Schlechter Auftritt?

August 2023 | Medizin & Trends

Jeder Zweite hat sie: Fußfehlstellungen. Wodurch sie verursacht werden und was dagegen hilft.

Von Mag.a Sabine Stehrer

4900 Schritte macht der Mensch weltweit im Durchschnitt und pro Tag, setzt also genauso oft einen Fuß vor den anderen, um sich fortzubewegen.
Egal, ob er oder sie nun geht oder läuft, hüpft oder springt: Dabei kann es zu einem schlechten Auftritt kommen. Dies insofern, als die Füße anders als vorgesehen auf dem Boden landen und beim Stehenbleiben nicht so dastehen, wie sie dastehen sollten. Ist das der Fall, steckt fast immer eine Fußfehlstellung dahinter. Eine solche hat weltweit und hierzulande jeder Zweite, weiß Dr. Clemens Mansfield vom Orthopädischen Spital Speising in Wien. Der Fußspezialist kennt auch den weitaus größten Risikofaktor für Fußfehlstellungen: „Das sind die Gene, also eine erbliche Vorbelastung.“
Abgesehen davon, dass Mama, Papa, der Opa oder ein anderer Blutsverwandter eine Fußfehlstellung hat, gibt es aber noch eine ganze Reihe an weiteren Risiken dafür.

Dazu zählen etwa häufiges Tragen zu kleiner, zu enger oder zu hoher Schuhe, auch ungeeigneter Schuhe bei Sportarten wie dem Laufen und Fußballspielen sowie Fehlbelastungen: solchen wie sie bei Übergewicht entstehen oder aufgrund von Fehlstellungen im Bewegungsapparat, wie X- oder O-Beinen oder einem Beckenschiefstand.

Auch angeborene Fußfehlstellungen (siehe Interview), ungünstig verheilte Knochenbrüche sowie Erkrankungen, die oft zu Problemen mit den Gelenken führen, wie Diabetes oder Rheuma erhöhen die Gefahr für eine Fehlstellung mit schlechtem Auftritt als Folge. Schließlich können noch Fehlfunktionen des Nervensystems, die zum Beispiel durch einen Unfall mit Schädel-Hirn-Trauma oder durch Autoimmunerkrankungen verursacht wurden, zu Fußfehlstellungen führen.

Knick-Senkfuß, Plattfuß, Hohlfuß

Um die häufigsten Fußfehlstellungen zu erkennen, reicht meist schon der Blick auf das Gangbild und den Auftritt aus:

  • Hat jemand die laut Mansfield am meisten verbreitete Fußfehlstellung „Knick-Senkfuß“, knickt und sinkt der Fuß beim Gehen und allen anderen Fortbewegungsarten sowie auch beim Stehen nach innen ein, da das Fußgewölbe zu flach ist.
  • Besteht zusätzlich ein Spreizfuß, wird aus dem Knick-Senkfuß der ebenfalls häufige Plattfuß, bei dem bei jedem Schritt das gesamte Fußgewölbe auf dem Boden zu liegen kommt, was beispielsweise am Fußabdruck des nassen Fußes im Bad erkennbar ist.
  • Ähnlich verbreitet ist der Spreizfuß, der nur für sich genommen besteht und oft mit dem Hallux valgus einhergeht: Da neigt sich der große Zeh zu den anderen Zehen des Fußes, wodurch sich das Großzehengrundgelenk nach außen wölbt und der Schuh oft gleich mit, was diese Fußfehlstellung sichtbar macht.
  • Schließlich zählt noch der Hohlfuß zu den häufigen Fußfehlstellungen. Besteht ein solcher, ist die Längswölbung des Fußes so überhöht, dass etwa beim Barfußgehen im Sand als Spur nur der Abdruck der Zehen, des Ballens und der Ferse hinterlassen wird.

