Konzentrierter arbeiten

August 2019 | Leben & Arbeiten

Wie Sie länger bei einer Sache bleiben.
 
– Von Mag. Sabine Stehrer

Sie lauert immer und überall: die Ablenkung. Ob in Form vom piepsenden Phone, von Gesprächen unter Kollegen – oder von eigenen, abschweifenden Gedanken. Wird ihr nachgegeben, dauert es Studien zufolge durchschnittlich 21 Minuten, bis es uns gelingt, wieder das zu tun, was wir eigentlich tun wollten – uns konzentrieren, um in der Arbeit dies und das wie geplant erledigen zu können. Die schlechte Nachricht: Nur etwa die Hälfte der durch Ablenkung unterbrochenen Tätigkeiten wird in der Zeit fertiggestellt, die dafür vorgesehen war.

Die gute Nachricht: Der Wiener Neurobiologe und Hirnforscher Dr. Bernd Hufnagl hat fünf Tipps, die uns dabei helfen, uns besser konzentrieren und effizienter arbeiten zu können.

Tipp 1
Sich selbst trainieren

Einen Ball in die Luft werfen und ihn mit der anderen Hand fangen, zwei Bälle werfen und fangen, vielleicht auch drei Bälle? Jonglieren, ob mit Bällen oder sonstigen Gegenständen, eigne sich bestens, um zu trainieren, sich zu kon­zen­trieren, erklärt Hufnagl, denn: „Dabei muss man seine ganze Aufmerksamkeit auf das richten, was man gerade tut.“ Aber nicht nur das lehrt einem die schon in der Antike praktizierte Kunst. Man muss auch die Herausforderung annehmen, die das Jonglieren darstellt und einige Geduld mit sich selbst haben: Es dauert, bis es mög­lich ist, mehrere Wurfgeschoße entsprechend zu bewegen, ohne dass gleich alle am Boden lan­den. Weitere gute Möglichkeiten, uns selbst in Geduld, der Annahme einer Herausforderung und dem Fokussieren der Aufmerksamkeit zu trainieren, sind das Erlernen eines Instruments oder einer Sportart, die Geist und Körper zugleich fordert.

Tipp 2
Passende Rahmenbedingungen schaffen

Am Bildschirm poppt immer wieder das Fenster auf, das über eingehende E-Mails informiert? Das Bürogeplauder regt zum Mithören an? Und im Hinterkopf ist da noch der Gedanke an den Einkauf für das Wochenende? Alles schön und gut, doch passende Rahmenbedingungen für ein konzentriertes und effizientes Arbeiten se­hen anders aus. Hufnagl rät dazu, sich diese zu schaffen: „Gut ist, so zu tun, als ob man in den nächsten Stunden oder den ganzen Tag über nur eine einzige Aufgabe zu erledigen hätte.“ Koch- und Einkaufspläne können warten, Infos über Nachrichten und E-Mails lassen sich ab­stellen, und wenn es nicht gelingt, Geplauder  zu ­ignorieren: Kopfhörer aufsetzen, die Umgebungslärm abhalten, oder über Kopfhörer Mu­sik hören, aber nur leise und instrumentale, denn eine zu große Lautstärke und Songtexte sind kontraproduktiv – sie lenken uns vom We­sentlichen, der wichtigen Arbeit, ab.‘

Tipp 3
Regelmäßige Pausen

Arbeitsmäßig ist eine bestimmte Etappe erreicht, die nächsten Ziele sind definiert, und zugleich kommt im Kopf gerade eine gewisse Müdigkeit auf? „Dann ist jetzt die beste Zeit für einen ,reset’“, sagt der Neurobiologe und Hirnforscher und meint damit eine Pause fürs Gehirn, aber nicht irgendeine. „Stehen nur ein paar Minuten zur Verfügung, kann sich das Gehirn sehr gut regenerieren, wenn wir uns zum Beispiel Urlaubsfotos ansehen, die wir auf dem Computer gespeichert haben, oder Fotos von Landschaften, die uns gefallen.“ Steht die Mittagspause an, und damit die Chance, dem Gehirn längere Zeit zur Erholung zu geben, sollten wir aus der Arbeitsrolle in die Rolle des Privatmenschen schlüpfen und den Arbeitsplatz verlassen. Uns zum Essen in ein Lokal oder auf eine Bank setzen und zum Wohl des Hirns versuchen, unsere Sinne bewusst nacheinander zu beschäftigen: also etwa erst den ­guten Geruch, dann den guten Geschmack des ­Essens wahrzunehmen und zu genießen, und – falls vorhanden – anschließend die schöne Landschaft oder das lebendige Geschehen rundum zu betrachten.

