpillen eingenommen wird. Um einer Verschlimmerung der Beschwerden und einem Etagenwechsel vorzubeugen, empfiehlt sich laut Jensen-Jarolim die spezifische Immuntherapie, auch Allergieimpfung genannt, bei der die Allergene in Abständen in immer höheren Dosen injiziert oder über Tropfen oder Tabletten eingenommen werden. So gewöhnt sich das Immunsystem langsam an die Allergene und überreagiert meistens nicht mehr darauf. Bis es so weit ist, braucht es allerdings Geduld, denn die Immuntherapie dauert drei Jahre lang.

Jensen-Jarolim: „Wer durchhält, profitiert aber enorm von dieser Behandlung und das auch langfristig.“ Bei manchen treten die Symptome nach einigen Jahren wieder auf, woraufhin eine Auffrischung der Allergieimpfung ratsam ist. Abgesehen von der einen oder anderen Therapie helfen aber auch noch weitere Maßnahmen und Verhaltensweisen gegen die Plage Pollenallergie, wie das Meiden von längeren Aufenthalten und Sport im Freien, wenn die Belastung durch die Pollen, auf die man allergisch reagiert, gerade hoch.

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Welche Maßnahmen helfen noch?

  • Sich zum Beispiel auf der Webseite des Pollenwarndienstes über die Pollenbelastung informieren und bei hoher Belastung durch die Pollen, auf die man allergisch reagiert, längere Aufenthalte und Sport im Freien meiden.
  • Die Verwendung eines Salznasensprays: Durch die Salzlösung wird die Pollenkonzentration in der Nase verdünnt, was die Beschwerden verringert.
  • Bei Aufenthalten und Sport im Freien eine Sonnenbrille oder Sportbrille tragen, die die Augen möglichst gut abdeckt und so vor Pollen schützt.
  • FFP2-Maske tragen: Sie filtert nicht nur Krankheitserreger, sondern auch Pollen aus der Atemluft, was die Beschwerden reduziert.
  • Nüsse geröstet, Obst und Gemüse gekocht essen und auf naturtrübe Säfte, Smoothies und Quetschies verzichten: So lassen sich Symptome einer Kreuzallergie vermeiden.
  • Statt der Radtour in der Ebene eine Bergtour unternehmen: Je höher hinauf es geht, umso geringer ist die Pollenbelastung.
  • Bettwäsche, Nachthemd oder Pyjama in der Zeit der Pollenbelastung im Rauminneren zum Trocknen aufhängen: Hängt man die Wäsche draußen auf, sammeln sich Pollen in den Stoffen, die während des Schlafens zu Beschwerden führen können.
  • Vor dem Schlafengehen die Haare waschen oder mit Wasser abspülen: So lässt sich verhindern, dass man später Kontakt mit Allergenen hat, die sich in den Haaren gesammelt haben.
  • Bei geschlossenem Fenster schlafen: So hält man nachts die Pollen fern und senkt das Risiko für Niesanfälle und andere schlafstörende Allergiesymptome.
  • Mithilfe des Pollenwarndienstes dort einen Urlaub planen, wo zur Urlaubszeit keines der persönlichen Allergene blüht.

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Wie erfolgt die Diagnose?

Die Diagnose einer Pollenallergie erfolgt über ein Arzt-Patient-Gespräch und einen Pricktest, bei dem Allergenlösungen auf die Haut getropft und in die Haut eingeritzt werden. Als Alternative zum Pricktest bietet sich ein Bluttest an, der weniger belastend und noch dazu aussagekräftiger ist.

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Belastung durch Birke durchschnittlich

Wie sich die bevorstehende Pollenhochsaison entwickeln wird, und was Pollenallergiker vom Service des Pollenwarndienstes haben, erklärt dessen ärztlicher Mitarbeiter Dr. Markus Berger.

Herr Dr. Berger, sehr viele Pollenallergiker reagieren allergisch auf Birkenpollen, die sich jetzt in der Luft befinden und ja von Jahr zu Jahr unterschiedlich stark belasten …

…Was die Birkenpollen anbelangt, habe ich eine gute Nachricht: Durch die Birke wird heuer eine durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Belastung erwartet, weil sie im Vorjahr 2022 eine starke Saison hatte und die Birke rhythmisch zwischen starker und schwacher Saison wechselt.

Wie lange wird die Birkenpollensaison dieses Jahr dauern?

Die Birkenblüte beginnt meistens Ende März und endet spätestens Mitte Mai. Auf die Birkenpollensaison folgt allerdings direkt die Gräserpollensaison, die bis Ende August andauert. In den Frühlings- und Sommermonaten haben die vielen Pollenallergiker, die auf Birkenpollen und auf Gräserpollen allergisch reagieren, also kaum eine Verschnaufpause.

Werden die Gräserpollen heuer zu starken Belastungen führen?

Anders als die Birken haben die Gräser keinen spezifischen Rhythmus. Wie stark da die Belastung ausfällt, hängt von anderen Faktoren ab, unter anderem vom Wetter. Regnet es vor der Pollensaison viel und gibt es ausreichend Sonnenstunden, können sich viele Gräser gut entwickeln. Ist es dann in der Saison trocken und sonnig, herrschen optimale Bedingungen für die Pollenfreisetzung. Das bringt meistens eine größere Belastung für die Allergiker mit sich. Bei anhaltenden Niederschlägen und tieferen Temperaturen kann die Belastung abnehmen. Außerdem spielt noch die Ozonbelastung eine Rolle, wenn es um die Pollenbelastung geht. Eine hohe Ozonbelastung, zu der es im Sommer in Wien und anderen großen Städten in Österreich immer wieder kommt, verstärkt die gesundheitlichen Probleme der Allergiker. Das ist damit erklärbar, dass schon das Ozon für sich genommen die Schleimhäute der Atemwege reizt und auch damit, dass sich bei hoher Ozonbelastung die Allergenstruktur so verändert, dass die Allergenität der Pollen zunimmt.

Was hat ein Pollenallergiker davon, den Service des Pollenwarndienstes zu nützen?

Auf der Webseite des Pollenwarndienstes können sich Pollenallergiker über die aktuelle Belastung und das Allergierisiko an ihrem Aufenthaltsort informieren. Außerdem gibt es noch das Pollentagebuch des Pollenwarndienstes. Dort dokumentieren Allergiker ihre Symptome, können sie auf der Belastungslandkarte mit den Symptomen anderer Tagebuchnutzer vergleichen und so Belastungshotspots meiden. Und dann bieten die Prognosen des Pollenwarndienstes noch einen Ausblick über die zu erwartenden Belastungen in Österreich und Europa. Das ermöglicht, die lokale Allergenvermeidung und Urlaube ohne Belastung zu planen. Auf Anfrage per E-Mail gibt das Team des Pollenwarndienstes auch Auskünfte zu Details bezüglich der aktuellen oder künftigen Pollenbelastung in Österreich, Europa und darüber hinaus. Dieser und alle anderen Services stehen den Nutzern kostenlos zur Verfügung.

Woher stammen die Informationen?

Die Informationen des Pollenwarndienstes basieren auf der Kontrolle von Pollenfallen, die Aufschluss über die Pollenkonzentrationen in der Luft geben und auf Beobachtungen von Referenzpflanzen. Andere Datenquellen sind die Symptomdaten von Nutzern des Pollentagebuchs und Modelle, die wir gemeinsam mit EU-Institutionen entwickeln.

Foto: (c) iStock_ProfessionalStudioImages

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