Zahnimplantat – Der Zahn der Zukunft

Juli 2007 | Medizin & Trends

Dank neuer Methoden werden die Dritten nahezu schmerzfrei implantiert
 
Die Dritten der Zukunft sitzen fest wie die eigenen Zähne, sehen auch so aus, und das Beste ist: Mit den neuen Methoden der Zahnmedizin können sie mit minimalem Zeitaufwand und nahezu schmerzfrei implantiert werden. Das hat man jetzt auf einem Weltkongress in Las Vegas gezeigt. MEDIZIN populär war für Sie mit dabei.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

„Wissen Sie, was gerade passiert ist? Ich habe mein erstes Steak seit 20 Jahren gegessen … und ich habe es unglaublich genossen!“
Inge W., 71, Patientin mit Implantaten am Ober- und Unterkiefer am Abend nach der Operation in einem Telefongespräch mit dem behandelnden Zahnarzt.

„Zehn Jahre lang hatte ich die Dritten und ein Plastikteil am Gaumen. Ich hatte ganz vergessen, wie gut Wein schmecken kann.“
Hugo L., 65, Patient mit Implantat bei der ersten Kontrolluntersuchung eine Woche nach der Implantation.

„Es ist wie ein Wunder: Ich kann essen, sprechen und lachen, so wie ich es früher nie konnte.“
José F., 62, Patient mit Implantat, zwei Wochen nach dem Eingriff.

Las Vegas, Mai 2007. Beim Weltkongress des Dentalunternehmens Nobel Biocare im MGM Grand Hotel läuft der Countdown zur ersten von 35 Live-Übertragungen von Zahnimplantationen. Schließlich ist es so weit. In der Konferenzarena des MGM Grand Hotels gehen die Bildschirme an. Sie zeigen eine Zahnarzt-Ordination in Mexiko-City, einen Zahnarzt, zwei Assistentinnen und José F., den Patienten. Er nimmt seine Zahnprothese aus dem Mund, setzt sich auf den Zahnarztstuhl, wird in eine liegende Position gebracht und mit grünen Tüchern bedeckt. Sein Mund wird aufgespreizt, hinein kommt ein Speichel-absaugender Schlauch, dann gibt’s noch Spritzen gegen die Schmerzen, und schon geht’s los.

Schritt eins: An den zahnlosen Oberkiefer des 62-Jährigen wird eine Plastik-schablone angelegt, die jene Stellen anzeigt, wo die Implantate ins Zahnfleisch gestanzt werden. Die Implantate, künstliche Zahnwurzeln, die den natürlichen nachempfunden und wie Schrauben geformt sind, sind sechs Millimeter lang, haben einen Durchmesser von drei Millimeter und bestehen aus Titan.

Schritt zwei: Der Arzt setzt eine Schraube am Zahnfleisch an, nimmt ein Stanzgerät zur Hand und stanzt die Schraube ein. Drin ist sie. Das ist schnell gegangen, der Patient hat keine Regung gezeigt, hat nicht einmal gezuckt. Auf Schraube eins folgen die Schrauben zwei, drei, vier, fünf, sechs. Weitere vier Schrauben kommen in den Unterkiefer. Nach nicht einmal einer halben Stunde ist das Implantieren vorbei. Arzt und Assistentinnen machen Platz, damit das Publikum über die Kamera in den Mund des Patienten sehen kann. Aus Stecknadelkopf-großen Löchern im Zahnfleisch ragen jetzt die kleinen Enden der Schrauben aus dem Zahnfleisch heraus, an den Rändern ist da und dort ein wenig Blut zu sehen, nicht mehr, als nach einem Insektenstich aus der Wunde tritt.

Schritt drei: Auf die Enden der Schrauben werden Einzelzähne und Brücken aus jeweils zwei und drei Zähnen gesetzt. Sie bestehen aus Keramik, das farblich auf Josés Gesicht abgestimmt ist. Sein neues Gebiss vervollständigt sich nach und nach, und eine weitere halbe Stunde später hat der Mann die gesamte Implantationsprozedur hinter sich. Schon darf er sich aufsetzen, ein Spiegel wird ihm gebracht, er macht den Mund auf, schaut sich den Zahnersatz an, lacht und ruft: „Estupendo!“, was soviel wie „Super!“ heißt. Bei einer Kontrolluntersuchung zwei Wochen nach dem Eingriff wird er sagen: „Es ist wie ein Wunder, ich kann essen, sprechen und lachen, so wie ich es früher nie konnte, und das Ganze hat fast überhaupt nicht weh getan.“

