Hormone: Die Boten vom Dienst

März 2008 | Medizin & Trends

Wie das Hormonsystem funktioniert
 
Die Hormone sind die Boten unseres Körpers: Sie managen das Zusammenspiel unserer inneren Organe, beeinflussen unsere Stimmungen und prägen unser Triebleben. Um diesen vielfältigen Aufgaben nachkommen zu können sind die Hormone in verschiedenen Spezialgebieten im Einsatz. Die Chefin vom Dienst sitzt – wie könnte es anders sein? – im Gehirn. Setzen Sie sich mit MEDIZIN populär auf die Spur von so guten alten Bekannten wie Adrenalin, Insulin, Serotonin & Co.
 
Von Dr. Marcus Franz & Dr. Karin Gruber

Das Hormonsystem (Endokrines System) kann man auch als eine der drei Einheiten in der Abteilung „Interne Kommunikation“ des Körpers sehen. Die anderen beiden sind das Nerven- und das Immunsystem. Jedes dieser drei Kommunikationssysteme ist schon für sich allein ein Wunder an Komplexität, eine Struktur von höchster innerer Logik, die aus unzähligen Regelkreisen besteht. Aber erst alle drei zusammen machen die rund 100.000 Milliarden Zellen des Menschen mit ihren Tausenden verschiedenen Aufgaben zu einem harmonischen Ganzen, das „funktioniert“ und lebt.

Was ist ein Hormon?
Hormone sind Botenstoffe, die von speziellen Drüsen oder Organen ans Blut abgegeben werden, um in anderen Organen oder Bereichen des Körpers ihre Wirkung zu entfalten. Ihrer chemischen Natur nach sind die meisten Hormone Eiweißstoffe und daher in Wasser löslich. Einige wichtige Hormone sind chemisch gesehen den Fettstoffen zuzuordnen und daher natürlich fettlöslich. Die Hormone sind spezialisiert auf bestimmte Zellen, auf die sie wirken sollen. Ihre Zielzellen „erkennen“ sie daran, dass sie ganz bestimmte Rezeptoren beziehungsweise Andockstellen besitzen.
Bei manchen Hormonen tritt die Wirkung innerhalb von Sekunden ein, zum Beispiel bei den Stresshormonen. Bei anderen dauert es länger, zum Beispiel bei den Hormonen, die den weiblichen Zyklus steuern. Auf jeden Fall aber sind Hormone wahre Multitalente. Sie können unter anderem die Aktivität bestimmter Zellen steigern oder bremsen, die Durchlässigkeit der Zellwand für bestimmte Substanzen verändern, einzelne Organe auf Touren bringen oder drosseln, ja den ganzen Körper beeinflussen.
So viel „Macht“ braucht Kontrolle: Also werden die Hormone ihrerseits durch verschiedene Mechanismen geregelt. Das geschieht sehr häufig durch Rückkoppelung: Ist die Substanz X ausreichend vorhanden, wird die Hormonausschüttung gedrosselt. Fehlt die Substanz X, wird die Hormonausschüttung hochgefahren. Das kann aber auch durch die Existenz eines Gegenspielers (Antagonist) geschehen, der in Wechselwirkung mit dem Hormon (Agonist) dafür sorgt, dass keiner der beiden übers Ziel schießt. Oder über innere Uhren, die für eine rhythmische Ausschüttung sorgen. Ein Beispiel ist der nächtliche Anstieg des Wachstumshormons Somatotropin.

Die Hypophyse – Chefin vom Dienst

Die zentrale Steuereinheit des gesamten Hormonsystems liegt gut geschützt tief im Gehirn. Es handelt sich um die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und den mit ihr in Verbindung stehenden Hypothalamus. Die Hypophyse ist die große Chefin, wobei sie weniger durch ihre Größe beeindruckt – die kommt gerade einmal an eine weiße Bohne heran –, sondern durch ihren Überblick. Sie ist die oberste Kontrollinstanz für die Spiegel der verschiedenen Hormone im Körper. Mittels einer Reihe eigener Hormone bestimmt sie das Geschehen bis in die entlegensten Regionen des Körpers. Ausnahmen gibt es allerdings schon. Einige Hormon-Produzenten wollen sich dem Regiment der Hypophyse partout nicht beugen. Dazu gehören die Insulin­produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die nur auf den Glukose- und Fettsäurespiegel im Blut hören.

