Der Ring in der Augenbraue hat seinen Dienst erfüllt: In jungen Jahren war er cool, jetzt erscheint er unpassend und muss weg. Doch wie lässt sich das hässliche Loch schließen, das nach der Entfernung zurückbleibt? Was man gegen Piercingnarben tun kann.
Von Mag. Sabine Stehrer
Claudia S. begann mit 14, sich piercen zu lassen. Auf ein Nasenpiercing folgten Piercings in den Ohrmuscheln, den Augenbrauen und der Zunge. Weiter ging es mit einem Intimpiercing, einem Piercing im Bauchnabel, in der Oberlippe und im Lippenbändchen. Warum? „Ich war damals jung, leicht beeinflussbar und wollte dazugehören“, antwortet sie. „Alle um mich hatten irgendwo ein Piercing oder mehrere, und um genauso cool und nicht die einzige zu sein, die keines hat, ist ein Piercing nach dem anderen dazu gekommen.“ Über später machte sie sich keine Gedanken, denn die Stecher der Piercings versprachen, alles würde wieder zuwachsen, sobald man den Schmuck entfernt ohne Spuren zu hinterlassen.
Mainstream-Relikt der 1990er Jahre
Heute ist die Wienerin 35 Jahre alt und „greift sich nur noch an den Kopf über so viel Dummheit“. Bis auf einen Nasenstecker hat sie entfernt, was sie einst als Schmuck empfand – übrig geblieben sind Narben und hässliche Löcher. „Besonders schlimm sind die Löcher in den Augenbrauen und der Oberlippe“, erzählt sie. „Die sieht jeder, und viele Leute sprechen mich darauf an, was mich nervt und mir sehr unangenehm ist.“ Manchmal habe sie sogar schon überlegt, Steinchen darüber zu kleben, damit man die Löcher nicht so sieht. Fotos von besonderen Familienereignissen wie ihrer Hochzeit ließ sie entsprechend retuschieren.
Mit ihrem Problem ist Claudia S. nicht allein: So wie sie ließen sich viele Kinder der 1980er Jahre piercen. Denn in den 1990ern, als sie Teenager waren, stellten die Kugeln, Ringe, Stäbchen, Stecker und Teller für Ohrläppchen kein Mittel der Abgrenzung für Angehörige spezieller Randgruppen mehr dar, wie in den Jahrzehnten davor, sondern waren fast schon Mainstream: Als dessen Relikt trägt laut Forschern der Universität Leipzig etwa ein Drittel der Frauen unter 30 ein Piercing – meist in der Nase, in den Ohrmuscheln und im Bauchnabel. Und unter den gleichaltrigen Männern ist auch noch beinahe jeder Zehnte gepierct.
Löcher im Gesicht besonders störend
Bei wie vielen Altersgenossen von Claudia S., die mittlerweile dreifache Mutter ist, der einst als cool empfundene Körperschmuck seinen Dienst getan hat und weg soll – darüber lässt sich nur spekulieren. In Internet-Foren häufen sich jedenfalls die Fragen nach entsprechenden Möglichkeiten, die Piercingnarben, worunter man auch die Löcher versteht, wieder los zu werden. Auch bei Dr. Walther Jungwirth, dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, wird immer öfter danach gefragt. Jungwirth, der die Abteilung für Ästhetische Plastische Chirurgie an der EMCO Privatklinik in Hallein leitet und Ordinationen in Salzburg und Wien hat, weiß: „Besonders häufig stören Piercingnarben beziehungsweise Piercinglöcher, die sich im Gesicht befinden und daher für jeden sichtbar sind.“ Er habe aber auch schon mehrere Patientinnen behandelt, die todunglücklich über andere Piercingnarben waren. Jungwirth: „Erst vor ein paar Tagen habe ich zum Beispiel eine Piercingnarbe am Bauchnabel korrigiert.“
Mit dem Skalpell ausschneiden