Was in Mexiko möglich ist und in Las Vegas gezeigt wurde, ist auch in Österreich zu haben. Die Wiener Univ. Prof. DDr. Gabor Tepper und Univ. Prof. DDr. Werner Zechner zählen zu den 10.000 Teilnehmern aus 91 Nationen am Weltkongress in Las Vegas und werden auch über die neuartige Methode referieren. Im Gespräch mit MEDIZIN populär erzählen sie, dass sie in den vergangenen fünf Jahren bereits Dutzenden Patientinnen und Patienten nach der gezeigten Methode zu einem Implantat-gestützten künstlichen Zahnersatz verholfen haben. Die eindrucksvolle Bilanz der beiden: „99 Prozent der Implantationen sind problemlos verlaufen, schon ein Jahr nach dem Eingriff waren bisher noch alle künstlichen Zahnwurzeln fest mit dem Knochen verwachsen, alle Gebisse waren funktionsfähig und schön anzusehen.“ Bei den wenigen Patienten, bei denen der Eingriff nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatte, waren ein gestörter Knochenstoffwechsel und/ oder ein stark geschwächtes Immunsystem schuld, die verhinderten, dass der Knochen mit dem Implantat verwächst.

Mehr Biss, mehr Lebensqualität
Nach den Ergebnissen einer Studie des ÖBIG im Auftrag des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen aus 2006 fehlen den Österreicherinnen und Österreichern im Alter von 35 bis 44 Jahren durchschnittlich sechs bis acht Zähne von ursprünglich 32. Bei den 65- bis 74-Jährigen steigt diese Zahl auf durchschnittlich 20 oder noch mehr Zähne an, ein Viertel der Frauen und Männer aus derselben Altersgruppe ist völlig zahnlos. Für 80 Prozent der Österreicher sind nach den Ergebnissen einer OGM-Studie, die ebenfalls im Vorjahr erstellt wurde, Zähne aber ein bedeutender Sympathiefaktor, für 69 Prozent stellen sie sogar eine persönliche Visitenkarte dar. Umgekehrt werden ungesund aussehende Zähne als Zeichen für Schlampigkeit und Unzuverlässigkeit erachtet.

Brücken, Kronen, Teil- und Vollprothesen können das Werk von Mutter Natur zwar auch ersetzen, doch die Professoren Tepper und Zechner raten von der Entscheidung für diese Behelfe ab. „Ein Mensch mit einer Zahnprothese muss beträchtliche Einschränkungen hinnehmen“, sagen sie. „Er verfügt nur über ein Zehntel der Kaukraft, die ein Mensch mit natürlichem Gebiss hat. Wer schlecht kaut, ernährt sich schlecht, die Verdauung funktioniert nicht richtig, Medikamente wirken nicht so, wie sie sollten, man wird eher krank.“ Anders gehe es einem Menschen mit einem Implantat-gestützten künstlichen Gebiss. „Er hat 50 Prozent bis zu zwei Drittel der Kaukraft eines Menschen mit natürlichem Gebiss, kann essen, was er möchte, ernährt sich daher meistens ausgewogen und bleibt eher gesund.“

Wenn man sich für die Implantate entscheidet, die man sich ins Zahnfleisch setzen lässt, dann sollten diese aus hochwertigem, reinen Titan bestehen, dessen Oberfläche speziell behandelt ist. So werden Entzündungen und allergische Reaktionen auf das Material mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden. Die künstliche Titan-Zahnwurzel verwächst erfahrungsgemäß rasch mit dem Knochen und sorgt dafür, dass der Zahnersatz bald nach dem Eingriff fest wie die eigenen Zähne sitzt, sich so anfühlt und auch so aussieht. „Die meisten Patientinnen und Patienten, und insbesondere jene, die eine Prothese durch ein Implantat ersetzen ließen, berichten schon kurze Zeit nach der Implantation über eine enorme Verbesserung ihrer Lebensqualität“, sagen die Professoren. „Sie erzählen, dass sie den Geschmack von Speisen und Getränken wieder intensiver wahrnehmen, die Nahrungsaufnahme wieder richtig genießen können, wieder in der Lage sind zu sprechen, ohne zu nuscheln, und wieder mit Leidenschaft zu küssen. Außerdem haben sie Selbstbewusstsein und Unternehmungslust zurückgewonnen.“

Computer macht kurzen Prozess
Dass die Implantation nach den modernen Methoden mit minimalem Zeitaufwand und noch dazu nahezu schmerzfrei verlaufen kann, ermöglicht die so genannte Computer-gesteuerte Navigation. Dafür macht der Zahnarzt zuerst eine Spezialaufnahme des Ober- und Unterkiefers der Patientin oder des Patienten. Die Aufnahme wird in einem nächsten Schritt für die Weiterbearbeitung in den Computer gespeist und zur dreidimensionalen Grafik umgemodelt, aus der ersichtlich ist, wo, in welcher Länge, Dicke und in welcher Neigung wie viele der künstlichen Zahnwurzeln eingesetzt werden müssen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Nach den Computer-Informationen erstellt der Zahntechniker die Schablone, die anzeigt, wo später die Implantate eingestanzt werden, und fertigt die Implantate sowie auch die Zähne an, die meist aus einer Keramik-Leichtmetall-Mischung bestehen.

