Richtig einkaufen schützt die Umwelt

November 2012 | Leben & Arbeiten

Möglichst viel um möglichst wenig Geld, immer den aktuellen Trends folgen, Kaputtes gleich wegwerfen: Sorgloses Konsumverhalten und exzessive Kauflust gehören zu den größten Klimakillern. 20 Prozent der Weltbevölkerung, zu denen die Bewohner der Industrieländer wie Österreich zählen, verbrauchen 80 Prozent der Ressourcen. Lesen Sie, wie Sie durch richtiges Einkaufen Umwelt und Gesundheit schützen können.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Lebensmittel:
Ver(sch)wendung als Klimakiller

Während in anderen Regionen der Erde Menschen verhungern, gibt es bei uns Nahrung im Überfluss. Insgesamt landet rund ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel im Müll; in Österreich sind es im Jahr zirka 96.000 Tonnen, zum Teil noch originalverpackt. „Rund ein Fünftel der Lebensmittel wird bei uns weggeworfen, weil man keinen Überblick über die Vorräte zuhause hat und deshalb zu viel einkauft“, kritisiert die Ernährungswissenschafterin Mag. Gabriele Wittner von „die umweltberatung“ in Wien. Zudem führen die verlockenden Angebote im Supermarkt dazu, dass wir mehr als nötig einkaufen. Nahrungsmittel landen aber auch dann im Müll, wenn sie sich dem Mindesthaltbarkeitsdatum, fälschlich auch „Ablaufdatum“ genannt, nähern. Damit werden nicht nur wertvolle Ressourcen verschwendet. „Der Weltklimarat hat festgestellt, dass 40 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen durch den Bereich Ernährung verursacht sind“, so die Expertin. Der Bereich umfasst einen Mix aus verschiedenen Faktoren wie ein hoher Fleischkonsum, der Einsatz von chemischen Dünge- und Spritzmitteln, lange Transportwege.
Und noch etwas belastet die Umwelt: „Anstatt das zu essen, was bei uns gerade wächst, haben wir uns daran gewöhnt, das ganze Jahr über mit Obst und Gemüse aus aller Welt versorgt zu werden“, gibt Wittner zu bedenken. „Im August wie im Jänner gibt es Paradeiser, Gurken, Orangen, Melanzani, Melonen.“ Obst und Gemüse kommen dann aus sonnigeren Regionen wie Spanien oder Marokko. „Und speziell in den südlichen Ländern gibt es eine große Wasserknappheit“, sagt Wittner. So ist z. B. das Hinterland des bekannten südspanischen Gemüseanbaugebiets Almeria bereits buchstäblich verwüstet. „Für die Bevölkerung in den trockenen Regionen stellt es ein großes Problem dar, dass mit dem Gemüse gleichsam Wasser exportiert wird. In jeder Tomate steckt viel Wasser, das man für die Bewässerung, den Anbau und in der Verarbeitung braucht.“
Viele unterschätzen nicht nur den Einfluss der Ernährung auf die Umwelt, sondern auch den Beitrag, den jeder einzelne dazu leistet. „Wenn man rechnet, dass wir täglich drei bis fünf Mahlzeiten essen, sind das im Laufe von 80 Jahren 90.000 bis 150.000 Mahlzeiten“, verdeutlicht Wittner. So betrachtet, spielt es eine große Rolle, ob man morgens regelmäßig ein Brot mit Wurst oder einem pflanzlichen Belag wählt. „18 Prozent der Treibhausgase entstehen durch die Fleischproduktion und das Methan der Tiere.“

Textilien:

