Linzer Ärzte im „Nachtdienst“

Juni 2009 | Medizin & Trends

Eine zutiefst musikalische Ordination
 
Weil die Musik ein hervorragendes Ventil ist, um mit Belastungen besser fertig zu werden, weil das Musizieren eine wirksame Methode der Entspannung ist, haben sich Linzer Ärzte vor 15 Jahren zu einer Band zusammengeschlossen. Zu ihrem Bühnenjubiläum im April hat MEDIZIN populär-Redakteurin Mag. Alexandra Wimmer die rockenden Mediziner in ihrer „Gemeinschaftspraxis“, dem Linzer Posthof, konsultiert.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Es ist kein gewöhnlicher Nachtdienst, den die Ärzte im gesteckt vollen Posthof schieben. Die „Patienten“ sind zu ihrem Vergnügen hier, und die Mediziner haben Stethoskop, Nadel und Skalpell gegen Mikrophon, Bass, Saxophon & Co eingetauscht. Verschrieben werden hier keine Medikamente, sondern Songs von „Lady Madonna“, „Nah Neh Nah“ über „Unchain my heart“, „Lollipop“ bis hin zu „In the army now“ und „Proud Mary“. An der Wirksamkeit dieser Behandlung zweifelt hier niemand – es wird lautstark mitgesungen.

SINGERPROBTES PUBLIKUM
„Wir haben einen der besten Chöre“, ist Frontmann und Gründungsmitglied DDr. Martin Haditsch, Allgemeinmediziner, Facharzt für Tropenmedizin sowie Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie in Leonding, auf sein Publikum stolz. „Bei manchen Nummern spielen wir die ersten Noten an und den Rest singt das Publikum – das ist immer eine sehr nette und stimmschonende Erfahrung.“ Zur Feier des Tages bringt das singerprobte Auditorium den „Rockern in Weiß“ sogar ein Ständchen: „Happy birthday to you.“

Wie eine Party mutet das Konzert an, und so soll es auch sein: „Wir fühlen uns eher wohl, wenn das Publikum mitmacht, mitsingt, als wenn wir konzertant für jemanden spielen. Der Kontakt mit dem Publikum ist uns wichtig, das beinhaltet schon unser Bandname I.C.U, also ‚I see you‘ – ‚Ich sehe dich‘“, erklärt Namensschöpfer Martin Haditsch. Überhaupt ist der Bandname mit seiner Doppelbedeutung Programm: „Im medizinischen Bereich steht I.C.U für ‚Intensive Care Unit‘, also für Intensivstation“, so der Facharzt. „Das entspricht unserer ursprünglichen Absicht, dass wir uns intensiv um die Musik kümmern möchten. Wir nehmen auch anspruchsvollere Nummern ins Programm, an denen man intensiv arbeiten muss.“

Musikalisch hat man sich schon bei der Bandgründung auf die 1960er, 1970er und 1980er Jahre festgelegt. „Wir covern in erster Linie Nummern aus dieser Zeit“, berichtet Haditsch, den besonders freut, dass nicht nur die musikalischen Zeitzeugen, also die Generation 30+, sondern auch Jugendliche mit ihren Eltern die Konzerte besuchen. „Ich glaube, man schätzt es, dass die Musik damals relativ direkt und erdig war. Entsprechend kann sie auch wiedergegeben werden, ohne dass man im Hintergrund vier Computer hat“, so Haditsch. „Wir haben kein Playback – jeder Ton wird auf der Bühne live von jemandem gespielt.“

DIE BANDMITGLIEDER
Die „musikalische Ordination“ ist wie folgt besetzt: Gründungsmitglied Martin Haditsch singt, spielt Rhythmusgitarre und Percussion. Der Unfallchirurg und Sportmediziner Dr. Christian Rodemund, ebenfalls Gründungsmitglied, spielt Keyboard, der Anästhesist Dr. Reinhard Schernthanner Bass. Am Schlagzeug sitzt Prim. Dr. Rudolf Sigl, Leiter der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Krankenhaus Barmherzige Schwestern in Linz. Dr. Asuman Göcke ist Anästhesistin am Linzer Wagner Jauregg und in der Band für Gesang und Bühnenshow verantwortlich. Saxophonist ist der Labormediziner Dr. Tassilo Trubrig, der Wilheringer Orthopäde Dr. Maximilian Ziernhöld singt und spielt Gitarre, Dr. Günther Feichtinger (Bluesharp) ist Unfallchirurg am Linzer AKH. Doch auch Nicht-Mediziner sind in der Band mit tonangebend: Die medizinische Karriere von Eduard Stallinger (musikalischer Leiter, Akkordeon und Klarinette) beschränkt sich auf „zwei kürzere Krankenhausaufenthalte“, jene von Heimo Knebl (Rhythmusgitarre, Percussion, Gesang) auf „das Doktor spielen mit den Mädls aus der Nachbarschaft“. Die Sängerinnen Angela Knebl und Gisela Kirchweger komplettieren die rockende Truppe.

