Probleme beim Orgasmus

Oktober 2014 | Partnerschaft & Sexualität

Sei es, weil er zu früh, zu spät, in die falsche Richtung oder gar nicht kommt: Für jeden dritten Mann wird der Orgasmus irgendwann zum Problem. Wie es zu den Tiefschlägen beim Höhepunkt kommen kann und was dagegen hilft.
 
Von Wolfgang Kreuziger

So gleißend hell das Feuerwerk der körperlichen Liebe auch aufleuchtet, so blitzschnell erlischt es wieder: Nur sieben Sekunden beim Mann und 21 Sekunden bei der Frau dauert im Schnitt der Kurztrip in den siebten Orgasmushimmel. Der durchschnittliche Mann erreicht diesen Himmel im Laufe seines Lebens etwa 3000 Mal. Durch die Hölle gehen hingegen immer mehr Männer, bei denen es mit dem Orgasmus nicht wunschgemäß klappt. Jeder Dritte wird heute von Orgasmusstörungen gequält, das heißt, er kann den sexuellen Akt zwar vollziehen, kommt aber zur falschen Zeit oder gar nicht zum Höhepunkt. „Einer der Gründe, warum wir dies zunehmend beobachten, ist, dass Männer heute ihre eigene Orgasmusfähigkeit übertrieben stark auf den Prüfstand stellen“, weiß der Linzer Sexual- und Allgemeinmediziner Dr. Georg Pfau. „Vor allem junge Menschen sehen im Sex heute eine Art Hochleistungssport, der ihre eigene Rolle definiert.“ Die Qualität der Beziehung und der Intimität mit der Partnerin bleiben oft auf der Strecke.  

„Wettbremsen“ auf der Matratze  
   
Eines ist klar: Ist im Bett erst auch die Stoppuhr mit dabei, führt dies meist direkt zur häufigsten Orgasmusstörung, die dem starken Geschlecht auf der Matratze den Spaß verleidet: dem vorzeitigen Samenerguss. Von „vorzeitig“ mögen Männer und Frauen unterschiedliche Vorstellungen haben. Die Mediziner sprechen erst dann davon, wenn es vom Zeitpunkt des Eindringens des Penis in die Scheide binnen einer Minute zur Ejakulation kommt – oder schon bevor es richtig zur Sache gehen konnte. „Weil der Mann dabei vor der Frau zum Höhepunkt kommt, kann sie ihn nicht gemeinsam mit ihm oder gar nicht mehr erleben. Rund 30 Prozent aller Männer sind irgendwann in ihrem Leben davon betroffen“, weiß Pfau über dieses Problem. Was dahintersteckt? Nur selten finden die Experten organische Ursachen wie etwa eine entzündete Prostata, die durch Druck auf die Vorsteherdrüse die Ejakulation zu früh herbeiführt, oder eine Schilddrüsenfehlfunktion, die den Hormonhaushalt durcheinanderwirbelt. Meistens sei der Grund psychosomatischer Natur. Ursprung allen Übels ist für den Linzer Arzt, dass sich die Männer die Latte selbst zu hoch legen. Er weiß sogar von skurrilem „Wettbremsen“ zu berichten, mit dem von ihm therapierte Pärchen im Bett versucht haben, möglichst spät zu „kommen“.

In der Liebes-Sackgasse

Pfau: „Hat mancher Mann die Frau nicht zum Orgasmus gebracht, macht er das danach zu seinem Problem. Er folgert blitzschnell: Ich bin ein Versager, ejakuliere zu früh und muss lernen, länger durchhalten.“ Das Teuflische daran: Gerade dieser Vorsatz macht alles noch schlimmer. Der selbstauferlegte Stress des Mannes gepaart mit Nervosität beschleunigt nur den vom Gehirn gesteuerten Orgasmus – je mehr er bremst, desto früher passiert’s. Nur ein lockeres Vorgehen würde die Ereignisse verzögern, doch wie angesichts der Krise entspannt bleiben?
Den Weg aus dieser Liebes-Sackgasse kann in Anwesenheit beider Partner ein Sexualtherapeut weisen. „Das Hirn muss beim Sex ausgeschaltet, Stress und Druck müssen umgangen werden“, nennt Pfau die Grundpfeiler jeder Therapie. „Erst wenn der Mann innerlich davon abrückt, dass er überhaupt am Prüfstand steht, tritt eine Verbesserung ein.“
Auch eine Aufklärung darüber, dass 40 Prozent aller Frauen ihr ganzes Leben lang keinen Orgasmus erleben und weitere 30 Prozent ihn so gut wie niemals bei koitalem Geschlechtsverkehr verspüren, rücke, so Pfau, die oft absurd hohen Erwartungen ins rechte Lot. Von einer medikamentösen Therapie rät der Sexualmediziner ab, ein eigens für diese Fälle entwickelter Wiederaufnahme-Hemmer des Hormons Serotonin könne aber in schweren Fällen verschrieben werden.   

