Die Heilkraft der Muskeln

Februar 2013 | Fitness & Entspannung

Medizin entdeckt Krafttraining als Schlüssel zur Gesundheit
 
Sie sind weit mehr als simple „Zugmaschinen“, die insgesamt 656 Muskeln, die unseren Körper tagtäglich auf Trab halten. Immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen den hohen Gesundheitswert des gezielten Krafttrainings. Wie man inzwischen weiß, ist ein gestählter Körper besser gegen Diabetes, Bluthochdruck, Krebs, Osteoporose und andere Erkrankungen gewappnet. MEDIZIN populär über die große Heilkraft der Muskeln.
 
Von Wolfgang Kreuziger

Schwere Gewichte, anschwellende Muskeln und übelriechende Folterkammern: Immer noch haftet dem Krafttraining der Ruf an, ein Hobby für besonders Eitle zu sein. „Zu Unrecht, wie die Medizin in den vergangenen Jahren entdeckt hat“, weiß Univ. Prof. Dr. Paul Haber, Leiter des Zentrums für medizinische Trainingstherapie und Trainingsberatung in Wien. „Denn mittlerweile gibt es faktisch keinen Problembereich mehr, bei dem Muskeltraining nicht als wirkungsvoller Schlüssel zur Gesundheit angesehen wird.“
Immerhin ist unsere Muskulatur das größte Stoffwechselorgan des Menschen und macht im Schnitt 40 Prozent der gesamten Körpermasse der Männer aus, bei den Frauen sind es etwa 30 Prozent. Die zwischen Kopf und Zehen verteilten weit über 600 kleinen „Kraftwerke“ kontrollieren nicht nur jede kleinste Bewegung, sie tragen ebenso zur Verdauung und zum Hormonstoffwechsel bei. Nebenbei sind sie auch für den Temperaturhaushalt unseres Körpers hauptverantwortlich und haben beeindruckende Heilkräfte.  

„Motor“ und Stütze für die Knochen

Ein Körper ohne Muskeln ist wie ein Auto ohne Motor – es fährt nicht und wird nutzlos. „Im letzten halben Jahrhundert ist die durchschnittliche Muskelaktivität der Menschen dramatisch, nämlich um beinahe die Hälfte zurückgegangen, während wir unvermindert weiter essen“, mahnt Haber. Als Resultat dessen haben immer mehr übergewichtige oder untrainierte Menschen Probleme, ihr Körpergewicht sicher und sturzfrei zu tragen, vor allem im fortgeschrittenen Alter. Durch Training gestählte Muskeln sind in der Lage, den gesamten Bewegungsapparat zu stabilisieren und ähnlich einer „eisernen“ Schiene sogar deformierte Bandscheiben auszugleichen. Spezielle Übungen für die Tiefenmuskulatur des Rückens, die die einzelnen kleinen Wirbelkörper miteinander verspannt und stützt, können das Volksleiden Rückenschmerzen besonders wirkungsvoll bekämpfen. „Bei Osteoporose ist Krafttraining als Gegenmaßnahme nahezu unumgänglich“, verrät der Mediziner über den Knochenschwund, unter dem bereits etwa jede dritte Frau und jeder sechste Mann über 50 leiden. „Durch den Belastungsreiz verbessert sich die Knochendichte, und der Knochen wird sozusagen neu aufgebaut.“

Die körpereigene „Hausapotheke”

Doch unsere Muskeln können viel mehr als nur Rohkraft freisetzen, sind sie doch gleichzeitig ein hochspezialisierter, körpereigener Medizinschrank. „Als Nebeneffekt des Krafttrainings werden feine Botenstoffe produziert, die heilend wirken“, erklärt der Sportmediziner. Diese Signalstoffe funktionieren im Prinzip wie Medikamente einer Hausapotheke und fördern nicht nur den Muskelaufbau und die Fettverbrennung. Einer der wichtigsten dieser Botenstoffe heißt „Interleukin 6“ und ist ein echter Tausendsassa unter diesen sogenannten Myokinen. Er stimuliert die Bildung von Abwehrzellen im Körper, die Infekte und Tumorerkrankungen vorbeugen, und schafft es sogar, dem krebserregenden Einfluss des Bauchfetts und der Arterienverkalkung entgegenzuwirken. Damit kommt der Kraftkammer auch eine immense Bedeutung in der Vorbeugung von Schlaganfällen und Herzinfarkten zu.   

