Weisheitszähne

April 2010 | Medizin & Trends

Gebiss in Bedrängnis
 
Weisheitszähne machen oft Probleme. Entweder finden sie keinen Platz, um durchzubrechen, legen sich quer, entzünden sich. Oder sie brechen durch, beschädigen Nachbarzähne und bringen das ganze Gebiss durcheinander.
Lesen Sie, warum uns die Zähne auf den hinteren Plätzen quälen und wann man sie am besten entfernen lassen sollte.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

32 Zähne haben wir Menschen. Vier davon befinden sich ganz hinten, oben und unten, links und rechts: Die sogenannten Weisheitszähne, die deswegen so heißen, weil sie mit zehn und mehr Jahren Verspätung gegenüber den anderen zweiten Zähnen in „weiseren“ Jahren durch das Zahnfleisch brechen – meist zwischen dem 16. und 25. Lebensjahr. Das habe in Wahrheit aber nichts mit der geistigen Entwicklung zu tun, sagt Univ. Prof. Dr. Adriano Crismani, Direktor der Universitätsklinik für Kieferorthopädie in Innsbruck, schmunzelnd, sondern mit dem Wachstum des Kiefers. „Der Kiefer muss ausgewachsen sein, damit die Weisheitszähne genug Platz finden, um aus dem Zahnfleisch herauszubrechen.“

Im Idealfall brechen die Weisheitszähne durch, ohne Probleme zu bereiten. Crismani: „Dieser Idealfall kommt aber nur bei etwa der Hälfte der Menschen vor.“ Die andere Hälfte hat mit den Störenfrieden auf den hinteren Plätzen zu kämpfen: Entweder die Zähne legen sich quer, weil sie keinen Platz finden, um durchzubrechen, oder sie wachsen schräg heraus. Nicht selten beschädigen die schräg oder nicht durchgebrochenen Weisheitszähne die Nachbarzähne oder schieben diese während des Durchbruchs nach vorne und bringen das ganze Gebiss durcheinander. Oder die Weisheitszähne werden wegen der schlechten Erreichbarkeit nur mangelhaft gepflegt und rasch kariös.

Vorbeugend entfernen?

Aus diesem Grund überlegen Wissenschafter seit langem, ob es nicht sinnvoll wäre, die Weisheitszähne vorbeugend zu entfernen – und zwar zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr, weil in diesem Alter das Wurzelwachstum noch nicht abgeschlossen ist und daher das Entfernen leichter fällt. Doch Studien, die sich mit dieser Frage beschäftigten, brachten kein eindeutiges und allgemeingültiges Ergebnis. „Meiner Meinung nach ist es nicht sinnvoll, einen Weisheitszahn vorbeugend zu entfernen, wenn es keinen medizinischen Grund dafür gibt“, sagt Crismani. Denn Weisheitszähne können uns mitunter auch gute Dienste leisten – etwa, indem sie durch eine festsitzende Zahnspange nach vorne bewegt werden und so eine Zahnlücke schließen. Oder man transplantiert sie an andere Stellen im Kiefer, wo sie Mahlzähne ersetzen, die gezogen werden mussten oder durch einen Unfall verloren gingen – ein Eingriff, der wie der kieferorthopädische Lückenschluss eine Alternative zu Brücken und Implantaten ist. Crismani: „Nur wenn aufgrund der Ergebnisse von zahnmedizinischen Untersuchungen absehbar ist, dass ein Weisheitszahn Probleme bereiten wird, weil zum Beispiel Raummangel vorliegt oder ein gerader Durchbruch nicht zu erwarten ist, soll er entfernt werden.“

Wie die Entfernung vor sich geht? Crismani: „Im Idealfall werden Weisheitszähne, wie andere zu entfernende Zähne auch, bei lokaler Betäubung  mitsamt ihrer Wurzeln in einem Stück oder in mehreren Stücken vom Zahnarzt gezogen oder aus dem Kieferknochen herausgehebelt.“ Nach der Entfernung können Schwellungen, Schmerzen und Blutungen auftreten, die aber meist nach einigen Tagen vergehen (siehe unten).