Aus der Hypophyse kommen:

  • Somatotropin: Das Wachstumshormon ist in der Kindheit wichtig vor allem für das Längenwachstum, während des ganzen Lebens brauchen wir es wesentlich für die Erneuerung der Körperzellen.
  • Thyreotropin: stimuliert die Schilddrüse.
  • Follikel-stimulierendes Hormon (FSH): bewirkt bei der Frau die Reifung der Eizellen-Follikel und beim Mann die Reifung der Spermien.
  • Luteinisierendes Hormon (LH): führt bei der Frau zum Eisprung und beim Mann zur Steigerung der Testosteronproduktion im Hoden.
  • Prolaktin: steuert die Milchbildung in der weiblichen Brust.
  • ACTH (Adenocorticotropes Hormon): steuert die Hormone der Nebennierenrinde.

Der Hypothalamus – der „Gehilfe“
Der Hypothalamus, der „Gehilfe“ der Hypophyse, hat ein eigenes Aufgabengebiet: Er ist für alle nicht willkürlich beeinflussbaren (vegetativen) Abläufe im Körper zuständig. Der Wasserhaushalt des Körpers, der Wach-Schlafrhythmus, die Temperaturregulation, der Hunger und das Fortpflanzungsverhalten werden vom Hypothalamus kontrolliert und vorgegeben.

Aus dem Hypothalamus kommt:

  • Oxytocin: bewirkt die Kontraktion, also das Zusammenziehen des Uterus bei Wehen; fördert den Milchfluss beim Stillen und ist als „Kuschelhormon“ bekannt, weil es beim Sex im Spiel ist.

Die Zirbeldrüse – das Ticken im Körper
Lange dachte man, der Schlaf-Wach-Rhythmus würde allein durch den Wechsel von Hell und Dunkel bestimmt. Doch inzwischen weiß man, dass in den Zellen aller Lebewesen innere Uhren ticken, die in den Genen festgeschrieben sind und unabhängig von äußeren Gegebenheiten funktionieren. Es gibt mehrere innere Uhren, die den Tag-Nacht­Rhythmus oder circadianen Rhythmus des Körpers bestimmen. Die zentrale Steuereinheit, die Uhr, nach der sich alle anderen richten, ist aber der suprachiasmatische Nucleus (SCN). Nicht viel größer als ein Stecknadelkopf, besteht er aus einem Bündel von rund 50.000 Nervenzellen. Die Aktivierung des SCN gibt den Ausschlag, und alle nachgeschalteten Uhren im Körper setzen sich mit ihren Rädchen in Bewegung.

Aus der Zirbeldrüse kommt:

  • Melatonin: das wohl prominenteste dieser Rädchen. Es ist auch als „Schlafhormon“ bekannt, weil es im Wesentlichen dazu da ist, die Leistung verschiedener Körperteile zu drosseln und auf „Nachtbetrieb“ zu stellen.

Die Schilddrüse – überall dabei
Die Schilddrüse mischt bei Energieumsatz und Stoffwechsel, Herztätigkeit und Emotionen mit. Ihre Bekanntheit verdankt sie aber den relativ häufigen Störungen, man denke zum Beispiel an den Kropf.

Aus der Schilddrüse kommen:

  • Thyroxin: regt den Grundumsatz und den Sauerstoffverbrauch an und ist die Voraussetzung für kindliches Wachstum.
  • Calcitonin: sorgt für den Einbau von Calcium ­ in die Knochen bei Erwachsenen und macht sie ­ auf diese Weise stark.

Die Bauchspeicheldrüse – Multitalent
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) spielt eine wichtige Rolle bei der Verdauung, hat aber auch hormonelle Funktionen und regelt über Insulin und Glukagon den Zuckerstoffwechsel.

Aus dem Pankreas kommen:

  • Insulin: sorgt für einen normalen Blutzuckerspiegel, indem es das Zuviel aus dem Blut holt und die Speicherung der Glukoseüberschüsse in der Leber veranlasst.
  • Glukagon: entlässt als Gegenspieler des Insulins Zucker bei Bedarf zurück in den Blutkreislauf und erhöht so den Blutzuckerspiegel.

