Die Stimmungsmacher

Februar 2024 | Medizin & Trends

Ob wir gut drauf sind oder schlechte Laune haben: Immer spielen dabei Hormone mit. Wie die Stimmungsmacher auf unsere Psyche wirken.

Von Mag.a Sabine Stehrer

Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters, und unsere Hormone messen nur wenige Nanometer. So winzig sie also sind, so groß ist im Gegensatz dazu der Einfluss, den sie auf uns haben. Als biochemische Botenstoffe steuern sie viele Vorgänge, die in unserem Körper ablaufen, und darüber hinaus wirken sie sich noch auf unsere Psyche aus.

„Wenn es jemandem psychisch nicht so gut geht, sind Hormone sogar ein sehr relevanter Faktor“, weiß Dr. Fabian Friedrich von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am AKH in Wien.

Diese Erfahrung hat auch Dr.in Katharina Maria Burkhardt gemacht. Die Grazerin ist Initiatorin und Leiterin des Netzwerks für bioidente Hormone Österreich, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Wirkung von Hormonen auf die Psyche und berät Menschen in Zusammenarbeit mit Ärzt*innen dazu.

Schlecht gelaunt wegen Vitamin D-Mangels

„Wer besonders in der kalten Jahreszeit oft antriebslos, müde und schlecht gelaunt bis niedergeschlagen ist, also an den Symptomen der sogenannten Winterdepression leidet, hat fast immer einen Mangel am Sonnenhormon Vitamin D“, nennt sie ein Beispiel für die Rolle von Hormonen als Stimmungsmacher. „Sonnenhormon“ wird Vitamin D genannt, weil es unter anderem durch die Sonnenbestrahlung der Haut vom Körper gebildet wird.

Genauso wie es eigentlich gar kein Vitamin ist, ist es genaugenommen auch kein Hormon, sondern ein Prohormon, also eine Vorstufe des Hormons Calcitriol. Calcitriol ist wichtig für die Knochengesundheit, das Immunsystem, das Nervensystem und eben auch die Psyche. Wurde ein Mangel an Vitamin D festgestellt, empfiehlt es sich laut Burkhardt, das Prohormon beispielsweise in Form von Tropfen einzunehmen, und zwar in einer Dosis, die auf verschiedene individuelle Gegebenheiten abgestimmt ist. „Dazu zählen das Ausmaß des Mangels, das Alter und das Gewicht, aber auch etwa die Frage, ob jemand viel Sport betreibt, sich ausschließlich pflanzlich ernährt oder dauerhaft bestimmte Medikamente einnehmen muss.“

Bei schlechter Laune und Niedergeschlagenheit bis hin zu psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen (siehe Kasten ****) können Fabian Friedrich zufolge noch weitere Hormone mitmischen. „Da kann auch ein Mangel an Schilddrüsenhormonen wie Trijodthyronin und Thyroidea-stimulierendes Hormon dahinterstecken, der durch eine Schilddrüsenunterfunktion bedingt ist.“

Energielos durch niedrigen Cortisolspiegel

Ein weiterer Stimmungsmacher unter den Hormonen ist das sogenannte Stresshormon Cortisol. Wie die beiden anderen „Stresshormone“ Adrenalin und Noradrenalin wird Cortisol bei Belastungen ausgeschüttet und ist unter anderem dazu da, Energie freizusetzen, die uns zur Bewältigung der Belastung dient.

Sind wir länger belastet, wird aber nicht fortlaufend mehr Cortisol produziert, sondern irgendwann wieder weniger. Und geht der Cortisolspiegel hinunter, sinkt mit ihm oft auch der Energiepegel. Energielosigkeit, Müdigkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Schlafstörungen und schlechte Stimmung sind dann die Folgen.

Laut dem Psychiater und Psychotherapeuten Friedrich kann das, was das natürliche Hormon Cortisol kann, auch das ihm nachempfundene Medikament Kortison. „Durch die längere Einnahme von Kortison oder die Veränderung der Dosis kommt es manchmal zu Schwankungen des Cortisolspiegels und dazu, dass sich eine aufgedrehte, manische Stimmung in eine depressive Verstimmung wandelt oder umgekehrt.“, sagt er.