Dicker Bizeps gegen Diabetes

Noch sind längst nicht alle Botenstoffe enträtselt, die unsere Muskeln in unserem Körper verströmen. Fest steht jedoch, dass es einer ihrer verblüffendsten Effekte ist, für eine höhere Aufnahme von Zucker in den Muskel zu sorgen, gleichzeitig aber die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse zu drosseln. „Das macht das Training an Gewichten besonders wertvoll als Therapie bei Altersdiabetes“, versichert Haber. Eine dänische Studie zeigte zuletzt auf, dass Muskeltraining dabei mehr bewirken kann als Ausdauertraining, also etwa Joggen. Bereits eine wöchentliche Trainingsstunde in der Kraftkammer lässt das Diabetesrisiko um 34 Prozent schrumpfen, zwei Stunden sogar um 52 Prozent. „Auch Bluthochdruck kriegt man mit Muskeltraining in den Griff“, so Haber. Das Trainingsprogramm muss allerdings danach ausgerichtet werden und blutdruckschonend auf kleine Muskelgruppen abzielen.

Muskelpakete leben länger

Das Schwitzen an den Maschinen ist laut dem Wiener Arzt überdies ein hochwirksames Anti-Aging-Mittel: „Kräftige Muskeln bedeuten statistisch auch ein signifikant längeres Leben. Sie erhalten ältere Menschen beweglich, selbstständig und verhindern eine frühzeitige Pflegebedürftigkeit.“ Schwedische Forscher vom „Karolinska-Institut“ zeigten in einer Studie, dass Männer mit geringer Kraft in Armen und Beinen signifikant häufiger bereits vor dem 60. Lebensjahr sterben. Stämmige, kräftige Männer hingegen weisen auch ein bis zu 65 Prozent geringeres Risiko auf, an Depression oder Schizophrenie zu erkranken. Haber: „Muskeln lassen sich bis ins hohe Alter sehr gut trainieren. Nach nur wenigen Monaten kann selbst ein 65-Jähriger einen untrainierten 45-Jährigen kräftemäßig überholen.“

Beratung ist Um und Auf

Unterm Strich gebe es letztlich kaum eine chronische Krankheit, die durch Muskelaufbau nicht gebessert werden könne, versichert Trainingsspezialist Haber. „Selbst bei chronischen Gelenksproblemen werden in der Kraftkammer die Gelenke entlastet und die Knorpel gestärkt. Nur in akut krankem Zustand, etwa mit Fieber, hat man an den Gewichten nichts verloren.“  
Viele gute Gründe also für den schnellsten Weg zum Krafttraining. Aber wohin im verwirrenden Dschungel der vielen Fitnessstudios soll man sich wenden? „Theoretisch ließe sich nur alleine mit dem Heben von Ziegelsteinen schon der nötige therapeutische Effekt erzielen“, weiß der Sportmediziner. „In der Praxis rate ich aber zu einem Studio mit nachweislich guter Beratung und kompetenten Übungsprogrammen, das ist das Um und Auf. Die richtige Durchführung muss von Anfang an penibel kontrolliert werden.“ Menschen, die bereits an Problemen mit dem Bewegungsapparat laborieren, rät der Experte zu speziellen Rückenstudios oder medizinisch orientierten Instituten. Haber: „Sie verfügen über auf medizinische Zwecke spezialisierte Maschinen, an denen der Körper so eingespannt wird, dass falsches Training oder Verletzungen von vornherein nicht möglich sind.“

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Wunderwerk Muskel
Die Motoren unseres Körpers

Für ein kleines Lächeln setzen wir bereits 15 Muskeln in Gang, insgesamt stehen unserem Körper im Normalfall für unsere Bewegungen 656 Muskeln zur Verfügung. Der dem Volumen nach größte ist dabei der Große Gesäßmuskel, der kräftigste der Kaumuskel, der bis zu 400 Kilogramm bewegen kann. Der fleißigste Muskel liegt über dem Auge und lässt uns über 100.000 Mal pro Tag zwinkern, der kleinste ist der Steigbügelmuskel im Ohr mit nur 0,27 Millimetern Länge.
Pro Tag bringen es alle Muskeln zusammen auf eine Leistung von drei Megajoule, was der Arbeit eines Krans entspricht, der sechs Tonnen Gewicht 50 Meter hoch hebt. Auslöser jeder einzelnen Muskelbewegung ist ein elektrochemischer Impuls, der vom Gehirn oder Rückenmark an die jeweiligen Synapsen, die Enden der angesteuerten Muskelfasern, ausgesendet wird. Durch diesen Befehl ziehen sich diese zusammen wie Teleskop-Antennen, die daraus resultierende Bewegung wird über Sehnen auf die Knochen übertragen.
Muskeln sind durch ihre Fähigkeit zur Wärmeentwicklung auch hauptverantwortlich dafür, unseren Körper auf der idealen Betriebstemperatur von 37 Grad zu halten. Man unterscheidet drei Arten: Die quergestreifte Muskulatur, darunter die Skelettmuskulatur, ermöglicht feine und exakte Bewegungen. Die vergleichsweise langsame glatte Muskulatur befindet sich in den nicht bewusst beeinflussbaren Körperbereichen wie dem Darmtrakt oder den Blutgefäßen. Die Herzmuskeln sind ebenfalls nicht bewusst steuerbar, sie lassen das Herz etwa 70 Mal pro Minute schlagen.

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