Gesunde Gangart

Juni 2014 | Fitness & Entspannung

Was eine Bewegungsanalyse zeigt
 
Manche trippeln, andere stapfen, wieder andere bewegen sich schlurfend fort: So individuell die Gangart auch ist, so problematisch kann sie werden, wenn bei jedem Schritt Unwuchten auftreten. Knie-, Hüft- und Rückenleiden z. B. gehen oft auf Fehlbelastungen beim Gehen und Laufen zurück. Der Selbstversuch von MEDIZIN populär-Redakteurin Mag. Sabine Stehrer zeigt, was Bewegungsanalysen alles ans Licht bringen – und verhindern können.

Woher kommt das Stechen im linken Knie, das mir hin und wieder das Laufen verleidet, dann aber ganz von selbst so schnell wieder verschwindet, wie es gekommen ist? Bewege ich mich nicht richtig, oder habe ich schlicht die falschen Schuhe? „Wir klären das“, nickt mir Dr. Andreas Kranzl zu. Mit Fragen wie diesen kennt sich der Sportwissenschafter und Leiter des Labors für Gang- und Bewegungsanalysen am Orthopädischen Spital Speising in Wien schließlich bestens aus.
In seinem Labor sieht es ein bisschen aus wie in einem Filmstudio: Ringsum an  den Wänden hängen Kameras, über den Raum verteilt Scheinwerfer, und dicke Rollos vor den Fenstern halten des Tageslicht draußen. Hier wird tatsächlich gefilmt, wie ich erfahre: „Die Aufnahmen bilden die Grundlage für unsere Bewegungsanalysen“, so Kranzl. „Wir nehmen die Menschen während der Bewegung mit mehreren Kameras gleichzeitig auf, um dreidimensionale Bilder zu erhalten.“  

Mit Sensoren aufs Laufband

Bevor ich ins Rampenlicht trete, werde ich auf der Liege einer Muskel- und Gelenksfunktionsanalyse unterzogen. Wie weit lassen sich die Knie abbiegen, wie groß ist der Bewegungsradius des Hüftgelenks, wie ist es um die Muskeln bestellt, sind sie gut aufgebaut, sind sie verkürzt? Das alles wird durch Handgriffe erkundet, die an passives Stretching erinnern. „Unauffällig“, lautet das Ergebnis, nichts spricht gegen einen Szenenwechsel.

Von der Liege geht es auf das Laufband. Bestimmte Punkte an meinen Fersen werden mit schwarzem Filzstift markiert, auf meinen Rücken werden Sensoren geklebt. Die Sicherheitsvorkehrungen sehen vor, dass ich fast wie beim Klettern an Seilen hänge. Jetzt heißt es endlich: Scheinwerfer an, Kamera(s) ab und Action! Ein Ventilator fächelt mir Luft zu, während ich wechselweise barfuß und mit Schuhen laufe. Das Tempo variiert: Erst geht es langsam dahin, dann etwas flotter – das müsse so sein, heißt es. Denn während ich Kilometer um Kilometer abspule, berechnet ein spezielles Computerprogramm u. a. anhand meiner Schrittlängen und -frequenzen mein Bewegungsmuster und vergleicht es mit genormten Werten. Genormt? „Die Werte beruhen auf Daten, die von Gesunden erhoben wurden“, erklärt Kranzl auf meine Nachfrage hin. Bald werde ich wissen, ob ich mich dazuzählen darf…

Barfuß über Platten

Klappe – und wieder ein Szenenwechsel, diesmal auf die Gehstrecke. Kranzl: „Hier machen wir eine Druckverteilungsuntersuchung, um zu erkennen, wie die einzelnen Fußregionen beim Gehen belastet werden.“ Das funktioniert, indem ich barfuß über Platten gehe, die im Boden eingelassen sind. Dort werden präzise jene Kräfte gemessen, die ich Schritt für Schritt ausübe; das Ergebnis wird an das Hightech-Equipment des Hauses weitergeleitet.
Was das alles bringt? „In unserem Labor für Gang- und Bewegungsanalysen können selbst kleinste Abweichungen von einem gesunden Bewegungsmuster erkannt werden“, beschreibt Dr. Michael Enenkel vom Orthopädischen Spital Speising den Sinn der Sache: „Wenn in der Bewegung etwas unrund läuft, treten bei jedem Schritt Unwuchten auf, was mit den Jahren Probleme verursachen kann“, erklärt der Orthopäde den Hintergrund. „Da der gesamte Bewegungsapparat eine funktionelle Einheit ist, beschränken sich diese Probleme nicht immer nur auf Sprung-, Knie- oder Hüftgelenke beziehungsweise die Sehnen, Bänder und Muskeln der Füße und Beine, sondern können auch an anderen Stellen des Körpers auftreten.“ Rückenschmerzen, Nackenverspannungen und sogar Kiefergelenksprobleme sind mitunter Folgen von Fehlbelastungen beim Gehen und Laufen. Zur Vorbeugung sollte man selbst harmlos erscheinende Beschwerden als Warnzeichen betrachten und ihnen auf den Grund gehen, rät der Facharzt.

