Pistenflitzer leben gesünder

November 2012 | Fitness & Entspannung

Studie: Krankheiten kann man davonwedeln
 
Auf zwei Brettln und jeder Menge g’führigem Schnee riskieren pro Winter fast drei Millionen Österreicher vermeintlich ihre Knochen. Doch das so oft als extrem gefährlicher Sport verteufelte Skifahren wird für die Pistenflitzer nicht nur immer sicherer, sondern entpuppt sich in neuen Studien als Waffe gegen Krankheiten aller Art. Wie man Diabetes, Herzproblemen und möglicherweise sogar Alzheimer davonwedelt, verrät ein Experte in MEDIZIN populär.
 
Von Wolfgang Kreuziger

Es ist der große Adrenalinkick auf tief verschneiten Hängen, der Skisportler jeden Winter wie eine süchtig machende Droge in seinen Bann zieht. Auf das Eintauchen der Carving-Latten in den glitzernden Pulverschnee der rund 16.000 Pistenkilometer unseres Landes und den atemberaubenden Blick auf die Bergwelt beim anschließenden Einkehrschwung wollen jährlich 2,8 Millionen Österreicher und weitere sieben Millionen ausländische Gäste trotz der drohenden Verletzungsgefahr nicht verzichten. „Diese ist auch längst nicht mehr so groß wie früher, sondern durch die verbesserte Ausrüstung auf einen Tiefstwert von etwa einer Verletzung pro 500 Skitagen gesunken“, rechnet Univ. Prof. DDr. Martin Burtscher vom Institut für Sportwissenschaft in Innsbruck vor. Mehr noch: Eine gemeinsam von ihm und dem Österreichischen Skiverband ÖSV erstellte Studie an 1259 begeisterten Hobbyskifahrern weist diesen Sport stärker als bisher bekannt als hochwirksames Anti-Aging-Mittel und Waffe gegen Altersbeschwerden aus.
    
Im Schnee schmelzen Cholesterin– und Blutzuckerwerte

Eine rasante Schussfahrt im Stile des „Herminators“ bringt nicht nur unser Blut in Wallung – sie reinigt es geradezu. Das Abwärtsgleiten auf zwei Brettln wird in der Medizin als „exzentrische“ Belastung eingestuft, also eine federnde, nachgebende Muskelleistung, die das Körpergewicht auf den verschneiten Hängen abfängt und ausbalanciert. „Diese trainiert weniger die Ausdauer als vielmehr die Kraft, den Gleichgewichtssinn und die Koordination des Athleten“, erklärt der Sportwissenschafter. „Untersuchungen geben uns jetzt sogar Hinweise darauf, dass diese Belastung des Skifahrens noch besser auf den Zuckerstoffwechsel wirkt als etwa Bergaufsteigen, eine sogenannte konzentrische Belastung, die besonders die Ausdauer verbessert und andere positive Auswirkungen zeigt.“ Diese Erkenntnis lässt Skifahren künftig für Diabetiker besonders interessant erscheinen. Die Studie zeigt zudem, dass auch der Cholesterinspiegel vom Skifahren profitiert.

Die heilenden Alarmglocken läuten

Eine besondere therapeutische Wirkung könnte auch der Höhenlage über 1000 Meter zukommen;  nicht nur wegen der beglückenden Euphorie, sich in einer wunderbaren Landschaft zu bewegen. „Der Körper registriert in der hohen Bergwelt eine Bedrohung durch die sauerstoffarme Luft und lässt innerlich die Alarmglocken schrillen“, verrät der Sportwissenschafter. Um dem entgegenzuwirken, werden wiederum zahllose Gene aktiviert, die auf positive Weise den Stoffwechsel stimulieren und die Durchblutung ankurbeln. „Dadurch ergeben sich weitere positive Faktoren und bei regelmäßiger Stimulation in der Folge für das Immunsystem auch eine erhöhte Schutzwirkung vor Krankheiten.“ Das Abenteuer in der freien Natur kann überdies bei depressiven Menschen wie ein Stimmungsaufheller oder natürliches „Antidepressivum“ die getrübte Laune heben.  

