Tiertherapie

August 2014 | Leben & Arbeiten

Wie Vierbeiner kranken Menschen helfen
 
Vor allem Menschen, die nach Erkrankungen oder anderen Schicksalsschlägen nicht mehr ins Leben zurückfinden und sich isolieren, kann der Umgang mit Tieren helfen. Warum das so ist, zeigt das Beispiel von Constanze, für die ein Pferd zum Therapeuten wurde.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Constanze und Tamino verbringen seit sieben Jahren fast jeden Donnerstagnachmittag miteinander: Das 16-jährige Mädchen geht reiten, würden andere ganz einfach sagen. Constanze selbst sagt das zwar auch, aber zusätzlich erzählt sie davon, wie sie es genießt, dass sie mit dem Pferd ein Team bildet und gemeinsam mit ihm immer wieder schöne Wege findet. „Das kostet mich schon Kraft“, erwähnt sie noch. „Aber es gibt mir auch viel zurück, und eigentlich kann ich sagen, dass Tamino meine allergrößte Kraftquelle ist.“
Kraftquellen kann die junge Wienerin nicht genug haben, denn sie ist schwer krank – und das seit vielen Jahren. Als sie acht war, wurde bei ihr ein Tumor in der Wirbelsäule entdeckt. Der konnte zwar entfernt werden, doch nach dem Eingriff bekam sie eine Skoliose und eine Kyphose: Ihr Rücken wurde seitlich immer schiefer, zudem bildete sich ein Buckel. Es begann ein Leben mit Schmerzen, Behinderungen, vielen Spitalsaufenthalten. „Damals habe ich lange Zeit fast mit niemandem mehr geredet, ich konnte einfach nicht“, erinnert sie sich. „Ich habe mich dabei aber sehr isoliert gefühlt und hatte große Angst davor, immer so allein zu bleiben.“ Im Spital schlug eine Psychologin vor, es mit einer Equotherapie zu versuchen, einer Therapie mit Pferden beim Wiener Verein „e.motion“.

Über das Tier zu den Menschen

Dort stand eine bunte Herde von 17 Pferden bereit. Für Constanze suchte man Tamino aus und ließ die beiden erst einmal in Kontakt kommen. Das Mädchen lernte, das Pferd zu begrüßen, zu füttern, zu striegeln und zu putzen, spazieren zu führen – und schließlich zu reiten. „Das Pferd war für sie wie eine vierbeinige Brücke, die es ihr wieder möglich gemacht hat, Beziehungen zu anderen Menschen aufnehmen zu können und zu gestalten“, beschreibt es Tiertherapeutin Mag. Verena Bittmann vom Verein „e.motion“, die Constanze von Anfang an bei der Therapie begleitete.
So wie Constanze hat die Therapie über die zehn Jahre, seit es den Verein gibt, Hunderten anderen Menschen geholfen, vorrangig Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen. Die meisten von ihnen fanden ebenfalls nach körperlichen Erkrankungen oder anderen Schicksalsschlägen wie Todesfällen in der Familie oder Gewalterfahrungen nicht mehr ins Leben zurück. Andere hatten sich aufgrund von psychischen Krankheiten wie Depressionen von ihren Mitmenschen isoliert, waren einsam.

Weg aus der seelischen Starre

„Unsere Pferde haben von Natur aus eine spezielle Begabung, sie reagieren besonders sensibel auf körperliche Impulse“, beginnt Bittmann die heilsame Wirkung der Pferde zu erklären. Hinzu kommt, dass die Tiere drei Jahre lang ausgebildet werden. „Sie lernen, die Körpersprache von Menschen zu lesen und Rückmeldungen zu geben.“ Nehmen die Patienten die Emotionen des Pferdes wahr, werden auch sie wieder emotionell. „Sie finden aus ihrer seelischen Starre heraus und bekommen Zugang zu ihren eigenen Gefühlen“, so Therapeutin Bittmann. Wenn das erfolgt ist, können seelische Wunden heilen, kann die Lebensfreude zurückkehren. Erfolgserlebnisse beim Reiten bringen zudem Selbstvertrauen und neuen Mut, sich weiter anzustrengen und dranzubleiben. Nach und nach werden so die Konzentrations- und Lernfähigkeit verbessert, das Orientierungsvermögen nimmt zu, Beweglichkeit und das Koordinationsfähigkeit verstärken sich – so profitiere der Mensch auf allen Ebenen vom Umgang mit dem tierischen Therapeuten.
All das hat auch Constanze erfahren. Um ihre Schmerzen ertragen zu können und eine Verschlechterung ihres Rückenleidens zu verhindern, muss die Schülerin lebenslang zur Physiotherapie. Möglicherweise benötigt sie noch weitere Operationen an der Wirbelsäule, vor denen sie naturgemäß ebenso Angst hat wie vor der Wiederkehr der Krebserkrankung.
Doch sie lässt nicht mehr zu, dass Ängste und Schmerzen ihr Leben bestimmen. In ihrer Freizeit hilft die 16-Jährige inzwischen im Verein mit und unterstützt ehrenamtlich andere Kinder und Jugendliche, die so wie sie Schlimmes durchgemacht haben, auf ihrem Weg mit dem Pferd in ein besseres Leben.

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Webtipp
www.pferd-emotion.at

Stand 07/2014

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