Mach was, Mann!

November 2023 | Medizin & Trends

Männer sehen oft keinen Sinn darin, zum Arzt zu gehen – erst recht nicht, wenn ihnen gar nichts weh tut. Liebe Vorsorgemuffel: Gebt euch doch einen Ruck und holt euch das „Pickerl“ – der Körper wird es euch danken!

Mag.a Sylvia Neubauer

Männer sind Pragmatiker: Wenn etwas kaputtgeht, kann es immer noch repariert werden, lautet die Devise. Was die defekte Waschmaschine im Keller anbelangt, mag das richtig sein. Beim eigenen Körper sieht die Sache schon ein wenig anders aus. Treten Beschwerden auf, ist bereits wertvolle Zeit vergangen – bei vielen Erkrankungen sind die Heilungschancen dann schlechter. Besser ist es, sich vorbeugend auf Herz und Nieren prüfen zu lassen – wortwörtlich. „Eine positive Einstellung und das Wahrnehmen jährlicher Vorsorgeuntersuchungen helfen dabei, den Körper gesund zu erhalten“, sagt Dr.in Catharine Duba, Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Urologie und Andrologie im Trinicum Zentrum für integrative Medizin und Schmerztherapie. Worauf gilt es bei der „Wartung“ des Organismus zu achten?

Fokus Stoffwechsel

Der Bierbauch – er wird gerne verharmlost. Dabei hat er es ganz schön in sich, und das im wahrsten Sinne des Wortes: Gefährlich am großen Bäuchlein ist nämlich sein Innenleben, das viszerale Fett. Es lagert sich zwischen und an den Organen an und sendet Entzündungsbotenstoffe aus, welche die Blutgefäße schädigen können. Das heißt: Je mehr Fett sich im Bereich des Bauches befindet, desto größer ist auch das Risiko, dass Betroffene Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes entwickeln. Tückisch ist, dass die Stoffwechselerkrankung über Jahre unbemerkt bleiben kann – ein Typ-2-Diabetes entsteht meist schleichend und ohne auffällige Symptome. Der Haken an der Sache: Unser Körper verfügt über eine Art „Zuckergedächtnis“ – er merkt sich jede Überzuckerung und präsentiert uns auf lange Sicht die Folgen in Form von Durchblutungsstörungen bis hin zum Herzinfarkt.

Doch nicht nur Diabetes, sondern auch seine Vorstufe können zum Problem werden: „Ein Prädiabetes hat die Tendenz, einen Diabetes Typ 2 auszubilden und kann bereits mit verschiedenen Stoffwechselstörungen oder mikro- und makrovaskulären Erkrankungen einhergehen – sprich mit Beschwerden, die durch eine Fehlfunktion der Blutgefäße hervorgerufen werden“, nennt die Allgemeinmedizinerin die Gefahr dabei. Im Vergleich zu Zuckerstoffwechselgesunden ist das Risiko, Gefäß-, Nerven- und Augenerkrankungen zu erleiden, also bereits bei Prädiabetes erhöht.

Vorsorge-Tipp: Entscheidend ist es, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen: „Wichtig sind ein individueller Ernährungs- und Trainingsplan und die Inanspruchnahme der jährlichen Vorsorge-Checks“, rät Duba, die kostenlose Gesundenuntersuchung einmal pro Jahr in Anspruch zu nehmen. Sie ist allen Menschen ab dem 18. Lebensjahr möglich und beinhaltet eine Untersuchung des Bewegungsapparates, des Nervensystems und der Sinnesorgane sowie eine Blutdruckmessung. Ebenfalls am Programm steht ein Bluttest, bei dem neben dem Nüchtern- auch der Langzeitzuckerwert (HbA1c-Wert) kontrolliert wird – er gibt Auskunft über die Blutzuckereinstellung der letzten Wochen.

Fokus Herz und Kreislauf

Es schlägt 100.000-mal am Tag und mehr als 36 Millionen Mal im Jahr: das Herz ist wahrlich ein starkes Organ. Und doch hat es so seine Schwachstellen. Auf Dauer ist es vor allem Bluthochdruck, der unser Herz erschöpfen lässt. Wegen der chronischen Druckbelastung kommt zu einer Verdickung des Herzmuskels – das Herz verliert dadurch an Leistungskraft. Erhöhte Blutdruckwerte sind längst keine Altherrenproblematik mehr – auch Jugendliche können darunter leiden. Einer Studie der MedUni Wien zufolge treten in der Pubertät immer öfter gesundheitlich bedenkliche Werte auf: Burschen sind dabei drei- bis viermal häufiger betroffen als Mädchen. Fakt ist: Bereits rund 20 Prozent der männlichen Jugendlichen haben Bluthochdruck.