Chemie, die unter die Haut geht

Bei der Herstellung von Textilien kommen rund 7300 verschiedene Hilfs- und Ausrüstungsmittel zum Einsatz. „Pestizide werden beim Transport verwendet, um keine Milben und Motten mitzuführen“, ergänzt Gabriele Wittner. „In T-Shirts oder Sportbekleidung finden sich immer wieder zinnorganische Verbindungen, die im Verdacht stehen, das Hormonsystem zu beeinflussen.“ Auch sind rund 1500 Farbstoffe erlaubt, wovon man einigen, z. B. den Azofarbstoffen, ein allergieauslösendes Potenzial zuschreibt. Weiters im Einsatz sind Chlor- und Bleichmittel, mit denen z. B. Blue Jeans behandelt werden. Sie gelangen auch ins Abwasser – und belasten damit die Umwelt in den produzierenden, vielfach asiatischen, Ländern. Durch den direkten Kontakt mit den Hilfsmitteln ist zusätzlich die Gesundheit der Arbeiter gefährdet, z. B. der Näherinnen, die den ganzen Tag mit frischen Textilien zu tun haben.
Die Empfehlungen für uns Konsumenten? „Neu gekaufte Kleidung sollte vor dem Tragen gut gewaschen werden, damit mögliche reizende Stoffe nicht auf den Körper übergehen“, betont Wittner. Zu den besonders ökologischen Materialien zählen Biobaumwolle und vor allem Hanf: Während man für die Gewinnung von einem Kilogramm Baumwollfasern zwischen 7000 und 29.000 Liter Wasser benötigt, sind es bei Hanf 1000 Liter. „Trotzdem“, so die Expertin, „ist jene Kleidung am umweltfreundlichsten, die man nicht kauft, sondern wieder verwertet – indem man sie zum Beispiel im Freundeskreis weitergibt.“

Elektronik:
Problematisch von Herstellung bis Entsorgung

Auch bei elektronischen Geräten beginnt die Umweltbelastung schon bei der Gewinnung der Ressourcen. Ein großes Problem ist etwa die explodierende Nachfrage bei Mobiltelefonen. Unverzichtbar in der Handyherstellung ist das Metall Tantal, das aus dem seltenen Erz Coltan gewonnen wird. Dieses kommt vor allem in Zentralafrika, z. B. im Kongo, vor. „Hier gibt es seit vielen Jahren politische und wirtschaftliche Unruhen“, berichtet Assoz. Prof. DI Dr. Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie mit Schwerpunkt Umweltmedizin am Institut für Umwelthygiene der Universität Wien. „Um an das Metall zu kommen müssen sich Firmen mit den Warlords auseinandersetzen – und unterstützen damit die korrupte Politik in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land.“ Damit nicht genug: Die Arbeit in den (Erz)­Bergwerken gilt als einer der gefährlichsten Berufe überhaupt. „Neben den vielen Sicherheitsrisiken wie etwa Wassereintritt oder Gasexplosionen herrschen im Bergwerk extrem ungesunde Arbeitsbedingungen, was Luft oder Temperatur angeht“, sagt Hutter.
In der Produktion von elektronischen Geräten wiederum werden verschiedene Chemikalien wie Flammschutzmittel verwendet, die das Nervensystem schädigen können und von denen manche möglicherweise krebserregend sind.
Trotzdem überschwemmen immer neue Produkte den Markt. Geräte, die nicht mehr den neuesten Standards entsprechen, werden schnell gegen neue ausgetauscht. „Während bei uns Elektronikschrott unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen sachgemäß entsorgt wird, ist dies in Entwicklungsländern nicht der Fall“, weiß Hutter. Sehr gefährlich wird es, wenn dort zum Beispiel Kinder den Müll anzünden, um an die Metalle in den Kabeln zu kommen. So gelangen verschiedene giftige Stoffe in die Luft – angefangen bei Dioxinen bis hin zu Schwermetallen.“ Werden die Schadstoffe eingeatmet, können Lunge und Atemwege akut geschädigt werden; viele der Schadstoffe sind außerdem krebserregend.