Die Nebennieren – die Stressmacher
Aus den Nebennieren kommen:

  • Adrenalin und Noradrenalin: werden bei akutem Stress oder bei Angst blitzartig ausgeschüttet, haben mitunter extreme Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, zum Beispiel Herzrasen, Blutdrucksteigerungen, Schweißausbrüche, beschleunigte Atmung, Unruhe; bewirken sofortige Freisetzung von Energiereserven.
  • Cortison: bremst Immunreaktionen und Entzündungen; wird bei akutem Stress vermehrt ausgeschüttet, um Energiereserven des Körpers zu mobilisieren, ist auch für die Kreislauf- und Wasserhaushaltsregulation zuständig.
  • Aldosteron: sorgt für die Kreislauf- und Wasserhaushaltsregulation, man kennt es auch als „Dursthormon“.


Die Geschlechtsdrüsen – natürlich paarweise
Die Geschlechtsdrüsen sind paarweise angelegt. Bei den Frauen als im Bauch befindliche Eierstöcke, beim Mann als Hoden im Hodensack. Die von den Keimdrüsen produzierten Geschlechtshormone Testosteron, Androsteron, Östrogen und Progesteron kommen bei beiden Geschlechtern vor, das heißt, auch Männer besitzen aus hormoneller Sicht weibliche Anteile sowie Frauen auch männliche Anteile ihr Eigen nennen.


Hormongesteuert: Sind wir Sklaven der Hormone?

Hormone können unsere Stimmung entscheidend beeinflussen und das in jeder Richtung. Depressive Verstimmungen zum Beispiel treten bei sehr vielen Frauen in Zusammenhang mit dem Monatszyklus auf. Ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt, zum Beispiel chronischer Östrogen- oder Testosteronmangel, ist als Ursache echter Depressionen gar nicht so selten. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Endorphine, die uns eine Hochstimmung bescheren können. Aber das reduziert den Menschen keineswegs zu einem biochemischen Apparat. Es gehört zu den Geheimnissen seines Wesens, dass sich Stimmungen und Biochemie, Nicht-Materielles und Materielles gegenseitig beeinflussen. Eine gedrückte Stimmung lässt sich durchaus durch Konzentration auf andere Dinge lösen. In der Folge verändert sich dann tatsächlich die Hormonlage im Körper.


Der „Glücksbote“: Was ist Serotonin?

Der „Promi“ unter den Hormonen entfaltet seine segensreiche, stimmungsaufhellende Wirkung im Nervensystem, wird daher mit Fug und Recht häufig als Nervenbotenstoff bezeichnet. Auf das Serotonin geht das Schlagwort zurück, dass Schokolade glücklich macht. In der Tat führen kohlenhydratreiche Nahrungsmittel zu einem Anstieg des Serotoninspiegels, allerdings gilt das bei weitem nicht nur für Schokolade. Neuere Untersuchungen haben überdies gezeigt, dass der Genuss beim Verzehr von Schokolade zu einem wesentlichen Teil auf die ganz besonders Konsistenz zurückgeht. Der Einfluss des Serotonins auf unser Stimmungsbarometer ist jedenfalls beträchtlich. So gibt es zum Beispiel eine Klasse von Antidepressiva, die Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (SSRI), die den Abbau des Serotonins verzögern. Allerdings ist bisher nicht geklärt, ob ein niedriger Serotoninspiegel Ursache oder Begleiterscheinung von Depressionen ist. Außerdem mischt das Serotonin bei allen möglichen weiteren Körpervorgängen mit. Es wird ja auch an allen möglichen Stellen gebildet: Im zentralen Nervensystem, in Leber und Milz und in der Darmschleimhaut. Eine beträchtliche Rolle spielt das Serotonin bei der Regelung des Blutdrucks, es fördert die Blutgerinnung und regt die Darmperistaltik an.

BUCHTIPP
Franz, Gruber:
Wunderwelt. Eine Geschichte des menschlichen Körpers, 152 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, ISBN 978-3-902552-13-6,  € 19,90, Verlagshaus der Ärzte               

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