Tipp 4
Täglich Nicht-Ziele definieren

Was mache ich in den nächsten zwanzig Minuten nicht? Was mache ich im Lauf des heutigen Tages nicht? Was mache ich in dieser Woche nicht? Neben dem Festlegen von Zielen, die man erreichen möchte, ist es laut Bernd Hufnagl auch wichtig, täglich Nicht-Ziele zu definieren und zu notieren. „Das entlastet das Gehirn“, sagt er. Warum? Weil wir uns durch das Setzen der Nicht-Ziele und das bewusste Verzögern von Erledigungen von der Vorstellung befreien, wir könnten neben dem einen Wichtigen, auf das wir uns ja besonders konzentrieren möchten, das zweite und dritte gleich auch noch erledigen. So beugen wir schlechtem Gewissen vor, das ebenfalls die Konzentration auf das Wesentliche raubt.

Tipp 5
Nicht-zielgerichtete Tagträume zulassen

Was, wenn die Aufmerksamkeit trotz aller Gegenmaßnahmen nachlässt? Wenn sie ins eigene Innere abdriftet? Wenn das Gehirn von Angenehmerem als dem Aufenthalt in der aktuellen Umgebung und der aktuellen Tätigkeit tagträumt? „Tagträumen, also das vage Denken an Besseres, sollte man zulassen“, so Hufnagl. Denn durch dieses nicht-zielgerichtete posi­tive Denken, Fantasieren oder Träumen werden jene Regionen in unserem Gehirn aktiv, die auch beim absoluten Nichtstun aktiv werden. Das bringt Erholung fürs Gehirn – und uns manchmal auch die Erkenntnis, dass das tatsächliche Arbeitsleben vom erträumten in einem Ausmaß abweicht, das eine berufliche Veränderung überlegenswert macht.   

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Treibstoff fürs Gehirn

Welche Nahrung die grauen Zellen leistungsfähiger macht

Wann haben Sie Ihr erstes Stück Traubenzucker ge­nascht? Wann Ihren ersten Espresso getrunken? Spätestens seit diesen ersten Malen, seit dem schnellen Leis­tungsschub, der auf das Naschen des Traubenzuckers folgte, und seit dem Muntermacheffekt, den das Schlürfen des Espressos nach sich zog, wissen wir: Es gibt feste und flüssige Nahrungsmittel, die wie Treibstoff für das Gehirn wirken können. Diesen Effekt eines starken Kaffees und von reinem Zucker bestätigt die Innsbru­cker Ernährungswissenschafterin Prof. Dr. Birgit Wild – und meint, dass wir uns diesen auch hin und wieder zunutze machen können. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass die Wirkung der Lebensmittel so schnell wie sie eintritt auch wieder schwindet, weil Koffein im Kaffee und die einfachen Kohlenhydrate im Traubenzucker rasch ins Blut gehen und den Blutzuckerspiegel zwar schnell ansteigen, aber auch schnell wieder absinken lassen, was müde macht.
„Um länger konzentriert und leistungsfähig bleiben zu können, brauchen wir auch eine länger anhaltende gleichmäßig hohe Energieversorgung“, erklärt Wild und ergänzt: „So eine Energieversorgung können wir nicht erreichen, indem wir ein einziges, spezielles Lebensmittel essen oder trinken, sondern nur, wenn wir eine gute Kombination von Lebensmitteln aus verschiedenen Nahrungsgruppen zu uns nehmen.“

Kohlenhydrate, Fette und Eiweiß

Kombinieren, und zwar klug kombinieren, ist angesagt, und Wild weiß auch wie: „Etwas mehr als die Hälfte der Nahrung, die wir über den Tag verteilt zu uns nehmen, 60 Prozent, sollte aus komplexen Kohlenhydraten bestehen.“ Diese werden im Körper nach und nach in mehrere Einfachzucker zerteilt, die über einen längeren Zeitraum hindurch das Gehirn mit Energie versorgen. Etwa ein Drittel der Nahrung, 30 Prozent, sollte wiederum aus Nahrungsmitteln bestehen, die reich an ungesättigten Fett­säuren sind: Diese tun den Blutgefäßen gut und stärken zudem die Nerven. Der Rest dessen, was wir uns im Sinn der grauen Zellen zuführen, sollte eiweißreich sein. Denn Eiweiß beziehungsweise dessen kleinste Bestandteile, die Aminosäuren, halten so wie alle Zellen des Körpers auch jene des Gehirns fit.