Neue Schuhe als Therapie

Mein Stechen im Knie, das kommt und geht, fällt ganz klar in diese Kategorie. Im Labor erfahre ich: Jeder Mensch knickt beim Laufen ein wenig mit den Füßen nach innen ein, ich mache das allerdings ein bisschen mehr als die meisten. Diese sogenannten Überpronationen lösen häufig Kniebeschwerden aus. Um sie loszuwerden, reichen oft schon Laufschuhe als Therapie, die mit einem besonderen Fußbett ausgestattet sind.
Mit neuen Schuhen oder mit Einlagen ist es auch in vielen anderen Fällen bereits getan. Manchmal wird aber auch zu einer Physiotherapie geraten: „Dabei geht es darum, jene ungünstigen Bewegungsgewohnheiten abzulegen, die erst durch die Analyse erkannt wurden“, informiert Enenkel. Oftmals kommen die Beschwerden vom Trippeln, Stapfen, Schlurfen, also vom falschen Aufsetzen oder Abrollen der Füße. „Häufig wird am Ende des Abrollvorgangs das Großgrundzehengelenk zu wenig belastet, oder die Zehen werden eingekrallt“, kennt Enenkel die Probleme. Andere schleudern die Füße bei jedem Schritt leicht nach außen oder innen, was aber in einer Therapie mit gezieltem Training „verlernt“ werden kann.  

Vor OP hilft Spezialanalyse

Bei Problemen, die durch Maßnahmen wie eine Physiotherapie nicht behoben werden können, kann eine Bewegungsanalyse in Speising ebenfalls hilfreich sein. Doch dann wird statt einer Laufanalyse samt Druckverteilungsmessung eine spezielle Ganganalyse gemacht, die auch bei angeborenen Fehlstellungen wie O- und X-Beinen angewandt wird. Dabei erhebt man, wo beim Gehen auf die Gelenke und Muskeln des ganzen Körpers wie viel Kraft ausgeübt wird. „Anhand dieser Spezialanalyse kann erkannt werden, ob eine Operation sinnvoll ist und welche Operationsschritte nötig sind, um das angestrebte Ziel zu erreichen“, erklärt Enenkel, der seine Patienten einige Zeit nach einem Eingriff neuerlich zu dieser Spezialanalyse schickt, denn er weiß: „Nach orthopädischen Eingriffen haben fast alle Operierten Angst davor, zum Beispiel ihr Knie oder ihre Hüfte wieder voll zu belasten und etwa wieder mit dem Laufen anzufangen.“ Dank Hightech lässt sich erkennen, ob man es bereits auf einen Versuch ankommen lassen kann, ohne neuerliche Schäden zu riskieren. Laborleiter Kranzl über den Ablauf dieser ausführlichen Analyse: „Dafür werden bis zu 70 Sensoren am ganzen Körper angebracht.“ Um alles Nötige erfassen zu können, heißt es dann auch hier Kamera ab, ehe der Patient auf dem Boden mit den eingelassenen Druckverteilungsmessern trippelt, stapft, schlurft.    

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So geht’s besser:
Tipps für gesunde Füße


Nicht nur den Füßen, sondern dem gesamten Bewegungsapparat ginge es besser, wenn man so oft wie möglich barfuß oder in Socken geht. Auch für Fußgymnastik sollte man sich Zeit nehmen. Schließlich werden dabei die Muskeln der Füße gezielt gekräftigt und gedehnt, was verhindern kann, dass Fußfehlstellungen entstehen bzw. schlimmer werden. Mit Übungen auf instabilem Untergrund wie z. B. Wackelplatten lassen sich die Muskeln, Sehnen und Bänder der Füße ebenfalls effizient stärken.

Webtipp:

Labor für Gang- und Bewegungsanalysen, Orthopädisches Spital Speising, Wien:
www.oss.at

Stand 05/2014

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