Spielsachen:
Gefährliche Schadstoffe im Kinderzimmer

Bausteine aus unbehandeltem Holz versus Kunststoffpuppen: Ob die Spielsachen klimafreundlich und gesund sind, beginnt bei der Auswahl des Materials. Weil die Gefahr besteht, dass sich z. B. beim In-den-Mund-Stecken Chemikalien herauslösen, sollten Spielsachen möglichst frei von Zusatzstoffen sein. Bestimmte Weichmacher, eine Reihe von Phtalatverbindungen, sind in der EU im Spielzeug für Kinder unter drei Jahren  verboten. „Es lässt sich aber nicht sicher ausschließen, dass aus anderen Ländern Spielsachen, die diese und andere Chemikalien enthalten, nach Europa und in unsere Kinderzimmer gelangen“, warnt Hutter. Phtalate haben eine hormonartige Wirkung mit negativen Folgen für die Fortpflanzungsorgane. Außerdem wurden Effekte auf die Lungenfunktion nachgewiesen. Einige sind möglicherweise krebserregend – das birgt Gefahren, nicht nur für die kleinen Konsumenten, sondern bereits für die Menschen in der Herstellung.
Der Gesundheit zuliebe sollte man außerdem die Ansprüche an das Produkt zurückschrauben: „Je mehr Eigenschaften es haben soll – ob es nun sehr elastisch, ultra-bunt, UV-resistent sein soll –, desto mehr auch teils gesundheitsbedenkliche Zusatzstoffe müssen eingesetzt werden“, gibt Hutter zu bedenken.

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Problematische Draufgabe:

Jede Menge Verpackung

„Bei Lebensmitteln verhindert die Verpackung die Übertragung von Krankheitserregern, bei anderen Konsumprodukten wird die Sauberkeit eines Produkts gewährleistet“, erklärt der Wiener Umweltmediziner Assoz. Prof. DI Dr. Hans-Peter Hutter. Problematisch wird es, wenn – wie so oft – das Verpackungsmaterial überhandnimmt und das Produkt selbst nur einen Bruchteil davon ausmacht. „Zahnpasta war früher mindestens dreimal eingepackt: in eine Tube, die in einer Schachtel steckte, über die noch Zellophan gespannt war. Heute braucht es oft nur die Tube mit einer kleinen Folie unter dem Schraubverschluss“, gibt Hutter ein positives Beispiel. Andere Produkte haben noch großes Einsparpotenzial, z. B. kleine Datensticks, die großzügig in Hartplastik eingeschweißt werden. „Kunststoffe ordentlich zu entsorgen ist nicht so einfach, weil die verschiedenen Arten zu trennen sind“, so der Experte. „Werden sie verbrannt, muss dies unter entsprechenden Temperaturen stattfinden, damit nicht weitere Schadstoffe entstehen und in die Atemluft gelangen.“

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Nachhaltiger Konsum:
Regional, saisonal, fair

„Beim Einkauf sollte man lokale Produkte bevorzugen und selbstverständlich solche, die fair und ökologisch hergestellt werden“, betont der Umweltmediziner Assoz. Prof. DI Dr. Hans-Peter Hutter. „Lebensmittel, Textilien, Spielzeug, Möbel mit Gütesiegel sind gut für die eigene Gesundheit, für die Menschen, die sie hergestellt haben, und meist auch weniger problematisch bei der Entsorgung. In Zukunft wird es auch Gütesiegel für elektronische Geräte geben müssen, die eine Herstellung unter sozialen Bedingungen und eine ordnungsgemäße Entsorgung gewährleisten.“
Das Klima schont, wer bewusst konsumiert, anstatt drauflos zu shoppen: Brauche ich wirklich ein neues Produkt? Lässt sich das kaputte noch reparieren? Bekomme ich das Produkt gebraucht? In unserer Wegwerfgesellschaft ist Reparieren allerdings oft so teuer, dass man den Eindruck hat, dass es sich nicht „auszahlt“. „Das, was neu produziert wird, wird dort hergestellt, wo die Lohnkosten sehr niedrig sind und Umweltauflagen praktisch nicht existieren“, erklärt Hutter den Hintergrund. Das merkt man z. B.  dann, wenn der Austausch einer Sohle beim heimischen Schuster genauso viel kostet wie die Billigschuhe selbst.

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