Mit Nadelstichen gegen Heuschnupfen

März 2013 | Medizin & Trends

Wie Akupunktur bei Pollenallergie hilft
 
Die Nase rinnt, die Augen jucken, der Hals kratzt, der Kopf brummt: Wenn alle Jahre wieder im Frühling der Heuschnupfen ausbricht, ist der Wunsch nach Linderung groß. Hilfe bietet auch die Akupunktur. Was die Nadelstiche bei Pollenallergie bewirken können.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Rast der Puls, ist die Zunge belegt, macht der Schlaf Probleme, stockt die Verdauung, und gibt es Belastungen körperlicher oder seelischer Natur? Wer in der Akupunkturambulanz des Krankenhauses Hietzing in Wien Hilfe gegen Heuschnupfen und andere Beschwerden sucht, die mit einer Pollenallergie einhergehen, wird zunächst ausführlich und nach den Kriterien der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) untersucht. Anschließend geht es ab auf die Liege, die Nadeln liegen schon bereit, und nun werden sie hineingestochen: in die Kopfhaut, in die Ohrmuscheln, die Ohrläppchen, die Stirn, zwischen die Augenbrauen, in Armbeugen und Handrücken, in den Bauch, die Waden, Knöchel, Füße. Ob das weh tut oder nicht, hängt von der Empfindlichkeit der Einstichstelle ab.
Wenn alle 15 Nadeln stecken, heißt es für 20 Minuten Ruhe geben, bevor sie wieder entfernt werden. „Nur wenn eine Dauerakupunktur empfehlenswert ist, stechen wir anschließend an die Akupunktursitzung Dauernadeln in Ohrläppchen und Ohrmuscheln“, beschreibt Dr. Michaela Bijak, Allgemeinmedizinerin und TCM-Ärztin, wie die Therapie meistens weiter vor sich geht. „Diese Nadeln fallen nach einiger Zeit von selbst heraus.“

Besserung tritt schnell ein

Rund 7000 Behandlungen führen Bijak und ihre Kollegen an der Akupunkturambulanz in Wien-Hietzing jedes Jahr auf diese Art und Weise durch. Den Patienten, zu denen Frauen und Männer jeden Alters, Jugendliche sowie Kinder zählen, wird geraten, sich zehn Mal in zehn aufeinanderfolgenden Wochen akupunktieren zu lassen. „Wichtig ist, dass sie das tun, bevor die Zeit beginnt, in der die Pollen fliegen, auf die sie allergisch reagieren“, sagt Bijak. Jetzt im März ist z. B. die beste Zeit für die Nadelstich-Therapie gegen eine Allergie auf Gräser- und Roggenpollen, die im Mai und Juni zu fliegen beginnen. „90 Prozent der Patienten spüren schon nach der ersten Akupunkturserie eine deutliche Linderung der Beschwerden und können die Medi­kamente, die sie gegen die Symptome nehmen, wie Antihistaminika, Nasen- oder ­Augentropfen, wesentlich reduzieren“, sagt Bijak über den Erfolg der Behandlung. Nach etwa drei Jahren mit der Kombi-Therapie sind fast alle Patienten beinahe beschwerdefrei.

Studien belegen Behandlungserfolge

Auch TCM-Ärztin Bijak selbst zählte zu den 1,3 bis 1,7 Millionen Pollenallergikern in Österreich, bevor ihr die Akupunktur geholfen hat. Und das, obwohl sie dieser Methode zunächst äußerst skeptisch gegenüberstand: „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das auch nur irgendwie wirkt, wenn mir jemand Nadeln in die Haut sticht“, sagt sie und lacht. Inzwischen haben sie die Selbsterfahrung und langjährige Arbeit mit ihren Akupunkturpatienten eines Besseren belehrt.
Zudem haben verschiedene Forscher wissenschaftliche Hinweise für die Heilkraft der Nadeln bei Heuschnupfen geliefert. So bewies z. B. eine Studie, die zwei Jahre lang bis 2003 mit fast 5000 Teilnehmern in Deutschland lief, die Wirksamkeit der Behandlung. Diese Studie wurde von Univ. Prof. Dr. Benno Brinkhaus von der Berliner Charité koordiniert, der bei 56 Patienten auch die Wirksamkeit einer Behandlung mit Akupunktur in Kombination mit chinesischen Arzneimitteln belegte. Derzeit arbeiten Brinkhaus und sein Forscherteam an einer Studie, die die Wirksamkeit der Akupunktur gegenüber einer Schein-Akupunktur sowie gegenüber einer Gruppe zeigt, die nur antiallergische Medikamente erhält.    
2007 wies eine Forschergruppe von der Universitätsklinik in Heidelberg in einer Studie mit 38 Teilnehmern mit allergischem Asthma nach, dass sich durch Akupunktur das Blutbild verbessert. So verringerte sich bei den Allergikern die Zahl von Substanzen, die das Immunsystem zu der Überreaktion auf die Allergene verleiten, während andere Stoffe, die eine regulierende Wirkung auf das Immunsystem haben, vermehrt nachgewiesen wurden. In einer weiteren Studie zeigte man, dass Kinder mit allergischem Asthma, die mit einer Kombination aus Laser-Akupunktur und anderen Methoden der TCM behandelt wurden, weit weniger Anfälle hatten als Kinder nach einer Scheintherapie.

