Glück im Doppelpack

Januar 2014 | Gesellschaft & Familie

Immer mehr Zwillinge in Österreich
Prominente verdeutlichen den Trend: Ob Hermann Maier, Wolfgang Ambros oder Niki Lauda – sie alle sind in jüngster Zeit Väter von Zwillingen geworden. Woran es liegt, dass in Österreich immer mehr Frauen Kinder im Doppelpack zur Welt bringen.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Der Trend zum doppelten Mutterglück lässt sich nicht nur in bunten Klatschblättern nachlesen, sondern auch schwarz auf weiß belegen: So verzeichnete die Statistik Austria mit 1223 Zwillingsgeburten im Vorjahr gleich um 298 mehr als 1991. Gleichzeitig ist die Gesamtzahl der Geburten in den vergangenen zwei Jahrzehnten drastisch gesunken, nämlich von 94.950 (1991) auf 79.212 (2012). Der Anteil der Zwillingsgeburten hat sich indessen fast verdoppelt. Keinen Aufwärtstrend gibt es hingegen für Drillinge, Vierlinge, Fünflinge. Die Zahl der höhergradigen Mehrlingsgeburten ist annähernd gleich geblieben. Wie kommt es zu dieser deutlichen Zunahme an Zwillingsgeburten?

Späte Schwangerschaften

Entgegen der landläufigen Meinung liegt es nicht in erster Linie an den immer häufigeren Kinderwunschbehandlungen mit Hormonen und künstlichen Befruchtungen. Vielmehr hat hier Mutter Natur ihre Hand im Spiel, denn: „Zum Teil hängt die Zunahme an Zwillingsgeburten damit zusammen, dass die Frauen immer später schwanger werden“, weiß Univ. Prof. Dr. Uwe Lang, Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Medizinischen Universität Graz. Die Erklärung: Mit zunehmendem Alter verändert sich der weibliche Hormonhaushalt. Während weniger Östrogene produziert werden, was das Eintreten einer Schwangerschaft grundsätzlich erschwert, steigt der Spiegel der sogenannten Gonadotropine an. Das sind Hormone, die auf die Eierstöcke einwirken und sowohl die Eireifung als auch den Eisprung so beeinflussen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Zwillingsschwangerschaft steigt.

Hormone, künstliche Befruchtung

Für einen weiteren Teil des Kindersegens im Doppelpack legen tatsächlich Mediziner den Grundstein, „indem Paaren beziehungsweise Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch mit Hormonbehandlungen und künstlichen Befruchtungen geholfen wird“, so Lang. Die künstlich zugeführten Hormone kurbeln die Aktivität der Eierstöcke an, lassen mehr Follikel reifen und lösen mehr Eisprünge aus. So kommt es eher zu einer Schwangerschaft – und nicht selten zu einer doppelten. Relativ oft wachsen Zwillinge auch nach Anwendung der gängigen Methoden von künstlicher Befruchtung heran, also nach der In-vitro-Fertilisation (IVF) und nach der Intracytoplasmatischen Spermiuminjektion (ICSI). Bei diesen beiden Praktiken werden den Frauen Eizellen entnommen, im Reagenzglas bzw. per Injektion mit Samenzellen befruchtet und anschließend in die Gebärmutter transferiert. Lang: „Als optimal wird der Transfer nur eines einzelnen Embryos angesehen.“ Doch vielfach erhofft man sich, die Chance auf eine Schwangerschaft zu erhöhen, indem mehrere befruchtete Eizellen in der Gebärmutter platziert werden. Und manchmal wächst dann eben nicht nur ein Einling heran.

Yamswurzel, Folsäure, Wachstumshormone?

Künstliche Befruchtungen, Hormonbehandlungen, Spätgebärende: All das ist in afrikanischen Ländern eher nicht gang und gäbe. Doch akkurat im nigerianischen Dorf Igbo-Ora wachsen fast in jeder Familie Zwillinge auf, und damit so viele, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Die Einheimischen führen das darauf zurück, dass sie häufig Yamswurzeln essen – Gewächse, die offenbar hormonähnlich wirken und auch bei uns als pflanzliche Hilfe gegen Menstruations- und Wechseljahresbeschwerden empfohlen werden. Im Dorf Chatilly in Südfrankreich, das ebenfalls durch eine große Zahl an Zwillingsgeburten auffällt, führt man den Kindersegen wiederum auf Inhaltsstoffe eines Quellwassers zurück, das Frauen mit Kinderwunsch trinken. Auch britische Forscher haben beobachtet, dass möglicherweise das, was Frauen zu sich nehmen, Zwillingsschwangerschaften begünstigt. Sie stellten fest, dass Frauen mit einem hohen Folsäurespiegel im Blut eher zwei Babys auf einen Schlag gebären. Folsäure steckt z. B. in grünem Blattgemüse wie Spinat. US-Wissenschafter vermuten schließlich, dass Wachstumshormone im Rind- und Schweinefleisch zum Zwillingsboom führen. Und in der Tat bekommen auch auffallend oft übergewichtige und sehr große Frauen Zwillinge, wie ein Datenvergleich zeigte.