Vorsorge-Tipp: Was kann man tun, damit das Herz nicht aus dem Takt gerät? „Neben einem guten Stressmanagement ist es wichtig, dass man generell auf das Rauchen verzichtet und seinen Blutdruck und seine Blutfettwerte regelmäßig kontrollieren lässt“, sagt die Medizinerin. Gemessen werden das Gesamt-Cholesterin, LDL- und HDL-Cholesterin sowie Triglyzeride. Die Überprüfung dieser Werte ist ebenfalls im „Jahresservice“ inkludiert – der Gesundheits-Check kann wahlweise bei Hausärzt*innen oder in einem Gesundheitszentrum durchgeführt werden. Bei ansonsten gesunden Menschen ist oft schon eine Lebensstiländerung mit fettarmer Kost, weniger Fleisch, kaum Softgetränken und mehr Sport ausreichend, um die Blutfett- und Leberwerte zurück in den Normbereich zu bringen – und somit Herz und Darm zu entlasten.

Fokus Haut

Unsere Haut besteht aus bis zu 110 Milliarden Hautzellen. Durchschnittlich trägt jede*r Erwachsene zwei Quadratmeter Haut am Körper – eine enorme Fläche, die entsprechenden Schutzes bedarf.

Vorsorge-Tipp: Neben einem sorgsamen Umgang mit der Sonne sind regelmäßige Selbstkontrollen unerlässlich: Hautkrebs und seine Vorstufen sind meist sicht- und tastbar. Muttermale, die sich in Größe, Form oder Farbe verändern oder gar jucken oder zu bluten beginnen, sollten von einem Dermatologen, einer Dermatologin begutachtet werden. Generell sollte alle zwei Jahre ein Hautkrebsscreening erfolgen – bei Risikopatient*innen (z.B. bei hellen Hauttypen oder bei Menschen mit vielen Muttermalen) in kürzeren Abständen.

Fokus Geschlechtsorgane

Die männlichen Geschlechtsorgane sind Superhelden – ohne sie gäbe es uns alle nicht. Um diesen Heroen im Becken feierlich zu huldigen, wären tägliche Lobeshymnen angebracht. In Wahrheit ist aber oft das Gegenteil der Fall: Hoden, Prostata und ihre ortsansässige Kollegenschaft werden einfach ignoriert – zumindest, solange sie keine merkbaren Beschwerden verursachen. Ist dies der Fall, sollte unbedingt ein Facharzt, eine Fachärztin zurate gezogen werden – insbesondere dann, wenn Schmerzen im Genital- oder Leistenbereich oder im unteren Rückenbereich auftreten oder bei sichtbarem Blut im Urin.

„Die Diagnose Prostatakrebs ist für Betroffene und für ihr soziales Umfeld einschneidend. Mit einem Schlag ändern sich ihre Lebensrealitäten. Was es dann braucht, sind fundierte Informationen, Aufklärung und Austausch mit anderen Betroffenen. Digitale Gesundheitsapps können einen wesentlichen Beitrag zur Wissensvermittlung, zur Erleichterung im Alltag und – das Wichtigste – zu einer guten Lebensqualität leisten“, wie Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Mitterhauser, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts Applied Diagnostics, erklärt.

Vorsorge-Tipp: Jeder Mann sollte es sich zudem zur Routine machen, beide Hoden in regelmäßigen Abständen auf Veränderungen abzutasten: Sind tastbare Verhärtungen im Hoden vorhanden? Treten in diesem Bereich Schwellungen auf? Sind ein Ziehen, ein Schweregefühl oder gar Schmerzen in Hoden oder Leiste spürbar? Alarmsignale wie diese sollten unbedingt ärztlich abgeklärt werden. Daneben ist jedem Mann ab dem 45. Lebensjahr eine urologische Vorsorgeuntersuchung empfohlen (siehe Interview). Fast alle männlichen Weißkittel-Skeptiker, die erstmalig in einer urologischen Praxis vorstellig werden, erleben einen Aha-Moment: Das ist ja gar nicht so arg wie befürchtet! Und so ist es auch: Das Schlimmste am Arztbesuch ist die Überwindung, dorthin zu gehen. Alles, was darauf folgt, fällt unter die Kategorie: völlig harmlos.

Fokus Darm

Wir alle müssen auf die Toilette. Da aber kaum jemand darüber spricht, wissen die wenigsten, was eigentlich normal ist. Ist der Stuhl braun und wurstförmig und kann er gut abgesetzt werden? Herzlichen Glückwunsch, das ist schon einmal ein gutes Zeichen! Anders sieht die Sache aus, wenn Blut im Stuhl vorhanden ist. „Es gibt unzählige Gründe für Blut im Stuhl“, sagt Duba und nennt einen der häufigsten Auslöser: Hämorrhoiden. Bei Hämorrhoiden handelt es sich um drei Gefäßpolster, die unter der Schleimhaut des Enddarms liegen. Gemeinsam mit den Schließmuskeln dichten sie den After wie ein Ventil ab und sorgen so dafür, dass sich die Darmentleerung jederzeit gut kontrollieren lässt. Heißt also: Jede*r hat Hämorrhoiden. Zur Krankheit werden sie erst durch eine Vergrößerung oder ein Tiefertreten. Leichte Symptome lassen sich meist durch Stuhlregulierung über die reichliche Zufuhr von Flüssigkeit und Ballaststoffen und Bewegung lindern. Mit Zink, Panthenol, Hamamelis oder Aloe Vera angereicherte Cremes und Salben wirken einer Entzündung am After entgegen.