Das Rennen gegen Alzheimer

Eine flotte Talfahrt in der Schranz-Hocke stärkt Muskeln und Sehnen, das ist bekannt. Doch in der Untersuchung gelang erstmals auch der Nachweis, dass auf der Piste bedeutsame psychische Veränderungen stattfinden. Burtscher: „Skifahren setzt kurzfristige Stressreize, die den Ausübenden auf breiter Basis fordern. Man muss stets auf mehrere Faktoren gleichzeitig reagieren, auf Hindernisse, wechselnde Schneebedingungen oder andere Abfahrer. Dieses Anpassungstraining führt zu einer Anregung des Gehirns und möglicherweise zu einer Senkung des Demenzrisikos.“ Je häufiger die untersuchten Skifahrer, die insgesamt einen gesunden Lebensstil pflegten, jährlich ihre Sportart ausübten, desto fitter fühlten sie sich auch geistig. Somit könnte Skifahren fast als ideale Sportart auch im Alter empfohlen werden; allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung Burtschers: „Es hat keinen Sinn, wenn ältere Menschen das Skifahren erst erlernen, die Verletzungsgefahr ist für sie als Anfänger zu groß. Aber langjährigen, geübten Skifahrern kann ich die vorsichtige Weiterführung ihres Hobbys bis ins hohe Alter nur anraten.“

Sollbruchstelle Knie

Trotz rückläufiger Verletzungszahlen könne Skifahren aber nach wie vor nicht als ungefährlich bezeichnet werden, warnt Burtscher. Der klassische Unfall ereignet sich typischerweise am späten Vormittag oder Nachmittag, wenn die Sportler bereits müde sind und bei schönem Wetter über ihre Verhältnisse fahren. Zu 90 Prozent handelt es sich dabei nicht um Kollisionen mit anderen Skifahrern, sondern um selbstverschuldete Fahrfehler. Betroffen ist bei weitem am häufigsten das Knie, die menschliche „Sollbruchstelle“ im Skilauf. „Hier sind leider besonders stark Frauen betroffen“, klärt Burtscher auf. „Ihre Muskeln und Bänder im Kniebereich sind schwächer ausgeprägt als beim Mann und sollten speziell trainiert werden. Sie erleiden statistisch zwei bis drei Mal so oft Knieverletzungen wie die Männer.“ Die Unfallstatistik bei den Snowboardern sieht relativ ähnlich aus, nur Langläufer ziehen sich seltener Verletzungen zu.

Das Restrisiko fest im Griff

Laut Burtscher ließe sich das bestehende Restrisko im alpinen Skilauf weiter stark dezimieren, wenn bestimmte Grundsätze mehr Beachtung finden würden. „Ein Helm reduziert das Risiko für Kopfverletzungen laut unserer Studie um 28 Prozent und sollte auf keinem Kopf fehlen“, meint er. Auch starker Alkoholkonsum habe im Skilauf absolut nichts verloren und sollte stärker verfolgt werden. Außerdem zeigen Studien, dass alleine gezieltes Aufwärmen (siehe unten) die Zahl der Unfälle nochmals deutlich reduzieren könnte. „Leider“, klagt Burtscher, „ist das Skifahren durch schlechte Schlagzeilen seit vielen Jahren nicht mehr so beliebt wie einst. Aber vielleicht können wir alle durch erhöhtes Sicherheits- und Verantwortungsbewusstsein auf der Piste dazu beitragen, es wieder in Mode kommen zu lassen, um so Verletzungen und Krankheiten davonzuwedeln.“

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Perfektes Aufwärmen auf der Piste

Sechs Übungen von Sportwissenschafter Univ. Prof. DDr. Martin Burtscher

1. Zu Beginn sollte die Muskeltemperatur des gesamten Körpers angehoben werden. Dazu kreist der Skifahrer etwa 30 bis 60 Sekunden lang mit den Armen abwechselnd vor, zurück und wippt dazu mit den Knien.

2. Die Aktivierung der Oberschenkelvorderseite erfolgt danach durch zwei Mal zehn Kniebeugen unter Zuhilfenahme der Stöcke, dazwischen wird zehn Sekunden lang eine Abfahrtshocke eingenommen.      

3. Um die Oberschenkelrückseite aufzuwärmen werden nun 30 Sekunden lang abwechselnd die Skienden in die Höhe gehoben während die Spitzen am Boden bleiben.

4. Die Dehnung der Oberschenkelrückseite erfolgt durch ein 40 Sekunden langes Lehnen nach vorne bei abwechselnd durchgestreckten Beinen, während man sich auf den schräg nach vorne gesteckten Stöcken aufstützt.    

5. Zur Dehnung der Oberschenkelinnenseite wird in leichter Grätschhaltung ein Bein so stark angewinkelt, bis beim gestreckten anderen Bein die Dehnung der Innenseite spürbar wird. Pro Bein 20 Sekunden lang durchführen.

6. Die abschließende Aktivierung der Oberschenkelinnenseite erfolgt durch ein 20 Sekunden langes Aufkanten beider Skier abwechselnd nach innen und nach außen.

Stand 11/2012

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