Schlafapnoe: Wenn im Schlaf der Atem aussetzt

Oktober 2017 | Medizin & Trends

Schnarchen, unterbrochen von Atemaussetzern, stört nicht nur die Nachtruhe des Partners. Wer unter solchen Symptomen leidet, sollte die Beschwerden abklären und behandeln lassen.
 
Von Mag. Wolfgang Bauer

Als Angestellter einer Medizintechnik-Firma hat Josef Hoza jahrelang medizinische Einrichtungen beraten, die ein Schlaflabor errichten wollten. Dass er selbst einmal als Patient ein Schlaflabor aufsuchen würde, hätte er sich nicht gedacht. Doch es bestand der Verdacht, dass sein Schlaf nicht die nötige Erholung brachte. Vor allem die permanente Tagesmüdigkeit bereitete ihm Sorgen. So wurde er beim Autofahren immer wieder von Müdigkeitsattacken übermannt. „Zum Glück bin ich niemals am Steuer eingeschlafen“, sagt er rückblickend. Eines Tages ließ der Wiener seinen Schlaf in einem Schlaflabor abklären. Die Diagnose lautete: Schlafapnoe, Atemaussetzer, während der Nachtruhe. Das war also der Grund seiner Tagesmüdigkeit, und das ist es, was ihn auch heute noch beschäftigt. Denn Hoza hat in mehreren Bundesländern Selbsthilfegruppen in Sachen Schlafapnoe gegründet und ist selbst Obmann der bundesweiten Selbsthilfegruppe.

Mehrmals pro Stunde Atemstillstand

Der aus dem Griechischen stammende Begriff „ápnoia“ bedeutet Windstille bzw. Atemlosigkeit. Als Schlafapnoe wird demnach eine Atmungsstörung bzw. eine Blockierung der oberen Atemwege während des Schlafes bezeichnet. In der Fachsprache heißt das Phänomen „Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom“, kurz „OSAS“. Es ist zu unterscheiden vom zentralen Schlafapnoe-Syndrom, damit sind Atemstillstände gemeint, die aufgrund fehlender Aktivierung der Atemmuskeln auftreten – zum Beispiel bei neurologischen Erkrankungen. Schlafapnoe-Patienten mit einem klassischen OSAS schnarchen, werden plötzlich ruhig und halten inne, bis sie lautstark wieder zu schnarchen beginnen und weiter atmen. Dieser Wechsel von Schnarchen und Atemstillstand geschieht mehrmals pro Stunde. „Bis zu fünf Atempausen pro Stunde sind normal“, sagt Dr. Markus Blaukovitsch, Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Lungenkrankheiten am Krankenhaus der Elisabethinen in Graz sowie europäisch zertifizierter Schlafmediziner in eigener Praxis. „Wer fünf bis 15 Atemaussetzer pro Stunde hat, weist eine leichte Schlafapnoe auf, zwischen 15 und 30 spricht man von einer mittelgradigen Schlafapnoe, und ab 30 Aussetzern von einer hochgradigen“, so Blaukovitsch.

Statt Erholung Stress pur
Ein Atemstillstand dauert im Durchschnitt 30 Sekunden, weiß Blaukovitsch. Er kann aber auch eine Minute und länger andauern. Wenn sich die Aussetzer 20 oder 30 Mal pro Stunde wiederholen, bietet der Schlaf keine Erholung: Dies bedeutet hingegen Stress pur für den Organismus. Denn das Sauerstoffangebot ist viel zu gering, wenn die Atmung so lange und so oft still steht. Dadurch entsteht ein nächtliches Überangebot am Stresshormon Kortisol im Blut, was das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall deutlich erhöht.
Das Kuriose dabei: Die Betroffenen nehmen kaum wahr, dass sie während des Schlafs nach Luft ringen. Meistens sind es die Partner, die dies bemerken. Sehr wohl nehmen die Betroffenen am nächsten Tag aber die Folgen wahr. Sie sind unausgeschlafen und müde, neigen zum plötzlichen Einschlafen, dem Sekundenschlaf, und haben ein fünf- bis 15-fach erhöhtes Risiko, einen Verkehrsunfall zu verursachen. Sie sind unkonzentriert, leiden unter Kopfschmerzen oder Bluthochdruck und anderen Beschwerden.
Vor allem ein Bluthochdruck, der sich nur schwer behandeln lässt, ist oft ein Indiz für das Vorliegen einer Schlafapnoe, sagt Blaukovitsch: „Wenn sich ein erhöhter Blutdruck nach Verabreichung von drei verschiedenen Blutdrucksenkern nicht normalisiert, ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von Schlafapnoe hoch.“ Insgesamt dürften bis zu zehn Prozent der Erwachsenen an Schlafapnoe leiden, vermutet Blaukovitsch. Männer sind doppelt so häufig davon betroffen als Frauen.

