Ein aus Stammzellen gezüchtetes „Herzpflaster“ könnte Menschen mit schwerer Herzschwäche helfen. Eine im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie unter Leitung der Uniklinik Göttingen liefert erstmals Hinweise auf die Wirksamkeit dieser Therapie am Menschen. Laut den Forschenden kämen in Deutschland etwa 200.000 Betroffene für das Verfahren infrage. Bei einer Herzinsuffizienz nimmt die Pumpkraft des Herzens schrittweise ab, meist als Folge von Erkrankungen wie koronarer Herzkrankheit, Bluthochdruck oder Herzmuskelentzündungen. Bisher werden Medikamente, Bewegung und eine gesunde Ernährung empfohlen.
Im Labor gezüchtetes Herzmuskelgewebe
Das Team um Wolfram-Hubertus Zimmermann von der Uniklinik Göttingen verfolgt nun einen neuen Ansatz: Körperzellen werden im Labor in einen Stammzellzustand versetzt und anschließend zu Herzmuskelgewebe weiterentwickelt. Diese sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) ermöglichen die Züchtung eines „Herzpflasters“, das aus Herzmuskel- und Bindegewebszellen besteht. Die Herstellung dauert etwa drei Monate, und das rund 100 Quadratzentimeter große Implantat wird direkt auf den geschwächten Herzmuskel aufgebracht, um dessen Pumpleistung zu verbessern.
Erste Tests zeigen Erfolg
Vor der Anwendung am Menschen wurde das Verfahren an Ratten und Rhesusaffen erprobt. Die Implantate mit bis zu 200 Millionen Herzzellen verbesserten die Herzfunktion über drei bis sechs Monate hinweg. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse erhielt das Team vom Paul-Ehrlich-Institut die Genehmigung für eine erste klinische Studie.
Verbesserung der Herzfunktion bei Patientin
In Nature beschreibt das Team die Behandlung einer 46-jährigen Patientin mit schwerer Herzinsuffizienz, die 2016 einen Herzinfarkt erlitten hatte. Im Sommer 2021 wurde ihr ein Herzpflaster mit 400 Millionen Herzzellen implantiert. Drei Monate später stieg die Pumpleistung der linken Herzkammer von 35 auf 39 Prozent. Bei einer anschließenden Herztransplantation konnte das entfernte Herz samt Implantat genau analysiert werden. Die Forschenden sehen darin einen ersten Beweis, dass Herzmuskelreparatur durch Gewebewiederaufbau auch beim Menschen funktioniert. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde die Dosis pro Pflaster auf 800 Millionen Herzzellen erhöht.
Potenzial für viele Betroffene
Etwa jeder zehnte Mensch mit Herzinsuffizienz könnte von der Therapie profitieren. Derzeit laufen Vorbereitungen für eine Zulassungsstudie, die möglicherweise 2026 startet. Zudem beantragen die Forschenden eine Ausnahmegenehmigung, um weitere Patientinnen und Patienten bereits vor der offiziellen Zulassung behandeln zu können. Die Methode könnte langfristig auch bei anderen Erkrankungen wie Parkinson, Typ-1-Diabetes oder Netzhauterkrankungen zum Einsatz kommen.
Ausweitung der klinischen Studien
Mittlerweile wurde die klinische Studie erweitert: Bereits 15 Patientinnen und Patienten haben das Implantat erhalten, insgesamt sollen es 53 werden. Erste klinische Daten werden Ende 2025 erwartet. Das Pflaster soll vor allem die Wartezeit bis zu einer Herztransplantation überbrücken, könnte aber auch eine dauerhafte Lösung sein. Zwar müssen die Behandelten lebenslang Immunsuppressiva einnehmen, doch bislang gibt es keine Hinweise auf schwerwiegende Nebenwirkungen oder ein erhöhtes Tumorrisiko. Da die für die iPS-Zellen genutzten Körperzellen nicht von den Patientinnen und Patienten selbst stammen, bleibt das Verfahren praktikabel. Versuche mit Affen zeigten, dass selbst patienteneigene Zellen zu Abstoßungsreaktionen führen könnten. Die Forschenden sehen in der Methode eine vielversprechende Alternative für schwerkranke Patientinnen und Patienten, für die bisher nur begrenzte Therapieoptionen existieren.
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