Blutspuren auf dem Toilettenpapier können aber auch andere Ursachen haben: „Auch Blutverdünner können zu Blutungen im Magen-Darm-Bereich führen“, weiß die Allgemeinmedizinerin: „Zudem ist Blut im Stuhl ein klinisches Alarmzeichen für Darmkrebs oder dessen Vorstufen, die Polypen. Wurde Blut mittels Stuhltest nachgewiesen, wird zur weiteren Abklärung eine Darmspiegelung angeraten“, so Duba. Blut ist mit bloßem Auge oft nicht sichtbar. Über eine Koloskopie kann auch verborgenes – sogenanntes „okkultes“ Blut – nachgewiesen werden.

Vorsorge-Tipp: Apropos Darmspiegelung: Ab dem 50. Lebensjahr ist allen Menschen eine Darmspiegelung angeraten. Das hat den Hintergrund, dass neun von zehn Personen, bei denen Darmkrebs entdeckt wird, älter als 50 Jahre sind. Auf Wunsch verabreichte Beruhigungsmittel machen die Untersuchung für Patient*innen völlig stress- und schmerzfrei. Bei unauffälligem Befund muss die Koloskopie erst nach zehn Jahren wiederholt werden.

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Prostatakrebs – nicht auf Symptome warten!

Echte Männer gehen zur Vorsorgeuntersuchung beim Urologe oder der Urologin des Vertrauens. Warum das wichtig ist, erklärt Prim. Priv.-Doz. Dr. Anton Ponholzer, Vorstand der Abteilung für Urologie und Andrologie im KH der Barmherzigen Brüder Wien und Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Urologie.

Warum sollte Man(n) ab 45 Jahren regelmäßig urologische Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen?

Einer der wichtigsten Gründe, der dafür spricht ist das Prostatakarzinom – ein Tumor, der fast so oft wie Brustkrebs vorkommt. Mit rund 6000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei österreichischen Männern. Oft wächst ein Prostatakarzinom anfangs ohne Symptome. Wird der Tumor erst spät entdeckt, kann es passieren, dass er sich in benachbartes Gewebe ausbreitet und Metastasen entwickelt – in diesem Stadium ist Prostatakrebs nur schwer bis nicht heilbar. Der Sinn der Vorsorge besteht darin, dass man ein Karzinom frühzeitig findet – in den allermeisten Fällen ist es dann heilbar. Durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen lässt sich ganz sicher verhindern, dass ein betroffener Patient an einem Prostatakarzinom versterben muss.

Viele Ängste beziehen sich auf die Untersuchung an sich. Wie läuft eine urologische Vorsorgeuntersuchung im Wesentlichen ab? 

Grundsätzlich ist die jährliche Prostatakrebs-Vorsorge-Untersuchung allen Männern ab dem 45. Lebensjahr empfohlen. Männer, bei denen der Bruder oder Vater an einem Prostatakarzinom erkrankt ist oder war, weisen ein doppeltes Risiko auf, im Laufe ihres Lebens ebenfalls ein solches zu entwickeln – sie sollten mit den Prostata-Vorsorgeuntersuchungen bereits ab dem 40. Geburtstag beginnen. Bei der urologischen Vorsorgeuntersuchung werden ein Ultraschall der Nieren und der Blase durchgeführt sowie beide Hoden abgetastet. Nach der Beurteilung der äußeren Genitalien wird vom After aus die Prostata auf mögliche Verhärtungen oder andere Auffälligkeiten abgetastet, die mit Prostatakrebs in Verbindung stehen könnten. Diese Tastuntersuchung mag unangenehm in der Vorstellung sein – sie ist aber harmlos und dauert maximal eine Minute. Daneben sollte man auch den PSA-Wert bestimmen lassen.

Welche Bedeutung hat der PSA-Wert?

PSA steht für prostataspezifisches Antigen und ist ein Eiweiß, das von der Prostatazelle gebildet und in das Blut abgegeben wird. Ein erhöhter PSA-Wert muss nicht zwingend heißen, dass der Patient ein Prostatakarzinom hat. Richtig ist, dass eine Prostatakrebszelle vermehrt PSA abgibt. Daher kann ein erhöhter Wert ein Hinweis darauf sein, dass ein erhöhtes Risiko vorliegt. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Gründen, warum der PSA-Wert erhöht sein kann – zum Beispiel kann das infolge einer Infektion der Fall sein, durch eine sehr große Prostata oder weil man gerade Fahrrad gefahren ist. Ein erhöhter PSA-Wert ist kein Grund zur Unruhe, jedoch sollte man ihn zum Anlass nehmen, engmaschige Kontrollen beim Facharzt durchführen zu lassen.

Selbst wenn ein Prostatakarzinom diagnostiziert wird, so gibt es heute gute Behandlungsmöglichkeiten. Manche Tumoren an der Prostata – solche die gutartig differenziert sind – müssen oft gar nicht behandelt, sondern lediglich überwacht werden. Ist eine Behandlung erforderlich, dann ist die Operation oder die Bestrahlung der Prostata die Therapie der Wahl.

 

Foto: (c) gettyimages/Oliver Rossi

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