Mit Gymnastik vorbeugen

Ob durch Beobachtung oder aufgrund von Erzählungen: „Wer erfahren hat, dass Fußfehlstellungen in der Familie liegen, sollte unbedingt vorbeugende Maßnahmen setzen, um zu vermeiden, selbst eine Fußfehlstellung zu bekommen“, betont Mansfield. Am besten lässt man sich vom Orthopäden oder von einer Physiotherapeutin sagen, welche Vorbeugungsmaßnahmen sinnvoll sind.

Übungen aus der herkömmlichen Fußgymnastik oder nach dem Prinzip der Spiraldynamik, wo der gesamte Bewegungsapparat miteinbezogen wird, können etwa dazu zählen. Geeignete Schuhe zu tragen, im Alltag überwiegend solche, die dem Fuß Halt geben, ihn aber nicht einengen und nicht höher als etwa vier Zentimeter sind, gehören Mansfield zufolge ebenfalls zur Vorbeugung dazu.

„Bei Sportarten wie dem Laufen sollten die Schuhe außerdem jeweils so geformt sein, dass sie den Fuß entsprechend unterstützen“, so der Fußspezialist. Das heißt: Besteht zum Beispiel die Gefahr, dass der Fuß nach innen knickt, ist es gut, wenn die Innenseite der Einlegesohle der Schuhe höher ist und der Fersenteil extra stabil. Falls nötig, sollte auch Übergewicht abgebaut und bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes die jeweiligen Therapievorgaben eingehalten werden.

Einlagen zur Unterstützung

Wenn es nicht mehr nur darum geht, einer Fußfehlstellung vorzubeugen, sondern schon eine besteht, die auch immer wieder einmal Schmerzen bereitet, ist das Paket aus Gymnastik und dem Tragen von geeigneten Schuhen zwar ebenfalls empfehlenswert, „zusätzlich aber noch das Tragen von Schuheinlagen“, erklärt Mansfield.
Welche Einlagen am besten verwendet werden, richtet sich laut dem Fußspezialisten danach, ob die Fehlstellung noch flexibel ist, der Fuß also noch aktiv oder mit Hilfe der Hände in die Normposition gebracht werden kann, oder ob sie schon unbeweglich ist und sich weder aktiv noch passiv verändern lässt.
Ist die Fehlstellung noch flexibel, empfehlen sich podologische Einlagen. Das sind solche, die das Fußgewebe so stimulieren, dass sich die Fehlstellung bessert. Ist die Fehlstellung bereits unbeweglich, sind Stützeinlagen angesagt, die den Fuß in die richtige Position bringen, dort halten und unterstützen.

Orthopädische Schuhe, Operation

Was wenn trotz der Therapiemaßnahmen die Fußfehlstellung zunimmt und die Schmerzen stärker werden? „Dann gibt es noch die Möglichkeit, sich orthopädische, maßgefertigte Schuhe zu beschaffen und sich damit fortzubewegen“, sagt Mansfield und nennt auch gleich die Alternative: „Das ist eine Operation.“ Dazu entschließen sich zehn bis 15 Prozent der Menschen mit Fußfehlstellungen.
Egal, um welche Fehlstellung es sich handelt: Das Ziel des Eingriffs besteht immer darin, die Schmerzen zu reduzieren, den Fuß zu stabilisieren und das Fortschreiten der Fehlstellung zu stoppen. Das auch, um drohenden Folgeschäden am Sprunggelenk, an den Knien, den Hüftgelenken oder anderen Bestandteilen des Bewegungsapparats vorzubeugen.
Was diese Vorbeugung anbelangt, ist es mit der Operation allein allerdings nicht getan: Danach ist noch eine längere Physiotherapie erforderlich, eventuell auch im Rahmen einer Reha. Fußspezialist Mansfield über den Grund dafür: „Nach der Operation müssen die Operierten neu gehen lernen.“ Daraus ergibt sich auch ein neues Gangbild. Und zwar ein solches, das nicht nur gesünder für die Füße und den gesamten Bewegungsapparat ist als das alte, sondern darüber hinaus noch den ehemals schlechten Auftritt in einen guten wandelt.