Häufige Komplikation

Zum Fall für den Kieferchirurgen wird die Entfernung von Weisheitszähnen, wenn dabei Komplikationen drohen. Univ. Prof. Dr. Dr. Michael Rasse, Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie: „Oft ist dann eine Operation unter Vollnarkose nötig, die einen stationären Krankenhausaufenthalt nach sich zieht.“ Rasse über die am häufigsten auftretende Komplikation: „Die Zahnkrone ist bis zum Durchbruch von einem Säckchen umgeben, und bei Fehllagen entwickelt sich daraus oft eine Zyste, in der der Zahn liegt.“ Der Hohlraum der Zyste schwäche wiederum den Knochen, und deswegen komme es nicht selten bei der Weisheitszahnentfernung oder später beim Kauen zu Kieferbrüchen. „Dann werden die Bruchstellen mit Metallplättchen fixiert, bis der Knochen wieder zusammengewachsen ist.“

„Hat sich rund um einen Weisheitszahn eine Entzündung gebildet, besteht die Gefahr, dass in weiterer Folge ein Abszess entsteht, oder dass sich die Entzündung auf den Kieferknochen ausweitet“, nennt Rasse eine weitere häufige Komplikation bei der Entfernung. Im Abszessfall müsse der Eiter über einen Schnitt und eine Drainage nach außen und unten abgleitet werden, eine Infektion im Knochen wird mit hohen Dosen Antibiotika bekämpft.

Auch wenn die Nerven, die für das Gefühl der Zunge und der Unterlippe zuständig sind, nahe an den Wurzeln des unteren Weisheitszahnes verlaufen, müsse mit besonderer Vorsicht gearbeitet werden, so Rasse. „Wenn diese Nerven beschädigt werden, kann es manchmal dazu kommen, dass entweder die Unterlippe oder die Zunge bis zu einem Jahr oder auch dauerhaft gefühllos bleiben.“ Dann kann den Betroffenen nur noch eine aufwändige Transplantation den Gefühls- und Geschmackssinn zurückbringen: Dabei werden Nervenstücke von der Außenkante des Fußes oder vom Hals in den Kiefer transplantiert. Was bei der Entfernung der Weisheitszähne aus dem Oberkiefer mitunter vorkommt: Die Kieferhöhle wird versehentlich eröffnet – und muss in einer längeren Operation wieder verschlossen werden.

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Warum wir Weisheitszähne bekommen

„In Zeiten, in denen sich die Menschen noch vorwiegend von Rohkost ernährt haben, haben sie mehr Zähne für das Zermalmen gebraucht und hatten größere Kiefer“, sagt Univ. Prof. Dr. Adriano Crismani. „Der Kiefer ist mit dem Wechsel zu mehr gekochtem, weicherem Essen kleiner geworden, die Anzahl der Zähne mit 32 aber gleich geblieben.“ Wegen des Platzmangels im Kiefer warten die Weisheitszähne und brechen entweder gar nicht oder später durch.

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Wenn die Weisheitszähne weg sind

Nach der Entfernung eines Weisheitszahns ist es normal,
* dass man über einige Tage Schmerzen hat – die durch Schmerzmittel unterdrückt oder zumindest gelindert werden können.
* dass die Wange an der entsprechenden Seite stark anschwillt und die Schwellung über einige Tage lang bestehen bleibt – wobei kühlende Auflagen lindernd wirken.
* dass es zu leichten Blutungen kommt, bis sich die Wunde geschlossen hat, was bis zu einer Woche dauern kann – eine komplikationslose Wundheilung kann durch die Anwendung desinfizierender Mundspüllösungen gefördert werden.
Bleiben die Schmerzen, Schwellungen und Blutungen nach der Entfernung eines Weisheitszahns länger als drei Tage bestehen, muss der behandelnde Zahnarzt aufgesucht werden.

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Aus Weisheitszähnen Zähne klonen?

Wissenschaftler in aller Welt bemühen sich um die Wahrwerdung des Traums vom dritten – nahezu – natürlichen Gebiss. Während es Forschern in Japan und in Deutschland bereits gelungen ist, aus Stammzellen in Weisheitszähnen Stammzellen zu züchten, die für den Aufbau von Knochen verwendet werden könnten, arbeiten andere daran, aus bestimmten Stammzellen in Weisheitszähnen Zellen zu züchten, aus denen Zähne geklont, also Kopien der eigenen Zähne künstlich hergestellt werden könnten.

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