Unbeschwert atmen

Februar 2024 | Medizin & Trends

Die Atmung bestimmt unser ganzes Leben. Der dafür verantwortlichen Heldin schenken wir jedoch kaum Beachtung. Huldigen wir ihr doch einmal – der Lunge!

Von Mag.a Sylvia Neubauer

80 Regentonnen zu je 250 Liter – das entspricht jener Menge Sauerstoff, die ein Mensch pro Tag aufnehmen kann. 10.000 bis 20.000 Liter Luft sind es, die wir tagtäglich ein- und ausatmen. Beachtlich!

Die so strebsame Lunge kann aber auch richtig schwarz vor Ärger werden: Immer dann, wenn wir rauchen. Raucher*innen haben ein zehn bis 15-fach erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. „Nach Brustkrebs bei Frauen und Prostatakrebs bei Männern, steht das Lungenkarzinom bei beiden Geschlechtern an zweiter Stelle der Krebsneuerkrankungen“, gibt Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht, Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz zu bedenken. In puncto Lungengesundheit besteht wortwörtlich noch viel „Luft nach oben“.

Abwehrmechanismen unserer Atemwege

An unsere Atmung müssen wir nicht denken, denn sie funktioniert von ganz allein. Wie von selbst wird unser Körper so mit lebenswichtigem Sauerstoff versorgt, ohne den unser Gehirn nur wenige Minuten überleben kann.
Der Haken an der Sache: Atemluft beinhaltet auch Staubpartikel, Mikroorganismen und andere ungebetene Gäste. In der Erkältungszeit kann es schon einmal vorkommen, dass wir sage und schreibe rund 10.000 Bakterien und 100.000 Viren in unser Atemsystem einschleusen – innerhalb von nur einer Stunde! Dass wir uns nicht das ganze Jahr über mit einer Schnupfennase herumplagen müssen, haben wir der Schleimschicht zu verdanken, mit der unser Atemtrakt ausgekleidet ist. Darin werden alle Fremdkörper eingefangen, die den kleinsten Haaren in den Nasenhöhlen, unserer ersten Kontrollinstanz, entgangen sind. Ein bisschen Schleim darf es also gerne sein!

Zu viel Schleim muss raus

Für den Abtransport des Schleims sorgen überaus bewegungsfreudige Flimmerhärchen, die Zilien. Wie Ähren im Wind schlagen sie wellenartig hin und her, zirka 1000-mal pro Minute. Auf diese Weise werden im Schleim gebundene Eindringlinge von der Lunge in Richtung Rachen katapultiert. Spüren wir mehr Schleim im Hals als üblich, können sich dahinter Erkrankungen oder Infektionen verbergen.

Krankheitserreger setzen Entzündungsreaktionen in Gang, die mit einem Anschwellen der Schleimhäute und einer vermehrten Sekretproduktion einhergehen. Dieser Schleim ist dann dick und zäh und unsere Flimmerhärchen haben alle Mühe, ihn fortzuschaffen. Es tritt ein Notfallmechanismus in Kraft: wir husten und niesen, und zwar in Orkanstärke. Mit bis zu 160 Stundenkilometer entweicht die Luft bei einem Niesanfall aus unserer Lunge. Solche Stürme im Inneren des Körpers rauben uns sämtliche Kräfte. Bei Husten und Schnupfen gilt es daher, besser einen Gang zurückzuschalten.

Asthma und COPD – keine Einzelschicksale

Regelmäßiger Husten, vor allem in Verbindung mit gelblich oder bräunlich gefärbtem Auswurf, ist immer ein Alarmzeichen. Treten außerdem Anzeichen von Atembeschwerden, und Kurzatmigkeit auf, sollte unbedingt ein Arzt bzw. eine Ärztin aufgesucht und abgeklärt werden, ob eine COPD vorliegt.

Das Tückische an dieser Erkrankung ist, dass sie zunächst schleichend beginnt, langsam und zum Teil unbemerkt voranschreitet und schließlich zu einer dauerhaften Verengung und Entzündung der Atemwege führt.
„Bei diesem Krankheitsbild gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Symptomatik“, weiß ao. Univ.-Prof.in Dr.in Judith Löffler-Ragg von der Universitätsklinik für Innere Medizin II Innsbruck: „Während Männer vermehrt Husten und Auswurf haben, zeigt sich eine COPD bei Frauen eher durch Leistungsschwäche, Müdigkeit und Depressivität.“

Umgangssprachlich wird die chronisch obstruktive Lungenerkrankung („chronic obstructive pulmonary disease“, kurz COPD) oft als „Raucherhusten“ bezeichnet und das kommt nicht von ungefähr: Bei etwa neun von zehn Betroffenen ist Tabakrauch für die Erkrankung verantwortlich. Zudem verstärkt Rauchen die Beschwerden und lässt die Lungenerkrankung schneller fortschreiten – es steht so immer weniger Lungengewebe für die Aufnahme von Sauerstoff zur Verfügung. Die Folgen sind ein chro­nischer Sauerstoffmangel und eine zunehmende Atemnot.