Auch Männer täuschen vor

Nicht minder problematisch als „zu früh“ kann „zu spät“ sein. Eruptiert der männliche Vulkan erst nach 25 Minuten oder noch längerem Koitus, leidet der Mann unter einem verzögerten Orgasmus. Absolvieren die Herren der Schöpfung den Gipfelsturm im Bett gänzlich ohne Höhepunkt, spricht man vom ausbleibenden Orgasmus, der zweithäufigsten Störung beim Mann. „Davon sind laut Studien etwa acht Prozent betroffen“, berichtet Pfau. „Dieses Leiden führt dazu, dass Männer öfter als man denkt den Orgasmus vortäuschen.“ Ursache dieser Liebes-Krise können Krankheiten wie Diabetes, Parkinson oder Multiple Sklerose sein, allerdings spielt in den überwiegenden Fällen wieder der Kopf den entscheidenden Streich: „Bei den meisten Betroffenen lauern Ängste, etwa vor einer ungewollten Schwangerschaft, im Hintergrund“, verrät Pfau. Egal ob der Höhepunkt zu spät oder gar nicht kommt, die Therapieansätze sind dabei dieselben wie beim vorzeitigen Samenerguss.

Beleibt oder betagt

Zur Behandlung der Orgasmusstörungen gehören aber oft auch Veränderungen des Lebensstils. Übergewicht etwa ist bei vielen Männern mitverantwortlich für die Tiefschläge beim Höhepunkt: „Sehr beleibte Herren haben durch den hohen Anteil an Körperfett eine geringere Produktion des Sexualhormons Testosteron, was sich negativ auf ihre Orgasmen auswirkt“, erläutert Pfau. Mit zunehmendem Alter müssen schließlich alle Liebhaber im Bett mit Rückschlägen rechnen. „Ab dem 40. Lebensjahr nehmen die Probleme aufgrund der geringer werdenden Empfindlichkeit des Penis zu“, weiß Pfau. „Orgasmusstörungen im Alter gehören zu den am häufigsten auftauchenden Beschwerden in meiner Praxis.“
Sehr selten hingegen trifft der Arzt auf Männer mit einer sogenannten retrograden Ejakulation. „Aufgrund einer anatomischen Anomalie im Genitalbereich oder im höheren Alter auch nach einer Prostataoperation wird die Ejakulation der Samen in die Harnröhre, also sozusagen in die falsche Richtung abgeleitet und fließt nicht durch den Penis“, nennt Pfau die Folge dieser Störung, die verhindert, dass sich Kindersegen einstellt. Ebenfalls selten, aber doch klagen Männer über schmerzhafte Samenergüsse. Als Ursachen dafür stellt der Arzt meist Infektionen im Bereich der Samenwege oder Prostata fest. Werden die Krankheiten behandelt, kann der Orgasmus wieder in vollen Zügen genossen werden.

Intimität statt Kraftakt

Ob jung oder alt, ob Opfer organischer oder psychischer Störungen, für Pfau ist die richtige Einstellung zum Sex stets der allererste Lösungsansatz. „Nur vier Prozent aller Liebenden betreiben Sex wegen der Fortpflanzung. Alle anderen Männer sollten sich vom klassischen Schuss als materiellem Beweis der Männlichkeit lösen“, mahnt er und betont, dass Sex vor allem das intime Zusammensein zweier Menschen sei, die sich lieben. „Mann und Frau müssen wegkommen von der technisierten Vorstellung von Sex als Kraftakt, bei dem nur interessiert, wie oft und wie lange. Oft reicht ein einziges Gespräch, um dies klarzumachen, und alles kommt von alleine wieder ins Lot.“

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Feuerwerk im Hirn:
Was beim Orgasmus passiert

Beim sexuellen Höhepunkt wird geschrien, gestöhnt oder sich in krampfartigen Zuckungen gewunden. „Doch der Orgasmus selbst spielt sich rein in unserem Gehirn ab, der Samenerguss ist nur eine unausweichliche Folge davon“, erklärt Sexualmediziner Dr. Georg Pfau. Dieses vielleicht tiefste aller Gefühlserlebnisse hat seinen Ursprung im Limbischen System, jenem Teil des Gehirns, der für Trieb und Emotionen zuständig ist. Es wirkt vor allem im Hypothalamus, einem Teil des Zwischenhirnabschnitts. Dort kommt es durch die sexuelle Erregung zu einem kleinen Feuerwerk der Neuronen (Nervenzellen), die uns durch Ausschüttung zahlloser Botenstoffe wie etwa dem „Glückshormon“ Dopamin ein gewaltiges Hochgefühl verschaffen, das Suchtpotenzial hat. Ist der Orgasmus voll im Gange, schaltet mit dem präfrontalen Cortex jener Teil der Großhirnrinde quasi ab, der für Kontrolle zuständig ist.

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Prostata:
Was die Lustdrüse beisteuert

Sie ist so klein wie eine Kastanie und doch so wichtig, wenn es zur Sache geht: „Die Prostata ist das biologische Lustzentrum der Männer“, sagt Dr. Georg Pfau über die Vorsteherdrüse, die oft auch als männlicher G-Punkt bezeichnet wird. Ihre besondere Aufgabe ist es, einen Teil des Spermas in Form eines Nährstoffcocktails zu produzieren, in dem der Samen lange überleben kann, und das Gemisch durch Muskeldruck hinauszupressen. Diese rhythmischen Kontraktionen bei der Ejakulation steuern einen wesentlichen Teil zur Orgasmusempfindung bei. Pfau: „Mutter Natur belohnt uns für die Fortpflanzung durch die Aktivität der Prostata mit Hormonausschüttung und orgastischen Gefühlen. Nach einer Operation ist ein Höhepunkt aber auch ohne Prostata möglich.“

Stand 10/2014

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