Reizbar wegen Progesteron-Mangels

Müdigkeit bis hin zu Abgeschlagenheit, Reizbarkeit, Traurigkeit, Libidoverlust: Derartige Befindlichkeiten kennen Frauen, die vor der monatlichen Blutung am sogenannten Prämenstruellen Syndrom, kurz PMS, oder nach einer Geburt an einer postnatalen Depression leiden. Auch jede dritte Frau in den Wechseljahren und ein Teil der älteren Männer ist davon betroffen. „Bei PMS und der postnatalen Depression wird die schlechte Stimmung vom Abfall des weiblichen Sexualhormons Progesteron aus der Gruppe der Gestagene verursacht“, weiß Burkhardt.

Die Beschwerden von Frauen in den Wechseljahren und von älteren Männern liegen an der Drosselung der Produktion der weiblichen und männlichen Sexualhormone, also der Östrogene, Gestagene und Androgene mit dem Testosteron.

Dass der landläufigen Meinung folgend eher zu viel Testosteron im Blut reizbar bis hin zu aggressiv und kämpferisch macht, ist mittlerweile umstritten. In Studien zeigte sich nämlich, dass Versuchspersonen, die meinten, Testosteron verabreicht bekommen zu haben, und danach wie testosterongesteuert auftraten, gar kein männliches Sexualhormon erhalten hatten, sondern nur ein Placebo, also ein wirkungsloses anderes Mittel.

Wirkung der Glückshormone

Hormone als Stimmungsmacher bringen uns aber nicht nur in schlechte Stimmung. Empfinden wir Freude, fühlen wir uns glücklich und zufrieden oder sind wir einfach nur gut drauf, liegt das ebenfalls an bestimmten der nur wenige Nanometer messenden winzig kleinen Botenstoffen. Dann vorrangig an den sogenannten Glückshormonen, etwa an Dopamin oder Serotonin, die auf das Belohnungszentrum im Gehirn einwirken.

Aber auch die Östrogene und Vitamin D mit seinem Folgeprodukt Calcitriol bewirken der Leiterin des Netzwerks bioidente Hormone Burkhardt zufolge, dass wir Freude, Glück und Zufriedenheit empfinden.

Wichtig für das Zustandekommen dieser und weiterer positiver Befindlichkeiten ist aber nicht nur, dass die Produktion der genannten Hormone gut läuft, „sondern auch, dass alle Hormone im Hormonsystem im Einklang miteinander funktionieren, also gut harmonieren“, sagt sie.

Harmonie im Hormonhaushalt

Ein Hormonhaushalt in Harmonie lässt sich zum Teil durch den Ausgleich von Hormonmangelsituationen etwa mit einer Hormonbehandlung oder durch die Einnahme von Mikronährstoffen erreichen. Parallel dazu gilt es aber auch, ein Leben zu führen, in dem vor allem ausreichend Zeit für Entspannung ist. Die kann etwa durch das Betreiben eines Hobbys erreicht werden, wie Musizieren, Lesen oder Basteln. Viel Bewegung und Sport entspannen ebenfalls und regen darüber hinaus noch die Produktion jener Hormone an, die uns in gute Stimmung bringen.

Komplett wird das Maßnahmenpaket für hormonelle Harmonie durch eine ausgewogene Ernährung. Enthält diese viel Champignons, Fenchel, Kichererbsen, die Yamswurzel, schwarze Johannisbeeren oder auch Melissen- und Salbeitee, steigert sie noch einmal mehr die Ausschüttung von Hormonen, die uns froh machen. Und das hilft gegen schlechte Stimmung in den kalten Monaten sowie auch zu jeder anderen Jahreszeit.

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Hormone und Depressionen

Nicht nur bei schlechter Laune oder dem Empfinden von Freude mischen Hormone mit. Auch bei psychiatrischen Erkrankungen tun sie das, weiß Psychiater Fabian Friedrich und sagt: „Daher sollte bei psychiatrischen Krankheiten immer auch eine organische Abklärung mit dem Fokus auf die Hormone erfolgen.“

Denn die negative Stimmung beispielsweise bei Depressionen und Burn-outs kann auch an einer Schilddrüsenunterfunktion mit einem Mangel an bestimmten Schilddrüsenhormonen liegen. Besteht so ein Mangel, und werden die Hormone zugeführt, bessert sich die Erkrankung meist.

Bei schweren psychiatrischen Erkrankungen wie Psychosen oder bipolaren Störungen bestehen oft Schwankungen im Haushalt der Sexualhormone.

Diese können unter den Ursachen für das Zustandsbild sogar in den Vordergrund treten und daher wichtig werden, wenn es um die Wahl der passenden Behandlung geht.

 

 

 

Foto: (c) gettyimages_Ponomariova_Maria

 

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