Ein Lungenfunktionstest kann dazu beitragen, Lungenerkrankungen wie COPD oder Asthma frühzeitig zu erkennen. Typisch für Asthma sind anfallartiger Husten und Atemnot, die verstärkt nachts und in den frühen Morgenstunden auftritt. Weniger das Einatmen, vielmehr das Ausatmen bereitet den Patient*innen Probleme.
„Asthma kommt bei Frauen häufiger vor als bei Männern“, sagt Löffler-Ragg. Das läge unter anderem an den weiblichen Hormonen. „Gerade in der Schwangerschaft kommt es bei einem Drittel der Patientinnen zu einer Verschlechterung des Asthmas“, so die Medizinerin. Der Ärztin zufolge wirken auch Medikamente gegen Lungenleiden bei Frauen anders als bei Männern.

Grundsätzlich gilt: Bei Asthma fungiert das Erkennen und Vermeiden der Auslöser als erster und wichtigster, therapeutischer Schritt. Bei COPD ist es von entscheidender Bedeutung, auf die Hauptursache der Erkrankung zu verzichten: das Rauchen.

Lunge in Gefahr

Bei jedem Zigarettenzug entsteht durch die Verbrennung des Tabaks ein Gasgemisch, in dem Tausende kleinste Partikel gelöst sind. Über 4800 Substanzen enthält der blaue Dunst – darunter Nikotin, Nitrosamin, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Blausäure. Viele dieser Substanzen sind krebserregend. Etwa jede*r zehnte Raucher*in erkrankt im Laufe des Lebens an Lungenkrebs.*

„4500 Neuerkrankungen gibt es in Österreich pro Jahr“, nennt Lamprecht konkrete Zahlen. Das Gefährliche ist, dass ein Lungenkarzinom im Frühstadium keine Beschwerden verursacht – tatsächlich gibt es keine Anzeichen, die auf eine Krebsvorstufe oder einen Tumor im sehr frühen Stadium hinweisen. „Wir können derzeit nur ein Fünftel aller Erkrankungen in einem Frühstadium erkennen“, zeigt sich Lamprecht besorgt: „Nahezu die Hälfte aller Erstdiagnosen erfolgt in einem weit fortgeschrittenen Stadium, in dem bereits Metastasen vorliegen.“ Die Prognose sei dann – trotz besser gewordener Behandlungsmöglichkeiten – tendenziell schlecht.

Aktuell sind die Möglichkeiten zur Früherkennung von Lungenkrebs begrenzt. Das könnte sich künftig ändern: In Studien ließ sich der Nutzen von strahlungsarmer Computertomografie zur Krebsfrüherkennung nachweisen. „Immer mehr Daten belegen, dass solche Lungenkrebs-Screenings zu einer Senkung der Lungenkrebs-Sterblichkeit führen“, erklärt der Lungenfacharzt: „Die Lungenkrebs-Sterblichkeit konnte bei Risikogruppen in einem Beobachtungszeitraum von zehn Jahren um bis zu 20 Prozent gesenkt werden, bei Frauen sogar um 40 bis 60 Prozent“, so der Experte. Aktuell wird geprüft, unter welchen Voraussetzungen ein solches Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm beispielsweise starken Raucher*innen angeboten werden kann. (Stand Oktober 2023)

*Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ)

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Was Schleimhäuten und der Lunge guttut …

… bewusstes Atmen: Die Lunge ist kein Muskel – sie ist also gar nicht fähig, von allein zu atmen. Damit sie sich mit Luft füllen kann, braucht es Kooperationspartner: das Atemzentrum im Gehirn, die Atemmuskulatur und den Brustkorb. Vor allem das Zwerchfell und die Rippenmuskeln sind die engsten Vertraute unserer Lunge. Wir können allen diesen Akteuren Gutes tun, indem wir mehrmals am Tag tief ein- und ausatmen. Speziell bei Stress hilft es, die Phase des Ausatmens zu verlängern. Dadurch stimulieren wir unser parasympathisches System, das uns entspannen lässt.