Vitamine, Spurenelemente und Glückshormon

Wird Wild nach ihren Angaben zu den richtigen Mengen an Eiweiß, Fettsäuren und Kohlen­hydraten gebeten, weiter ins Detail zu gehen, nennt sie spezielle Nährstoffe fürs Gehirn, die  in diesen Lebensmittelgruppen stecken. „Dazu zäh­len zum Beispiel Vitamine aus der B-Gruppe“, sagt sie. B1, B6 und B12 unterstützen die Nerven, machen uns geistig belastbarer und kon­zentrationsfähiger. Ähnlich verhält es sich mit den Spurenelementen Eisen, Magnesium und Zink sowie mit Lecithinen, bestimmten chemischen Verbindungen. Tryptophan, eine der Aminosäuren in eiweißreicher Kost, sorgt au­ßer­dem dafür, dass vermehrt das sogenannte Glückshormon Serotonin ausgeschüttet wird, was bei geistiger Anstrengung unseren Antrieb steigert und nebenher auch noch für Wohlgefühl sorgt.

Vollkornbrot, Salat und Fisch

Nur was essen und trinken wir nun konkret am besten, damit unsere grauen Zellen möglichst viel von all den erwähnten Treibstoffen bekommen? Viele Lecithine, viel Zink, Magnesium, Eisen und viele Vitamine der B-Gruppe? Viel ­Ei­weiß mit Tryptophan, viele ungesättigte Fett­säuren und komplexe Kohlenhydrate? „Letztere, komplexe Kohlenhydrate, stecken in allen Vollkornprodukten, vom Brot über die Nudeln bis zum Reis, und auch in Gemüse, Obst und ­Salat“, so die Ernährungswissenschafterin. Die wertvollen Fettsäuren, Omega-3-Fettsäuren, kön­nen wir uns gut über pflanzliche Öle zuführen wie Rapsöl oder Sonnenblumenöl sowie über Fisch wie Lachs, Forelle, Saibling oder Zander. Reich an hochwertigem Eiweiß sind ­neben Eiern, das Fleisch von Huhn und Pute sowie Milch und Milchprodukte, vom Joghurt über Käse bis Topfen, auch Fisch und Nüsse. In Nüssen sowie in anderen Hülsenfrüchten ­sowie Vollkornprodukten finden sich die erwähnten B-Vitamine. Ein guter Lieferant für ­Eisen und Zink ist zum Beispiel Fleisch, für Magnesium sind das beispielsweise Bananen und Spinat. Und besonders viel Tryptophan steckt etwa in Eiern, Thunfisch oder der Walnuss.


Menüs für graue Zellen

Was, wenn wir noch genauer wissen möchten, welche Menüs unsere grauen Zellen leistungsfähiger machen? Auch für diesen Fall hat Birgit Wild Vorschläge parat – vom Frühstück über das Mittagessen bis zum Abendessen (siehe Seite 53). Dazu darf es im Übrigen noch mindestens zwei Liter flüssiger „Treibstoff“ sein, am besten in Form von Wasser.

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Morgens, mittags und abends essen fürs Gehirn –
Nach Vorschlägen von Prof. Dr. Birgit Wild

Frühstück

Vollkornbrot entweder mit Butter und Marmelade oder mit Käse

oder

Müsli mit Joghurt oder Milch, Nüssen und getrockneten Marillen

Mittagessen

Vollkornweckerl mit magerer Wurst und Paprika

oder

Vollkornnudeln mit Salat

oder

Fisch mit Kartoffeln, Brokkoli, Salat

Abendessen

Gemüse mit Vollkornreis

Oder

Bratkartoffeln mit Ei

oder

Fleisch vom Huhn oder der Pute mit Erbsen und Mais oder Bohnen und Tomaten

 

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Stand 09/2019

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