Liebe im digitalen Zeitalter

Januar 2023 | Partnerschaft & Sexualität

Der Valentinstag, das Fest der Liebenden, wirft oft auch folgende Frage auf: Wie findet man einen Partner und wie punktet man beim ersten Aufeinandertreffen?

– Von Mag. Sylvia Neubauer

Der Gedanke, fremde Menschen kennenzulernen, verursacht bei vielen Herzklopfen – die erste Verabredung ebenfalls. Ein allseits bekanntes Sprichwort besagt: Jeder Topf findet seinen passenden Deckel. Was schön klingt, kann ziemlich frustrierend sein – speziell für Singles, die schon längere Zeit erfolglos Ausschau nach dem oder der „Richtigen“ halten.

Theoretisch wartet die große Liebe überall: in der Straßenbahn, in der Schlange vor der Supermarkt-Kassa oder im Büro. In der Praxis versuchen immer mehr Menschen, den Traumpartner per Mausklick zu finden: Galt die Partner­suche im Internet noch vor wenigen Jahren als letzter Ausweg für Schüchterne, so ist sie heute zum Mainstream geworden: Bereits jeder Vierte versucht in den virtuellen Welten fündig zu werden. Warum eigentlich?

„Ich denke, dass es vielen einfacher erscheint, quasi im Jogginganzug auf der Couch sitzend, ein Profilbild auf eine Dating-Plattform hochzuladen und mit anderen zu chatten“, findet Susi Bartmann, „Wahre Liebe“-Coach, einen Erklärungsansatz: „Man muss so gar nicht außer Haus gehen und sich überwinden, jemanden anzusprechen.“  Es besteht zudem die Möglichkeit, Informationen über den potenziellen Partner einzuholen und so die Kompatibilität auszutesten, noch bevor es überhaupt zum ersten Rendezvous kommt. Mög­licher Haken an der Sache: „Durch Tinder & Co haben viele das Kennenlernen im realen Leben verlernt und nehmen gar nicht wahr, was um sie herum im Alltag passiert“, so Bartmann.

Top oder Flop?
Die Tücken des Internets

Die Anonymität hinter dem Computer hat auch ihre Schattenseiten: Eine Garantie für die Echtheit der Profile gibt es nämlich keine. Insbesondere auf kostenfrei zugänglichen Onlinedating-Plattformen tummeln sich häufig sogenannte „Catfisher“ – also Personen, die sich als jemand an­deres ausgeben: entweder als eine reale Person oder als frei erfundener Mensch. „Der Kontakt mit diesen Personen erfolgt ausschließlich über Text und Foto, eventuell auch über Sprachnachrichten, es kommt allerdings nie zu einem direkten Treffen“, erklärt Bartmann.
Überhaupt bietet das Internet viel Raum für Illusionen – nicht selten verlieben sich Menschen auf der Suche nach der großen Liebe in die Projektion eines Trugbildes. Nicht weiter verwunderlich, zumal das menschliche Warnsystem nun einmal am besten im direkten Augenkontakt und der Anwesenheit des Gegenübers funktioniert. Mut zum Vertrauen haben, ohne leichtsinnig zu werden, lautet die Devise, welche gut durch den virtuellen Dating-Dschungel leitet.

Wie sieht der entsprechende Fahrplan aus?

Seriöse Partnerschaftsvermittlung: An dieser Stelle lässt sich bereits ein großer Teil der Spreu vom Weizen trennen – speziell auch, was das Thema Datenschutz anbelangt. Wichtig ist es, auf Seriosität zu achten und einen Blick auf die Datenschutzbestimmungen des Anbieters zu werfen. Ein Zusatztipp von Beziehungsexpertin Englisch: „Datensicherheit kann man auf Dating-Plattformen sehr leicht selbst erzeugen, indem man eine E-Mail-Adresse nur für die Plattform erstellt. Somit bleibt man solange komplett anonym, bis man etwas per Kreditkarte bezahlt.“ Die eigenen Motive spielen bei der Wahl der Dating-Plattform natürlich auch eine Rolle: Möchte man die große Liebe finden oder ist man nur so zum Spaß unterwegs? Zahlungspflichtige Partnerbörsen wenden ausgeklügelte Algorithmen an, die quasi eine „Vorauswahl“ in der Partnersuche treffen.

– Kein Zwang: Dating-Dienste suggerieren, dass man sich den oder die Richtige mit genügend Nachdruck und Einsatz mit Sicherheit angeln werde. Der so erzeugte Druck geht oft zu­lasten der Leichtigkeit. Als Grundhaltung empfiehlt es sich, mehr spaß- denn zielorientiert an die Sache heranzugehen.