Vererbung, medizinischer Fortschritt

Je mehr Zwillinge es schon gibt, desto mehr spielt ein weiterer Faktor eine Rolle, wenn es um die Erklärung für das Phänomen geht: die Vererbung. „Zwillingsgeburten treten familiär gehäuft auf“, so Lang. „Bei Töchtern von Müttern, die Zwillinge bekamen, ist aufgrund der Veranlagung die Wahrscheinlichkeit, dass sie ebenfalls Zwillingsmütter werden, doppelt so groß wie bei anderen Frauen.“ Über Söhne wird die Veranlagung für doppelten Kindersegen nicht vererbt.
Ob auch der medizinische Fortschritt ein Grund für die Zunahme an Zwillingsgeburten ist? „Grundsätzlich sind Zwillings- und höhergradige Mehrlingsschwangerschaften immer Risikoschwangerschaften“, sagt Lang, an dessen Abteilung sich auch ein Kompetenzzentrum für komplizierte Mehrlingsschwangerschaften befindet. „Teilweise kann man heute Komplikationen vorbeugen, die früher den Tod beider Zwillinge oder eines Zwillings noch während der Schwangerschaft oder bei der Geburt zur Folge hatten“ (siehe unten). Allein aufgrund der besseren Schwangerschaftskontrollen, stets neuen Behandlungsmöglichkeiten noch im Bauch der Mutter und der sicherer werdenden Geburten könnte sich der Trend zum doppelten Mutterglück also in den nächsten Jahren fortsetzen. Noch werden nach Schätzungen von Ärzten und Hebammen jedenfalls in etwa doppelt so viele Zwillinge gezeugt wie lebend geboren.

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Trotz Fortschritte der Medizin:
Zwillingsschwangerschaft ist riskant

Ob eineiig oder zweieiig: Zwillingsgeburten waren und sind erhöhten Risiken ausgesetzt. „Das größte und zugleich häufigste Risiko bei Zwillingsschwangerschaften ist nach wie vor die Frühgeburt“, sagt Univ. Prof. Dr. Uwe Lang von der Medizinischen Universität Graz. „Aber heute kann eine Frühgeburt durch eine entsprechende Behandlung vermieden oder zumindest hinausgezögert werden.“ Und selbst wenn nicht, haben auch Zwillingsfrühchen durch die bessere medizinische Versorgung heute eine höhere Überlebenschance als früher.
Zwei Drittel aller eineiigen Zwillinge sind bereits im Bauch der Mutter einem weiteren Risiko ausgesetzt: Sie sind monochorial, das heißt, sie haben nur einen Mutterkuchen mit gemeinsamen Gefäßverbindungen. „Das kann zu Ungleichgewichten in der Versorgung und in der Folge zu Schäden an verschiedenen Organen sowie zu lebensbedrohlichen Komplikationen bis hin zum Versterben beider Kinder führen“, erklärt Lang. All dem kann man heute mit einem noch relativ neuen Eingriff vorbeugen, bei dem die Gefäßverbindungen in der Plazenta mit einem Laser unterbrochen werden.

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Varianten des doppelten Glücks:
Zweieiige und eineiige Zwillinge

Zwei Drittel aller Zwillingspaare sind zweieiig und entwickeln sich, wenn sich von den Eierstöcken aus zwei Eizellen auf den Weg zur Gebärmutter machen und dort von je einer Samenzelle befruchtet werden. In der Gebärmutter entstehen zweieiige Zwillinge getrennt voneinander. Daher ähneln sie sich im Aussehen und Verhalten nicht mehr und nicht weniger als jedes andere Geschwisterpaar.
Ein Drittel aller Zwillingspaare ist eineiig. Dazu kommt es, wenn sich nur eine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnistet und sich dort spaltet. Da sie aus einer Eizelle und einer Samenzelle stammen, gleichen sich eineiige Zwillinge aufs Haar im Aussehen und oft auch im Verhalten.

Stand 12/2013

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