Diagnose Krebs- und jetzt?

Februar 2013 | Leben & Arbeiten

Tipps für Betroffene und Angehörige
 
„Sie haben Krebs!“ Dieser Satz trifft in Österreich rund 100 Frauen und Männer pro Tag wie ein vernichtender Schlag. Auch wenn die Behandlungsmöglichkeiten und Überlebenschancen heute besser sind als je zuvor, ist der Schrecken groß. MEDIZIN populär über Bewältigungsstrategien.
 
Von Mag. Helga Schimmer

Die Diagnose Krebs trifft Menschen meist völlig unerwartet mitten im Leben, das sich nun von einer Sekunde auf die andere komplett verändert“, sagt die Klinische Psychologin und Psychoonkologin Mag. Karin Isak, Leiterin des Beratungszentrums der Österreichischen Krebshilfe Wien. Betroffene durchleben eine ganze Palette unterschiedlichster Gefühle: Hilflosigkeit und Verzweiflung, Unsicherheit und Angst, Aggression und Kampfbereitschaft, aber auch Hoffnung und Zuversicht. Diesem starken Sog an Emotionen zu entgehen, ist kaum möglich. Isak: „Die Situation wird für kurze Zeit unkontrollierbar, denn Hilflosigkeit ist eines der unerträglichsten Gefühle, sie macht enorme Angst.“

Plötzlich quälen existenzielle Fragen:


Werde ich sterben oder kann ich die Krankheit besiegen? Was steht mir bevor? Wie schaffe ich das alles?

Der heftige Schock hält meist einige Tage an. „Erst wenn klar wird, was genau weiter passiert, wann und wo etwa die Operation stattfindet, und wenn die Termine zur Strahlen- und Chemotherapie feststehen, können wieder einigermaßen Ruhe und Stabilität einkehren“, berichtet die Psychologin. Sie hält eine ausführliche Aufklärung durch den behandelnden Arzt für äußerst wichtig, um dem Patienten Sicherheit und Struktur zurückzugeben.
An dieser Stelle haken psychoonkologische Beratungsstellen wie jene der Österreichischen Krebshilfe ein: Die Experten vor Ort nehmen sich ausreichend Zeit, die Patienten zu unterstützen und zu stabilisieren.

Ich und die Familie

Steht der Behandlungsplan einmal fest, weicht die tiefe Verzweiflung sehr unterschiedlichen Fragen aus diversen Lebensbereichen. Die Gedanken kreisen zunächst um das eigene Ich:

Wie wird mich die Krankheit verändern? Wie steht es um meine Leistungsfähigkeit? Werde ich wieder ein halbwegs normales Leben führen können?

Ein weiteres Problemfeld eröffnet sich in der Familie, denn eine schwere Erkrankung betrifft auch alle Angehörigen. „Partnerin oder Partner und Kinder müssen erst lernen, mit den neuen Gegebenheiten umzugehen“, sagt Karin Isak. „Entscheidend für die seelische Befindlichkeit der Familienmitglieder ist natürlich die Prognose des Krebspatienten, also ob die Therapie auf Heilung oder lediglich auf Schmerzlinderung abzielt.“
Bald tauchen auch Fragen rund um die Organisation des Alltags auf:

Wer übernimmt welche Aufgaben, wenn ich im Spital bin? Wie gehe ich mit meinem Partner um? Wie sage ich es meinem Kind?

„Oft besteht die Ansicht, dass die Krankheit den Kindern verschwiegen werden soll, um ihnen Belastungen zu ersparen. Tatsächlich aber spüren auch schon kleine Kinder instinktiv, dass sich etwas existenziell Bedrohliches ereignet hat. Sie erleben diese Bedrohung, ohne eine Erklärung dafür zu haben“, weiß die Psychologin. Damit das Kind bessere Bewältigungsstrategien für seine Ängste entwickeln kann, ist es notwendig, mit ihm zu sprechen. Momentante Mehrbelastungen sind zwar wahrscheinlich, langfristig jedoch kann sich so eine tragfähige Vertrauensbeziehung aufbauen. Bei der Österreichischen Krebshilfe Wien stehen den Eltern in dieser schweren Zeit drei Kinder- und Jugendpsychologinnen aus dem Projekt „Mama/Papa hat Krebs“ zur Seite.

Beruf und Berufsunfähigkeit

Die Diagnose Krebs gleicht nicht nur familiär einem Sturz aus dem gewohnten Leben, auch Fragen zur Existenz tauchen jetzt auf:

Wie lange dauert mein Krankenstand? Werde ich überhaupt wieder arbeiten können? Wie versorge ich mich und meine Familie in Zukunft finanziell? Sag ich’s den Kollegen, dem Chef?

„Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass er an Krebs erkrankt ist“, erläutert Expertin Isak die Gesetzeslage in Österreich. „Natürlich ist es günstig, bei einem längeren Krankenstand und Arbeitsausfall das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen, um gemeinsam zu konstruktiven Lösungen zu finden.“
In den krankheitsbedingten Berufspausen empfinden Krebspatienten große Unsicherheit und Sorge um den Arbeitsplatz. Häufig muss die persönliche Leistungsfähigkeit neu definiert werden. Der Wiedereinstieg in den Job erfordert womöglich eine Reduktion der Arbeitszeit, eine andere Art der Tätigkeit oder gar eine berufliche Umorientierung. Karin Isak: „Nicht immer kann die Berufstätigkeit aufrechterhalten werden. In diesen Fällen ist es wichtig, bestehende sozialrechtliche Ansprüche zu klären.“ Auskünfte darüber erteilen etwa Arbeitsmediziner, Betriebsräte, Behindertenvertrauenspersonen und auch die Österreichischen Krebshilfe.

Verwandte und Freunde

Da Krebspatienten je nach persönlicher Veranlagung unterschiedlich auf die Krankheit reagieren, ist es für Angehörige und Freunde oft schwierig, das eigene Verhalten darauf einzustellen. Erfahrungsgemäß liegen die richtigen Worte auf dem schmalen Grat zwischen der Akzeptanz der Realität und der Vermittlung von Hoffnung. „Die meisten Krebspatienten empfinden es als wohltuend, wenn man ihnen Zeit schenkt, Zuwendung gibt und Anteilnahme zeigt, ohne übertriebene Fürsorge an den Tag zu legen“, sagt Karin Isak. „Vermitteln Sie dem Kranken das Gefühl, dass er nach wie vor als wertvolles Mitglied der Gemeinschaft geschätzt wird.“
Ohnmacht, Wut, Trauer – auch viele Angehörige sind mit der neuen Situation emotional überfordert. Häufig scheuen sie sich, ihre eigenen Gefühle dem Kranken gegenüber zu artikulieren, sie müssen zusätzliche Aufgaben übernehmen und bisweilen finanzielle Engpässe überwinden. Die extreme Belastung erfordert regelmäßige Auszeiten, um Energie zu tanken, und gegebenenfalls Hilfe von außen.
Manche Krebspatienten erleiden eine unerwartete „psychische Nachwehe“ nach Abschluss der aufwändigen Behandlung: Irgendjemand im Umfeld äußert unbedacht die Meinung, dass nun Genesung eingetreten sei und das Leben wieder seinen gewohnten Gang gehen könne. Ein gründlicher Irrtum, denn nach der einschneidenden Erfahrung einer Krebsdiagnose ist nichts mehr so, wie es zuvor einmal war.

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Diagnose Krebs

Der heftige Schock nach der Diagnose Krebs dauert meist einige Tage an. Information durch den Arzt ist gerade in der ersten Phase essenziell.
Tipps für Betroffene und Angehörige von Psychoonkologin Mag. Karin Isak:

  • Holen Sie durch ausführliche Gespräche mit den behandelnden Ärzten Information über Ihre Erkrankung ein. Das schafft Sicherheit und macht die Furcht erträglicher.
  • Lassen Sie sich von der Informationsflut im Internet nicht verwirren. Im Netz kursieren auch viele falsche Auskünfte.
  • Verleihen Sie Ihrer Angst Ausdruck. Gespräche mit Vertrauten, das Führen eines Tagebuches oder maltherapeutische Übungen können taugliche Hilfsmittel zur seelischen Entlastung sein.
  • Erinnern Sie sich bewusst daran, auf welche Weise Sie in Ihrem bisherigen Leben schwierige Situationen bewältigt haben. So aktivieren Sie Ihre persönlichen Ressourcen.
  • Da Angst immer mit Anspannung einhergeht: Praktizieren Sie Entspannungsverfahren. Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training, Yoga oder Imaginationen haben sich als besonders hilfreich erwiesen.
  • Reden Sie mit Familienmitgliedern und Freunden offen über Ihre Erkrankung. Sprechen Sie dabei jene Bereiche an, in welchen Sie Unterstützung benötigen.
  • Auch der Erfahrungsaustausch in Selbsthilfegruppen kann erleichtern. Andere Betroffene wissen am besten, wie Ihnen zumute ist.
  • Hilfe in Beratungsstellen oder bei Psychotherapeuten zu suchen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern zeugt von großer Verantwortung sich selbst und der Familie gegenüber.
  • Ein wichtiger Rat für Angehörige: Verkneifen Sie sich Pseudo-Tröstungen wie „Das wird schon wieder“, „Du musst jetzt stark sein“ oder „Herrn X, der auch Krebs hatte, geht es heute gut“. Beweisen Sie stattdessen echte Empathie, indem sie die schwere Zeit mitaushalten.

Infotipp:
In den Beratungsstellen der Österreichischen Krebshilfe erhalten Krebspatienten und Angehörige kostenlos Rat und Hilfe: www.krebshilfe.net

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