– Neugierig und offen bleiben: Das Angebot, Hunderte möglicher Partner miteinander zu vergleichen, kann zu einer Art „Shopping-Mentalität“ führen, die in wertendem, voreingenommenem und wählerischem Verhalten mündet. Wer allzu fixe Vorstellungen von seinem „Idealpartner“ entwickelt, wer Menschen stets auf mögliche Vorzüge und Makel ­abcheckt, schafft sich unweigerlich Barrieren: „Wer das Bild vom Idealpartner nicht gehen lassen will, behindert sich oft durch eine unbewusste Bindungsangst selbst“, gibt Englisch zu bedenken. Man verhindere damit, das Gegenüber in der ganzen Schönheit zu sehen. Die Kommunikations- und Beziehungsexpertin empfiehlt, „den Blick auf sich selbst zu richten und in völliger Ehrlichkeit zu überlegen, wo man bedürftig ist, man sich selbst nicht gestattet, sich voll und ganz zu lieben – sprich weg vom Ego, hin zum Herzen zu gehen.“

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Die erste Begegnung

Liebe lässt sich nicht krampfhaft finden, man kann sie nur spüren: De facto lässt sich ausschließlich bei einem realen Treffen herausfinden, ob die Chemie zwischen zwei Menschen stimmt:

– Ein Stück weit von der Vergangenheit lösen: Bei vielen Menschen haben vergangene Beziehungen Narben hinterlassen. Wenn Wunden noch nicht verheilt sind, fällt es schwerer, sich auf neue Beziehungen einzulassen. „Wir stellen uns oft vor, dass wir uns von unerwünschten Mustern für immer trennen würden, aber das entspricht nicht der Realität“, weiß Tina Englisch. Das Ziel sei weniger, sich von etwas „zu entfernen“, als in Frieden damit sein zu können und Wahlmöglichkeiten zu haben. „Sobald ich Optionen zur Verfügung habe, kann ich mich urteils- und angstfrei ganz auf eine neue Partnerschaft einlassen“, sagt die Expertin und listet die in diesem Kontext magischen drei Worte auf: einlassen – urteilsfrei – angstfrei.

– Charismatisch sein:  Wer sich mitsamt seiner Stärken und Schwächen annehmen kann, strahlt diese Selbstzufriedenheit auch nach außen aus. Es kann hilfreich sein, sich zu fragen: „Liebe ich, wer ich bin, handle ich nach meinem Herzen, lebe ich meine Bestimmung?“, empfiehlt Englisch, in sich hineinzuspüren: „Wer den Weg des Herzens geht, macht sich unabhängig von der Aufmerksamkeit anderer Menschen, denn er findet sie immer wieder im eigenen Handeln und Sein.“

– Gelassenheit durch Mentaltraining: Was sich wie eine Plattitüde anhört, wirkt tatsächlich: Vor der ersten Begegnung einfach einmal tief ein- und ausatmen. Bei Anspannung neigt man nämlich dazu, den Atem anzuhalten, was die Nervosität physiologisch verstärkt. Ein guter Tipp kann es auch sein, sich mental Personen in den Geist zu rufen, in deren Gegenwart man sich sicher fühlt. „Das kann beispielsweise die beste Freundin oder der Vater oder wer auch immer sein“, ermutigt Coach Susi Bartmann, sich vorzustellen: „dieser Jemand steht jetzt imaginär neben mir und stärkt mich.“

– Authentisch bleiben: Jeder möchte seine beste Seite zur Schau stellen. Der falsche Ansatz wäre es jedoch, sich den Kopf darüber zu zermartern, wie man den vermeintlichen Erwartungen des neuen Kontakts zur Gänze gerecht wird – ein Schuss nach hinten. Große Wirkung mit wenig Aufwand lässt sich mit Natürlichkeit erzielen: „Stellen Sie Fragen und lassen Sie sich ganz auf Ihr Gegenüber ein“, rät Bartmann.

– Aktivitäten setzen: Fast 70 Prozent aller ­Dates finden ihren Anfang in Kaffeehäusern, Restaurants oder Bars. Laut US-Studien besteht bei Menschen, die Aufregendes miteinander erleben, eine größere Chance, sich zu verlieben – gemeinsame Adrenalinschübe wirken bindungsfördernd. Zum Fallschirmspringen muss sich den­noch niemand verabreden. Ein Besuch im Klettergarten, eine Runde Billiard oder einfach ein Picknick im Grünen tun es auch.

– Der Liebe Zeit geben: Manche Menschen erwarten, beim ersten Date gleich eine fertige Partnerschaft vorzufinden – so wie ein Fertighaus. Eine Beziehung benötigt jedoch Zeit und Raum, um sich voll entfalten zu können. Bis ­dahin sollte man sich in lockerer Atmosphäre Schritt für Schritt kennenlernen und „einfach eine ,Gaudi‘ haben“, so Susi Bartmann.

©iStock/FilippoBacci

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