Was zum Aussetzer führt

Beim Schlafapnoe-Syndrom kommt es unter anderem zu einem Kollaps der oberen Atemwege. Das weiche Gaumensegel oder der Zungenhintergrund klappt nach hinten. Mit der Folge, dass zu wenig Sauerstoff in die Lunge gelangt. Die Gründe können vielfältig sein. Grundsätzlich sind im Schlaf die Muskeln des Körpers entspannt, auch jene im Rachenraum. Das allein erhöht bereits die Gefahr, dass die Luftwege verschlossen werden können. Beim OSAS kommen noch anatomische Gegebenheiten dazu: Gaumen- oder Rachenmandeln, die die Luftzufuhr behindern, ein großes Gaumenzäpfchen, eine große Zunge, bei Übergewichtigen Fettablagerungen am Gaumen, erhöhen ebenfalls die Gefahr, dass die Luftwege weniger Luft durchlassen. Erhöhter Alkoholkonsum kann ebenso zum Auftreten von OSAS führen wie bestimmte Medikamente, Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide oder Schlafmittel, weil diese Substanzen im Schlaf zu einer Entspannung und somit zu einer Erschlaffung des Muskeltonus im Rachenraum führen. Aber auch Krankheiten wie zum Beispiel Herzschwäche oder Diabetes können Schlafapnoe zur Folge haben, wie umgekehrt die Atemaussetzer zu diesen Krankheiten führen können.

Wie Apnoen diagnostiziert werden
Wer unter den genannten Beschwerden wie einem schlecht einstellbaren Blutdruck leidet, oder vom Partner auf Schnarchgeräusche mit Atemstillständen aufmerksam gemacht wird, sollte unbedingt abklären lassen, ob eine Schlafapnoe dahinter steckt, rät Blaukovitsch. Ein Fragebogen beim Lungenfacharzt, Internisten, HNO-Arzt oder Neurologen kann den Verdacht auf ein OSAS erhärten. Erste diagnostische Ergebnisse liefert die ambulante Polygrafie: Man erhält vom behandelnden Arzt ein kleines Gerät, das man mit nach Hause nimmt und das unter anderem die Atmung und die Sauerstoffsättigung während des Schlafs im eigenen Bett aufzeichnet.
Sind die Befunde der Polygrafie auffällig, werden Betroffene an ein Schlaflabor verwiesen. Dort verbringen sie eine Nacht zur Überwachung ihres Schlafs, was in der Fachsprache Polysomnografie genannt wird. An mehreren Körperstellen des Patienten werden Sensoren angebracht, sie zeichnen die Atmungs- und Herzfunktion, den Sauerstoffgehalt im Blut, die Muskelaktivität, Beinbewegungen, wie man sie etwa beim Restless Legs-Syndrom macht, Hirnstromsignale zur Beurteilung der Schlafphasen und zahlreiche andere Parameter auf. Mittlerweile kann man auch die Polysomnografie in einigen wenigen schlafmedizinischen Praxen wie in jener von Blaukovitsch ambulant durchführen. Dem Patienten wird am Abend in der Arztpraxis ein spezielles Aufzeichnungsgerät angelegt, mit dem er sich nach Hause zur Nachtruhe begibt. Am Morgen bringt er das Gerät zurück, danach werden die Daten ausgewertet, die Befunde besprochen. Ebenfalls empfehlenswert: eine Untersuchung der oberen Atemwege durch einen HNO-Arzt, um Atemhindernisse im Nasen- oder Rachenraum identifizieren zu können.

So werden Apnoen therapiert

Leichte lageabhängige Formen von Schlafapnoe lassen sich mit einer Änderung des Lebensstils und durch das Einnehmen einer anderen Schlafposition bessern: Rückenlage vermeiden, was durch das Tragen bestimmter Westen erleichtert wird. Die Reduktion des Körpergewichts oder die Vermeidung von Alkohol am Abend kann ebenfalls Abhilfe schaffen. Auch mechanische Hilfen wie die Unterkieferprotrussionsschiene haben sich bewährt. Sie verlagern während des Schlafs den Unterkiefer nach vorn, wodurch der Atemraum hinter der Zunge vergrößert wird. In manchen Fällen lässt sich auch operativ eine Besserung erzielen, etwa durch die Entfernung der Mandeln oder eine chirurgische Verlagerung von Ober- und Unterkiefer.
Bei einer hochgradigen Schlafapnoe gilt das Tragen einer CPAP-Maske, einer kontinuierlichen Überdruck-Maske, als Goldstandard. Der Patient erhält nach der Diagnose mit einer Polysomnografie eine individuell angepasste Nasenmaske, über die mit einem bestimmten Druck Luft über die oberen Atemwege zugeführt wird. Dadurch bleiben die Atemwege offen, der Patient kann im Schlaf wieder frei durchatmen und auch das Schlafprofil normalisiert sich, der Schlaf wird wieder erholsam. Eine Therapie, an die sich viele Patienten erst einmal gewöhnen müssen. Das war auch bei Josef Hoza der Fall. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich nach einigem Probieren die richtige Maske gefunden habe“, sagt er, „jetzt schlafe ich aber bereits seit acht Jahren damit“.

Webtipp:

Website der Selbsthilfegruppe Schlafapnoe Österreich:
www.schlafapnoe-shg.at

Stand 10/2017

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