Kuscheln im OP

Dezember 2014 | Gesellschaft & Familie

Der neue Trend beim Kaiserschnitt
Schon ein Drittel der Babys wird in Österreich per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. Ob der Eingriff in jedem Fall erforderlich ist oder nicht, sei dahingestellt. In jedem Fall geht der Trend in Richtung mehr Natürlichkeit, auch im Operationssaal: In immer mehr Spitälern wird das für Mütter und Babys so wichtige Kuscheln gleich nach der Geburt ermöglicht.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Babys Lungen füllen sich mit Luft, der erste Schrei, kurz darauf schon liegt das Neugeborene auf Mamas Brust: Was bei einer natürlichen Geburt im Kreissaal vielfach gang und gäbe ist, wird immer öfter auch nach einer Kaiserschnittgeburt im Operationssaal praktiziert. Zum Beispiel in dem als „Baby-friendly Hospital“ zertifizierten Krankenhaus Hollabrunn. „Dank des Sectio Bondings, wie das Kuscheln im OP genannt wird, kann auch bei der Schnittentbindung der so wichtige Erstkontakt zwischen Mutter und Kind rasch hergestellt werden“, nennt Prim. Dr. Karl Anzböck, der Leiter der Gynäkologischen und Geburtshilflichen Ambulanz am Krankenhaus Hollabrunn, den wichtigsten Vorteil. „Dadurch wird die frühe Mutter-Kind-Bindung äußerst positiv beeinflusst.“

Urbedürfnis nach Körperkontakt

Der Mensch ist erwiesenermaßen ein „Kuscheltier“ und für Babys ist der Haut-zu-Haut-Kontakt sogar überlebenswichtig. Dem Urbedürfnis nach Körperkontakt wird man nun auch im Operationssaal gerecht: „Das Baby kommt nach einer kurzen ärztlichen Untersuchung sofort zur Mutter auf die Brust und bleibt da – ohne Unterbrechung – bis die Mutter auf der Station ist“, beschreibt Karl Anzböck den optimalen Ablauf – und die unmittelbaren Auswirkungen: „Anhand von Videoaufzeichnungen haben wir gesehen, wie schreiende Babys sich in dem Moment, in dem sie zur Mutter kommen, beruhigen und entspannen.“ Und das ist nur einer von vielen Effekten des Haut-zu-Haut-Kontakts: „Probleme des frühen Wochenbetts lassen sich deutlich reduzieren“, ergänzt Anzböck. „Das betrifft zum Beispiel Schmerzen oder Schwierigkeiten beim Milcheinschuss. Auch der Babyblues – mütterliche Gefühle der Verzweiflung in den ersten Tagen nach der Geburt – ist kaum mehr zu beobachten.“ Ein rascherer Milcheinschuss hat außerdem zur Folge, dass die Gebärmutter sich schneller wieder zurückbildet; die Wunden nach dem Kaiserschnitt heilen besser, die Mütter brauchen weniger Schmerzmittel und erholen sich rascher von der Operation.

Kuschel- und Stillhormon

„Die Bonding-Phase sollte wenigstens eine bis eineinhalb Stunden dauern, bis das Baby das erste Mal von der Brust getrunken hat und die erste Stillmahlzeit abgeschlossen ist“, betont Anzböck. Eine tragende Rolle spielt dabei das Bindungs- und Kuschelhormon Oxytocin, das unmittelbar nach der Geburt in großen Mengen ausgeschüttet wird. Es fördert nicht nur eine innige Mutter-Kind-Beziehung sondern vereinfacht auch die Stillbeziehung. Man weiß mittlerweile, dass sich durch das Bonding nach einem Kaiserschnitt Probleme rund um das Stillen um etwa die Hälfte reduzieren lassen. „Das hat damit zu tun, dass Kinder, die gleich nach der Geburt viel Hautkontakt haben, im Normalfall aktiver sind und besser saugen“, betont Ursula Eckhardt, MSc., die leitende Hebamme am Krankenhaus Hollabrunn. „Dadurch schießt die Milch schneller ein – die Milchbildung und der gesamte Stillvorgang kommen besser in Gang.“ Nach einem Kaiserschnitt ist die kindliche (Saug-)Aktivität besonders erwünscht: „Das Stillen ist in dem Fall schwieriger, weil die Mutter in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist und sich schwerer damit tut, eine optimale Position zu finden“, weiß Eckhardt. „Aus diesem Grund ist es günstig, dass das Kind geschickter ist – der Stillerfolg hängt schließlich von Mutter und Kind ab.“ Diese „Bonding-Babys“ sind außerdem ausgeglichener und passen sich der neuen Situation außerhalb des Mutterleibs leichter an als jene, die in der ersten Phase nach der Geburt keinen oder zu wenig Kontakt zur Mutter haben.
Das Gros der Frauen nützt die Möglichkeit, schon im Operationssaal mit dem Neugeborenen zu kuscheln, gern. „Dadurch ist die Mutter mit ihrer Aufmerksamkeit vor allem bei ihrem Kind und nicht bei der Operation“, nennt Anzböck einen positiven Nebeneffekt. „Einige wenige Frauen sind allerdings damit überfordert, dass das Kind bei ihnen auf der Brust liegt, während sie noch operiert werden“, berichtet die Hebamme. „In diesem Fall ,bondet‘ das Baby beim Vater auf der Station. Das heißt, es liegt Haut an Haut beim Vater, bis die Mutter aus dem Aufwachraum kommt und man ihr das Kind auf die Brust legt.“

Stand 12/2014

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