„Man kann sagen, dass die Patientinnen und Patienten bei der Implantation nach der neuen Computer-gesteuerten Navigation nur noch an fünf Prozent vom Prozedere teilnehmen, das für die Implantation notwendig ist. 95 Prozent der Arbeit werden vom Zahnarzt und vom Zahntechniker erledigt“, sagt Prof. Tepper. Für 30 bis 40 Prozent der Patienten ist der zweite Termin auch schon der letzte, der für die Implantation vonnöten ist. Prof. Tepper: „Da kommen sie mit der Prothese, nehmen sie heraus und gehen nach ein, zwei Stunden mit ihren neuen, fest sitzenden Zähnen heim.“

Bei 60 bis 70 Prozent der Patientinnen und Patienten ist der Aufwand allerdings etwas größer: Wenn jemand etwa blutverdünnende Medikamente nimmt, wie 40 Prozent der über 60-Jährigen, braucht er diese zwar nicht absetzen, doch es ist besser, die künstlichen Zahnwurzeln eine Zeit lang einheilen zu lassen, ehe die Zähne aufgesetzt werden. Währenddessen sind die Betroffenen aber nie zahnlos, sie können wie gewohnt ihre Prothese tragen oder sie bekommen ein Provisorium.
Noch etwas aufwändiger wird die Implantation, wenn die Kieferknochenmasse wegen Osteoporose oder aufgrund von Brücken und Kronen großflächig geschwunden oder bereits so porös geworden ist, dass man keine künstlichen Wurzeln mehr hineinstanzen kann. Dann nämlich muss noch vor dem Zahnersatz ein Knochenersatz her. Dieser wird aus dem hinteren Kieferbereich entnommen, wo die Weisheitszähne sitzen, manchmal auch aus dem Beckenbereich. Die benötigten Knochenstückchen werden abgesägt und dort festgeschraubt, wo sie gebraucht werden. Binnen drei Monaten ist der Knochen dann für gewöhnlich fest genug, um eine taugliche Basis für die Zahnwurzeln und Zahn-Aufsätze zu bilden.

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Kosten und Pflege
Je mehr Schritte der Eingriff erfordert, desto mehr Kosten fallen an. Prof. Zechner: „Nach oben hin gibt es praktisch keine Grenze, aber wenn die Voraussetzungen für die Implantation günstig sind, also die Patientin oder der Patient gesund ist, sind die Preise verhältnismäßig moderat.“ Ein einzelner, mit der Computer-gesteuerten Navigation eingesetzter Zahn ist dann ab 2000 Euro zu haben, ein kompletter Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer ab 3000 Euro.

Sind die Implantat-gestützten künstlichen Zähne einmal drin, müssen sie so gepflegt werden wie eigene, um auch wirklich eine lange Zukunft zu haben. Das heißt: Zweimal täglich putzen, außerdem Zahnseide zum Reinigen verwenden, regelmäßig zur Kontrolluntersuchung gehen und jedes halbe Jahr eine professionelle Mundhygiene machen lassen. Sollte der Zahnersatz dennoch Schaden nehmen, etwa weil man einen Unfall erlitt? Das, so versichern die Professor Tepper und Zechner, sei kein Problem. Ein Ersatz des Ersatzes sei meistens schnell wieder herstellbar – und auch ebenso schnell eingesetzt.

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Wann nicht implantiert werden kann

Nicht implantiert werden kann bei Bestrahlungen, die im Zuge einer Krebstherapie gemacht werden. Sie schränken den Knochenstoffwechsel ein, der Knochen verwächst nicht mit dem Implantat, das Implantat hält nicht.

Auch bei starken Rauchern ist das Risiko groß, das Implantat wieder zu verlieren: Ihre Immunabwehr ist herabgesetzt, es kann leicht zu Entzündungen kommen, bei denen das Implantat herauseitert.

Info
Weitere Informationen und eine Liste österreichischer Zahnärztinnen und Zahnärzte, die die Methode anwenden, sind zum Beispiel auf der Website www.nobelsmile.at („Zahnarzt suchen“) zu finden.


       

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