Mein Kind schnarcht

Dezember 2014 | Medizin & Trends

Wann Eltern besorgt sein sollten
 
Jedes Kind schnarcht gelegentlich, jedes zehnte sogar so gut wie jede Nacht. Was Eltern meist lieb und herzig finden, erachten Mediziner in vielen Fällen als besorgniserregend. Denn Schnarchen in frühen Lebensjahren kann ernste Folgen für die Gesundheit und Entwicklung des Kindes haben.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Als der Kinderarzt bei der Routineuntersuchung die Mutter des vierjährigen Julian fragt, ob es irgendwelche Probleme oder Veränderungen gibt, denkt sie kurz nach und meint dann: „Naja, seit ein paar Wochen schnarcht er jede Nacht“, und fügt mit einem Lächeln an: „Und das schon fast wie ein Großer.“ Anders als viele meinen, ist Schnarchen nicht nur Erwachsenen vorbehalten. So wie Julian geben zehn Prozent der Kinder im Alter von einem bis 14 Jahren im Schlaf Atemgeräusche von sich. Davon sind fast zwei Drittel Buben. „So wie Julians Mutter halten leider die meisten Eltern das Schnarchen ihrer Kinder für lieb und herzig“, weiß Prim. Univ. Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Leiter der Abteilung für Kinder und Jugendliche am Landeskrankenhaus Leoben, wo man sich auf die Behandlung von Kindern mit Schlafproblemen spezialisiert hat. „Meist sind die Mütter und Väter dann überrascht, wenn man ihnen sagt, dass Schnarchen bei Kindern nicht immer harmlos ist, sondern ernste Folgen für ihre Gesundheit und Entwicklung haben kann.“

Müde, grantig, häufig krank

Dabei sind die Auswirkungen des nächtlichen Sägens schon kurzfristig merkbar: So ist ein Kind, das nachts schnarcht, wegen der damit verbundenen schlechten Schlafqualität tagsüber oft müde, grantig, kann sich nicht ausreichend konzentrieren und hat daher oft Schwierigkeiten beim Lernen. „Da sich ein schnarchendes Kind beim Atmen sehr anstrengen muss, sich auch oft hin- und herwälzt, was an zerwühlter Bettwäsche und durchschwitzter Kleidung erkennbar ist, verbraucht es außerdem mehr Energie“, erklärt Reinhold Kerbl. „Nach einiger Zeit des Schnarchens kann es daher zusätzlich zu einem Gewichtsstillstand kommen oder sogar dazu, dass das Kind abnimmt.“ Viele werden durch den gestörten Schlaf zu Bettnässern, wodurch ihr Schlaf noch unruhiger wird und das Immunsystem schwächer. Da die kleinen Schnarcher zudem mehr durch den Mund als durch die Nase atmen, sind sie anfälliger für Erkrankungen vor allem der Atemwege: Sie haben sehr oft Halsweh, Schnupfen und Husten, aber auch Ohrenentzündungen.

Trichterbrust und Herzschwäche

Fällt die Nachtarbeit des Atemapparats mehrere Monate hindurch hart aus, kann es sogar zu Fehlbildungen im Rachenraum kommen und durch das extreme Einziehen des Brustkorbs beim angestrengten Luftholen zur Entwicklung einer Trichterbrust. „Wenn diese Kinder nachts ständig zu wenig Luft bekommen, wird das Blut nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt“, nennt Kerbl eine weitere Gefahr. „Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie zusätzlich Atemaussetzer haben.“ Dann drohen Lungenfunktionsstörungen und eine Herzschwäche – im Extremfall kann beides zum Tod führen.