Sichelfuß, Hackenfuß, Duplikation

Welche die häufigsten angeborenen Fußfehlstellungen sind und was dagegen hilft, weiß Priv.-Doz. Dr. Christof Radler vom Orthopädischen Spital Speising in Wien.
Welche Fußfehlstellung zeigt sich schon bei der Geburt am häufigsten?

Die häufigste angeborene Fußfehlstellung ist der Sichelfuß, wo die Innenseite des vorderen Fußes des Neugeborenen wie eine Sichel mehr oder weniger stark nach innen gebogen ist. Bis zu zwölf Prozent der Neugeborenen sind davon betroffen, wobei der Sichelfuß meistens an beiden Füßen auftritt. Die Fehlstellung ergibt sich durch die Lage im Mutterleib. Sie ist aber relativ leicht mit einer Schiene korrigierbar, die sechs Wochen lang getragen wird.

Gibt es noch andere lagebedingte Fehlstellungen?

Ja, den Hackenfuß, bei dem sich der Fußrücken Richtung Schienbein neigt, manchmal sogar das Schienbein berührt. Diese Fehlstellung tritt ebenfalls häufig auf. Sie korrigiert sich aber oft von selber, wobei ein Dehnen des Fußes mehrmals täglich durch die Eltern nach einer Anleitung durch eine Orthopädin oder einen Physiotherapeuten unterstützend wirkt.

Wie verhält es sich mit genetisch bedingten Fehlstellungen?

Da sehen wir am häufigsten eine Duplikation von Zehen, das heißt, Neugeborene haben dann sechs Zehen oder auch sieben. In solchen Fällen wird abgewartet, bis die Zehen etwas größer sind und eine Operation leichter möglich ist. Zwischen dem neunten und zwölften Lebensmonat werden dann die überzähligen Zehen entfernt.
Können auch Fußfehlstellungen angeboren sein, die später häufig auftreten wie der Knick-Senkfuß? Der Knick-Senkfuß, bei dem der Fuß nach innen knickt, weil das Fußgewölbe zu flach ist, zeigt sich oft, wenn die Kinder das Gehen lernen, aber das ist keine Neugeborenen-Fehlstellung, und sie gibt sich meist von selbst wieder. Immer wieder ist auch vom Neugeborenen-Plattfuß die Rede, aber das ist in Wirklichkeit kein Plattfuß, sondern eine komplexe Fehlstellung, die zugleich aber höchst selten auftritt und operiert wird.

So wie der Klumpfuß?

Der Klumpfuß tritt bei einem von tausend Kindern auf. Er ist unbeweglich, zeigt nach unten und ist nach innen gedreht. Früher war zur Korrektur des Klumpfußes eine große Operation nötig. Heute ist das nicht mehr der Fall. Meistens wird der Klumpfuß so wie auch bei uns in Speising nach der sogenannten Ponseti-Methode korrigiert. Dabei werden die Füße erst für vier bis sechs Wochen durch das Anlegen eines Gipses und einen daran anschließenden minimalinvasiven Eingriff in Normalstellung gebracht. Danach ist noch etwa bis zum vierten Lebensjahr eine Schiene zu tragen, überwiegend aber nur nachts.

Können sich der Klumpfuß, der Hackenfuß oder der Sichelfuß später rückbilden?

Bei 15 bis 20 Prozent der Kinder mit Klumpfuß kehrt die Fehlstellung im Alter von fünf bis sieben Jahren zum Teil wieder. Dann wird neuerlich operiert und durch einen Transfer einer Sehne die Muskelbalance verbessert, um so den Fuß zu korrigieren. Beim Hackenfuß besteht keine Gefahr des Wiederauftretens. Vom Sichelfuß kann eine leichte Sichelform zurückbleiben. Besteht bei angeborenen Fehlstellungen auch eine Überbeweglichkeit der Gelenke, ist das Risiko größer, später andere Fehlstellungen zu entwickeln, vor allem dann, wenn weitere Risiken bestehen wie falsche Schuhe oder Übergewicht.

Foto (c): gettyimages_Tommaso-Tuzj

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