… Feuchtigkeit: Die Wärme in beheizten Räumen mag zwar angenehm sein, das trockene Raumklima, das dadurch entsteht, setzt jedoch unseren Augen – Stichwort trockene Augen – und unseren Atemwegen zu.
Trockene Luft reizt die empfindlichen Schleimhäute und lässt sie austrocknen, folglich sind wir anfälliger für Infektionen. Die optimale Luftfeuchtigkeit in Wohnräumen liegt zwischen 40 und 60 Prozent. Gerade im Winter ist es wichtig, mindestens zwei- bis dreimal pro Tag jeweils fünf Minuten alle Fenster zu öffnen. Querlüften – also das Öffnen von Fenster und Türen gegenüberliegender Räume – ist besonders effektiv. Die frische Luft kann so gut zirkulieren, wodurch ein idealer Luftaustausch gewährt ist. Auch ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft tut gereizten Augen und geforderten Schleimhäuten der Atemwege gut.

… Bewegung: Krumme Geschäfte sind der Lunge zuwider: in der Arbeit sitzen wir nicht nur zu viel, sondern auch zu buckelig. Unser Brustkorb kann sich so nicht entfalten – die Atmung ist behindert. Im Kleinen sollten wir darauf achten, uns immer wieder aufzurichten und zu strecken. Auch gezielte Kräftigungsübungen können helfen, Augenmerk gilt es vor allem auf die Muskulatur zwischen den Schulterblättern zu richten. Überhaupt ist unsere Atempumpe von muskulärer Leistung abhängig: Sowohl Untergewicht als auch Übergewicht können unsere Lungenfunktion herabsetzen. Doch auch die Lunge kann trainiert werden, etwa durch regelmäßigen Ausdauersport.

 … Rauchstopp: Jede*r weiß es: Am besten, man fängst erst gar nicht mit dem Rauchen an. Und doch greift ein Viertel der Österreicher*innen zum Glimmstängel, was einem Raucher*innenanteil von 1,76 Millionen Personen entspricht. Es ist allerdings nie zu spät, wieder damit aufzuhören. Jede nicht gerauchte Zigarette ist für den Körper ein Gewinn: Bereits drei Tage nach einem Rauchstopp bessert sich die Funktion der Atemwege. Auch das Lungenkrebsrisiko sinkt kontinuierlich. Es halbiert sich nach fünf bis zehn Jahren und nähert sich nach 15 bis 20 Jahren demjenigen von Menschen an, die nie geraucht haben.

… Hausmittel: Bei Schnupfen wirken Dampfinhalationen mit ätherischen Ölen wie Pfefferminze entzündungshemmend. Nasenspülungen mit Kochsalz versorgen die die Schleimhäute mit Feuchtigkeit und können die Zahl der Krankheitserreger reduzieren. Gegen Husten sind gleich viele Kräuter gewachsen: Die Schleimstoffe in Spitzwegerichkraut, Lindenblüten oder Eibischwurzel bilden einen beruhigenden Schutzfilm auf der entzündeten Schleimhaut und lindern unangenehmen Reizhusten.

… Beschwerden ernst nehmen: Entzündungen der Atemwege oder Erkältungssymptome, die sich über Wochen nicht bessern, anhaltender Husten, chronische Heiserkeit, Schluckbeschwerden, Schmerzen in der Brust sowie ein unerklärlicher Gewichtsverlust sind Alarmsignale, die eine rasche ärztliche Abklärung erfordern.

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Achtung Lungenentzündung!

Die Viruserkrankungen COVID und Influenza halten das Immunsystem auf Trab und machen es bakteriellen Keimen wie den Pneumokokken leicht, sich auszubreiten. Das kann dann unter anderem zu einer Lungenentzündung führen, die besonders für ältere Menschen mit Vorerkrankungen gefährlich sein kann. Um das Risiko dafür zu minimieren, sollten sich Menschen ab 60 und Personen mit Vorerkrankungen neben COVID-19 und Influenza unbedingt auch gegen Pneumokokken und RSV impfen lassen.

„Eine COVID-19-Welle wird bei vielen Menschen zu geschädigten Schleimhäuten führen und dadurch die Abwehrmechanismen des Körpers schwächen“, berichtet Prim. Priv.-Doz. Dr. Rainer Gattringer, Infektiologe am Institut für Hygiene und Mikrobiologie am Klinikum Wels-Grieskirchen. „Dadurch werden zusätzliche oder nachfolgende bakterielle Infektionen wie Pneumokokken-Infektionen begünstigt.“

Auch Influenza- oder RSV-Infektionen (RSV = Humanes Respiratorisches Synzytial-Virus) hätten einen ähnlichen Effekt. „Zu jeder Influenza-Welle gibt es parallel eine Pneumokokken-Welle“, erläutert der Experte. „Die Kombination – also eine Doppelinfektion mit beiden Keimen – ist besonders problematisch.“ Und oft auch für das Herz gefährlich. Ältere Erwachsene und chronisch Kranke können auch an RSV schwerer erkranken.

 

 

Foto: (c) gettyimages_SolStock_arcady

 

 

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