GESUNDES VENTIL
Wie kam es zu der Idee, eine Ärzteband ins Leben zu rufen? „Wir sagten uns damals, man könnte doch die vielen beruflichen Kontakte nutzen, um sich für den Stress im Beruf ein konstruktives Ventil zu schaffen“, berichtet Martin Haditsch. Der Arztberuf habe zwar „sehr viele schöne Seiten“, auf der anderen Seite sei man naturgemäß oft mit kranken, leidenden Menschen konfrontiert. „Diese tragische Seite kann sich unterschiedlich auswirken, in Form von Depression bis hin zu Zynismus“, erläutert der Arzt. „Wir haben uns für ein Ventil entschieden, bei dem wir für eine gewisse Zeit die Belastungen des Berufslebens hintanstellen können, um miteinander etwas Schönes, nämlich Musik zu machen.“

Die Musik fungiert aber nicht nur als Ventil mit Spaßcharakter, sondern hat erwiesenermaßen positive Auswirkungen auf den Organismus – das erleben die Mediziner-Musiker regelmäßig am eigenen Leib. „Man nehme unsere Proben“, gibt Haditsch ein Beispiel. „Einer kommt schon ganz relaxed an, ein anderer schnauft herein, weil er gerade von der Ordination oder aus dem Spital kommt. Bei der Probe stellt man sich dann auf einen gemeinsamen Puls, einen gemeinsamen Rhythmus ein – und nach zwei, drei Stunden Probe gehen alle ausgeglichen hinaus.“

Auch beim Publikum diagnostiziert der Arzt „positive Einflüsse der Musik auf den Körper. Konzertbesucher bestätigen uns immer wieder, dass die Musik dazu führt, dass sie mit ihren Schwingungen ins Reine kommen.“ Am meisten sprechen übrigens Musikstücke mit einer Taktgeschwindigkeit zwischen 60 und 80 Schlägen in der Minute an. „Diese Frequenz entspricht unserem Herzrhythmus, deshalb scheint sie – oder ein Vielfaches davon – besonders gut zu wirken.“

GÖTTER IN (SCH)WEISS
Auch beim Jubiläumskonzert geht es Schlag auf Schlag, ein Song folgt dem anderen – der Abend ist ohne Frage eine große Anforderung an die körperliche Fitness von Musikern und Publikum. Beim Spielen, (Mit-)Singen, Klatschen und Tanzen kommen alle Beteiligten ordentlich ins Schwitzen. Ganz gezielt werden deshalb dazwischen auch langsamere Stücke eingebaut. „Es ist wichtig, während eines Konzerts Erholungsphasen einzuplanen“, veranschaulicht der Arzt. „Dafür gibt es Nummern – etwa von Pink Floyd –, bei denen primär Töne hingelegt werden, ohne dass ein Schlagzeug einen Rhythmus angibt.“
Ihren Arztberuf legen die rockenden Mediziner an der Künstlergarderobe also nicht ganz ab. Ein gesundheitlicher Aspekt ist ihnen ein besonderes Anliegen: die Schonung des Gehörs. „Im Posthof sind Ohrstöpsel erhältlich“, berichtet Haditsch. „Und im Vergleich zu anderen Bands reduzieren wir die Lautstärke etwas, trotzdem ist sie natürlich größer als bei einem Kammerkonzert. Ich glaube, dass Stimmung eine gewisse Grundlautstärke braucht.“

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Hilfsprojekt für Schlangenbissopfer:
Erste CD „Snakebite“

Rechtzeitig zum Bühnenjubiläum ist auch die erste CD mit dem Titel „Snakebite“ erschienen, die die Ärzte einem medizinischen Projekt widmen: Mit dem Reinerlös (Kosten pro CD: 8 Euro) will man in Papua-Neuguinea Opfern von Schlangenbissen zur notwendigen medizinischen Versorgung verhelfen. „Je nach erwirtschaftetem Gewinn wird so die Anschaffung von solarbetriebenen Kühlschränken zur Lagerung von Antiserum, Material für die erste Hilfe bei Schlangenbissen, eine dringend nötige Klimaanlage für das Schlangenhaus ermöglicht, oder – bei durchschlagendem Erfolg – sogar die erste kindertaugliche Beatmungsmaschine“, berichtet DDr. Martin Haditsch, der Initiator des Projekts.

Kontakt und Bestelladresse: DDr. Martin Haditsch,

E-Mail: leondingno@sonicht.travelmed.at

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