Die Wahl der Punkte

Dass nicht nur Nadelstiche gegen Allergien wirken, diese Erfahrung hat auch Expertin Bijak gemacht. Auch mit der Akupressur, dem bloßem Drücken auf die ausgewählten Punkte, lasse sich der gewünschte Effekt erzielen. „Und bei Kindern reicht der Lichtreiz des Lasers offenbar aus, um dieselbe Wirkung wie durch Nadelstiche oder die Akupressur zu erzielen.“ Welche Punkte gewählt werden, ist bei jedem Allergiker unterschiedlich, so die Expertin weiter. „Es hängt davon ab, worauf die Allergie zurückzuführen ist.“
Nach der TCM geht eine Pollenallergie häufig auf einen sogenannten Leber-Qi-Stau zurück, was man mit einer Störung des Energieflusses durch die Leber bzw. einer Leberfunktionsstörung übersetzen kann. Dann wird an einer anderen Stelle gedrückt, mit dem Laser beleuchtet oder mit Nadeln gestochen, als wenn die Ursachen für die Allergie ein rebellierendes Lungen-Qi oder Mängel im Fluss des Nieren-Qi sind. Diese Funktionsstörungen der Lunge und Niere liegen der Pollenallergie ebenfalls häufig zugrunde. Auch das Verhältnis zwischen Yin und Yang, der weiblichen und männlichen Energie, sei bei Allergikern oft unausgeglichen, so die Expertin weiter, könne aber durch die Stimulierung bestimmter Punkte gut wieder in Einklang gebracht werden.

Erholung als Nebenwirkung

Ist das geschafft, hat die Akupunktur bei den Allergiepatienten meistens nicht nur die eigentlich gewünschte modulierende Wirkung auf das Immunsystem, die vor Überreaktionen auf Pollen schützt. Auch eine Reihe verschiedener „Nebenwirkungen“ tritt auf, „die als äußerst angenehm empfunden werden“, weiß Bijak. So lösen sich etwa schmerzhafte Muskelverspannungen, die Durchblutung des gesamten Körpers wird angekurbelt, Substanzen werden ausgeschüttet, die die Nerven beruhigen und entspannend wirken sowie für guten Schlaf sorgen. Und das nicht nur nachts: „Manche Patienten schlafen während der Behandlung hier bei uns in der Akupunkturambulanz auf der Liege ein und fühlen sich danach gut erholt“, so die Ärztin.    

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Von Allergietest bis Immuntherapie:
Die Basisbehandlung

So gut die Akupunktur als Zusatztherapie wirkt, Basis jeder Behandlung einer Pollenallergie sollen Methoden der westlichen Schulmedizin sein. Dr. Waltraud Emminger, Allergieexpertin in Wien: „Grundlagen einer solchen Behandlung sind eine Befragung, eine Blutuntersuchung sowie ein Allergietest. Dabei wird durch das Auftragen allergieauslösender Substanzen auf die Haut ermittelt, auf welche Substanzen man allergisch reagiert.“ Ziel der Behandlung ist, die Ausweitung des Allergenspektrums und die Beteiligung der Bronchien zu verhindern, also zu vermeiden, dass sich zum Schnupfen Asthma gesellt. „Und das gelingt umso besser, je früher therapiert wird, z. B. mit Antihistaminika, die die Überreaktion des Immunsystems auf Allergene hemmen“, erklärt Emminger.
Sind die Beschwerden bereits stark, empfiehlt sich nach wie vor die sogenannte spezifische Immuntherapie (SIT). Waltraud Emminger: „Dabei werden den Patienten immer höhere Dosen der allergieauslösenden Substanzen injiziert, bis das Immunsystem nicht mehr auf die Allergene reagiert.“ Drei Viertel der Betroffenen können durch SIT sogar geheilt werden. Noch neu ist eine Immuntherapie, die nach dem gleichen Prinzip funktioniert, nur dass die Allergene in Form von Tropfen oder Tabletten unter die Zunge gegeben werden. Forschungen nach weiteren Mitteln gegen das Übel sind im Laufen. Große Hoffnungen werden etwa in die Immuntherapie in Form einer Impfung gesetzt, die sich gezielter gegen Allergien auf bestimmte Pollen richtet, berichtet Emminger: „Auf den Markt kommen wird sie aber frühestens in zehn Jahren.“

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