Mit einem Video zum Arzt

Dauert das Schnarchen bei Kindern länger als ein paar Wochen an, sollten Eltern daher den Arzt informieren. Bei einem Großteil der betroffenen Kinder, etwa 80 Prozent, stellt sich durch die Schilderungen der Eltern, dem Vorführen eines Videos vom schnarchenden Kind und eine Untersuchung heraus, dass keine Behandlung nötig ist. Vielmehr reichen in den allermeisten Fällen andere Maßnahmen, um das Schnarchen zum Verschwinden zu bringen: „Viele Kinder schnarchen zum Beispiel nur in Rückenlage, zu der sie eine zu weiche Matratze oder ein ungeeigneter Polster zwingt“, weiß Kerbl. Mit neuem Bettzeug ist das Problem meist behoben. Nicht so leicht ist es, weitere verbreitete Hindernisse auf dem Weg zum erholsamen Schlaf zu überwinden: „Wenn das Kind übergewichtig ist und Fettpolster auf die Atemwege drücken, können diese dadurch so eingeengt werden, dass das Kind bei jedem Atemzug stark Luft holen muss und so Schnarchgeräusche erzeugt“, erläutert Kerbl. Oft sind auch ungesunde Gewohnheiten der Eltern verantwortlich für das Problem: Aufgrund der Belastung der Atemwege durch das Einatmen von Tabakrauch werden nicht wenige Kinder zu Schnarchern.    

Polypen oder Mandeln

Bei rund 20 Prozent der kleinen Säger wird festgestellt, dass anatomische Veränderungen der Nachtruhe im Wege stehen – allen voran vergrößerte Polypen oder Gaumenmandeln. „Dann hilft eine Operation, bei der die Polypen und Gaumenmandeln entfernt werden“, informiert Kerbl. „Bei Vorschulkindern entnimmt man aber nur einen Teil der Gaumenmandeln, da dies schonender für die kleinen Patienten ist und die Mandeln auch einen gewissen Schutz vor Krankheitserregern bieten.“

Schlaflabor und Maske

Schnarcht das Kind auch noch nach diesem Eingriff, empfiehlt sich eine Untersuchung im Schlaflabor. Schließlich könnten zusätzlich andere angeborene Fehlbildungen der Atemwege hinter den Schlafgeräuschen stecken, wie abgeschwächte Rachenmuskeln, eine Enge der Atemwege, eine Rückverlagerung des Unterkiefers oder eine etwas zu große Zunge, die beispielsweise Kinder mit Down-Syndrom haben. Auch in diesen Fällen gibt es Hilfe. „Solche Fehlbildungen wachsen sich meistens aus, wenn die Kinder nachts eine Atemmaske tragen, die die Atemwege schient und zu einer regelmäßigen und guten Atmung verhilft“, nennt Kerbl die Maßnahme der Wahl. Zwar kann das ein paar Jahre dauern, doch dank der Maske werden die Nächte für das Kind sofort ruhiger – und für die ganze Familie gleich mit.    

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Mein Mann schnarcht
Wann ärztliche Hilfe nötig ist

Ebenso wie Buben häufiger als Mädchen schnarchen auch Männer häufiger als Frauen. Das Schnarchen der Erwachsenen kann zwar genauso wie bei Kindern an vergrößerten Polypen oder Gaumenmandeln liegen, weiß der Schlafmediziner Prim. Univ. Prof. Dr. Reinhold Kerbl, meist hat es aber andere Ursachen: Übergewicht, übermäßiger Alkoholkonsum, Rauchen oder schlicht ein fortgeschrittenes Alter. „Mit den Jahren wird das Gaumensegel weicher und flattert bei jedem Atemzug, wodurch die Schnarchgeräusche entstehen“, verdeutlicht Kerbl. Dann können eine Operation, bei der das Gaumensegel verkleinert wird, oder das Tragen einer Spange helfen, die das Segel fixiert. Geht das Schnarchen mit Atemaussetzern (Schlafapnoe) einher, kann dies zu Sauerstoffmangel und nachfolgend zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Kerbl: „Deshalb sollten Menschen mit Schlafapnoe unbedingt zum Arzt und sich in einem Schlaflabor helfen lassen.“

Stand 11/2014

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