Was man gegen die unliebsam gewordenen Piercingnarben tun kann, hängt laut Walther Jungwirth davon ab, wo sich diese befinden. Große Löcher in den Ohrläppchen, sogenannte Fleischtunnel, die ebenfalls als Piercing gelten, können nach einer Umverteilung des Gewebes zusammengenäht werden – was vergleichsweise aufwändig ist und größere Narben hinterlässt. Besser haben es jene, die kleine Löcher in den Augenbrauen, der Nase oder in der Ober- und Unterlippe haben. „Diese lassen sich gut mit dem Skalpell entfernen“, informiert Jungwirth. „Bei der Operation wird der Hautschlauch, der sich nach dem Stechen entlang des schmalen Stichkanals gebildet hat, zur Gänze herausgeschnitten“, so der Chirurg. „Anschließend wird der schmale Stichkanal komplett mit einer feinen Nadel und einem Faden zugenäht, der sich später selbst auflöst.“
Unauffällige Narben bleiben zurück
Zurück bleibt eine unauffällige Narbe, die, wie Jungwirth weiß, meistens nicht mehr mit einem Piercing in Verbindung gebracht wird. Risiken bergen die Eingriffe kaum in sich. „Nur bei der Schließung von Löchern in der Nase besteht die Gefahr, dass Einziehungen entstehen“, erklärt Jungwirth. „Das heißt, es können Dellen entstehen, die dann nur noch durch eine weitere Operation zu beseitigen sind.“ Auch können sich die Operationswunden entzünden, was aber genauso selten der Fall ist wie die Dellen-Bildung an der Nase. Sozusagen Glück im Unglück haben jene mit Löchern in Körpergewebe, das von Schleimhäuten überzogen ist, wie sie für Zungenpiercings, Lippenbändchenpiercings, Brustwarzenpiercings und Intimpiercings gestochen werden. Denn diese wachsen tatsächlich wie von den Stechern versprochen von selbst wieder zu, sobald der Schmuck entnommen wurde. Nur bleiben auch in diesem Fall Narben zurück, und diese lassen sich laut Jungwirth entgegen anders lautender Versprechungen nicht entfernen, „auch nicht mit dem Laser“.
Kosten sind selbst zu tragen
Die Kosten für die Entfernung von Piercingnarben – bei Jungwirth betragen sie ab 300 Euro – werden im Übrigen nicht von den Krankenkassen übernommen. Und zwar auch dann nicht, wenn die Löcher psychisch belastend sind oder die Relikte aus der Jugendzeit auf andere Art und Weise die Gesundheit beeinträchtigen – was schon beim Tragen und Stechen der Fall sein kann.
Auch damit – Beschwerden beim Stechen und Tragen des Körperschmucks – hat die Wienerin Claudia S. leidvolle Erfahrungen gemacht: Die Kugeln, die sie in der Zunge und im Lippenbändchen trug, rieben beim Sprechen an den Schneidezähnen und setzten den Zähnen zu. Die drei Stecker mit Sternchen, die sie dreiecksförmig angeordnet in der Nase trug, stießen gegen die Nasenwand und verursachten immer wieder Nasenbluten. Und der Ring im Bauchnabel wuchs unmittelbar nach dem Einsetzen von selbst heraus, was als Blickfang unschöner Art eine wulstige Narbe hinterließ.
***********
Wie gefährlich Piercing werden kann
Nicht nur, wenn man Piercings nicht mehr haben möchte, sondern schon beim Stechen, Einsetzen und Tragen des Piercing-Schmucks kann ein Piercing Probleme bereiten bzw. die Gesundheit gefährden. So kommt es nach dem Stechen oft zu schmerzhaften Schwellungen und leichten Blutungen, die manchmal Wochen oder sogar Monate anhalten können und die Gefahr für Infektionen erhöhen. Bei Piercings durch das Knorpelgewebe der Ohrmuscheln entstehen ebenfalls leicht Entzündungen. Ein Fleischtunnel durch das Ohrläppchen kann aufreißen. Beim Stechen durch Augenbrauen oder Nasenflügel können Teile des Trigeminusnervs getroffen werden – was zu Schmerzen oder Taubheitsgefühlen führt. Reiben Nasenpiercings an der Nasenwand, kann dies zu Nasenbluten führen. Die ständige Reizung der Zähne durch ein Piercing in der Zunge oder am Lippenbändchen schadet den Zähnen. Durch ein Piercing in den Brustwarzen kann die Stillfähigkeit verloren gehen, und Piercings im Bauchnabel wachsen oft während einer Schwangerschaft heraus, was nicht nur weh tut, sondern auch äußerst unschöne Narben hinterlässt. Piercings am Penis oder der Klitoris können ausreißen, was ebenfalls schmerzhaft ist.
Foto: iStock, pepifoto