Frauengesundheit, Männergesundheit

Durch dick und dünn

Sie war früher vor allem leichter Rohkost zugeneigt, er hauptsächlich Schnitzel und Tiefkühlpizza. Seit einem halben Jahr teilen die beiden neben dem Bett auch den Tisch – und essen jetzt anders als in Singletagen. Wie die Partnerschaft die Ernährungsgewohnheiten von ihr und ihm verändert.

von Mag. Alexandra Wimmer

Single-Mann mit Hang zu deftiger Hausmannskost verliebt sich in kalorienbewusste Gemüseanhängerin: Wie verändert sich das Essverhalten, wenn unterschiedliche Geschmäcker eine Liaison eingehen? Versucht einer den anderen „einzukochen“? Und wie manifestiert sich das Zusammenleben auf Teller und Waage?
Eines vorweg: Die verschiedenen Gewohnheiten und Vorlieben „in einen Topf“ zu bringen, ist nicht immer einfach. Schließlich haben sich die Neo-Partner als Singles tendenziell anders – unregelmäßiger und einseitiger – ernährt. Auch die verschiedenen Vorlieben der Geschlechter sind mehr als nur ein Klischee, betonen Experten. „Männer essen prinzipiell fleischbetonter und fetter, während Frauen einen höheren Obst- und Gemüseanteil bevorzugen“, erklärt die Wiener Ernährungswissenschafterin Mag. Dr. Erika Lasser-Ginstl.

Genießer & Ernährerin:
Männer wollen mehr, Frauen besser essen

Ein Grund für diese Vorlieben, ist das ausgeprägte(re) Schlankheits- und Gesundheitsbewusstsein der Frauen, verdeutlicht Lasser-Ginstl. „Die Frau bevorzugt eine leichte, gesunde Kost und Nahrungsmittel, die weniger Kalorien und mehr Ballaststoffe enthalten.“ Dass Frauen mit der Ernährung auch etwas für die Gesundheit tun wollen, hat auch mit ihrer traditionellen Rolle als „Ernährerin“ zu tun, die darauf achtet, dass die Familie gesund und ausgewogen isst. „Frauen verbringen in Österreich durchschnittlich fünf Mal mehr Zeit in der Küche als Männer“, berichtet Mag. Sabine Bisovsky, Ernährungswissenschafterin in Wien.
Männer wiederum wollen das Essen vor allem genießen, die (größere) Menge gilt dabei durchaus als Qualitätskriterium. Sie machen sich auch weniger Gedanken über das, was sie gerade verspeisen. „Männer betreiben kein ständiges Monitoring punkto Nähr- und Energiewerte“, weiß der Soziologe Univ. Prof. Dr. Karl-Michael Brunner von der Wirtschaftsuniversität Wien, der sich seit langem intensiv mit dem Zusammenhang von Essverhalten und sozialen Beziehungen beschäftigt.

Singlekost:
Einseitig und unregelmäßig

Wie sich nun eine Partnerschaft auf das Essverhalten der Liebenden auswirkt, hängt auch von der Qualität der Beziehung ab. Prinzipiell bietet das „paarweise Speisen“ viele Vorteile, schließlich gilt die Single-Kost nicht als die gesündeste. Experten beobachten bei Alleinstehenden eine Tendenz zur unausgewogenen und unregelmäßigen Nahrungsaufnahme. „Allein lebende Frauen konsumieren zwar häufig Obst, Gemüse und Milchprodukte, trotzdem ist ihre Kost manchmal einseitig“ weiß Lasser-Ginstl. Das Essverhalten der Männer wird durch den Singlestatus sogar noch stärker beeinflusst, beobachtet Bisovsky: „Singlemänner greifen häufiger zu Fertiggerichten“, so die Expertin. „Generell sind Singles oft Einsam- und Nebenbei-Esser.“ Weil vielen die Lust fehlt, für sich alleine zu kochen, gehen sie öfter ins Gasthaus oder Restaurant – und sind abhängig von der oftmals „suboptimalen“ Außer-Haus-Verpflegung. „Die Wirte bieten teilweise Fleischportionen an, von denen sich drei Personen ernähren könnten“, weiß Lasser-Ginstl aus eigenen Untersuchungen.

Erste Verliebtheit:
Tendenz zu gesunder Kost

In einer guten Partnerschaft, in der die Partner die Mahlzeiten bewusst genießen, wird nun das Essverhalten beider günstig beeinflusst, ist Lasser-Ginstl optimistisch. „Indem man auf die Vorlieben des anderen Rücksicht nimmt, wird der Speisezettel abwechslungsreicher.“ Speziell im Anfangsstadium einer Beziehung macht man bei Tisch gern Zugeständnisse an den Liebsten und die Liebste. „Eine große englische Studie hat gezeigt, dass die Männer zumindest in der ersten Phase einer Beziehung tendenziell gesünder und mehr Gemüse essen“, berichtet Karl-Michael Brunner. „Außerdem hat sich gezeigt, dass wenigstens in der Anfangsphase die Häufigkeit gemeinsamer Mahlzeiten deutlich zunimmt.“ Schließlich ist es ein sinnlicher Genuss, gemeinsam in Gemütlichkeit zu schmausen.

Kompromissgerichte:
Annäherung der Geschmäcker

Mit dem Fortbestand der Liebesbeziehung kommt es schließlich auch zur Annäherung der Geschmäcker. „In einer Studie haben wir herausgefunden, dass versucht wird, bei den Mahlzeiten möglichst beiden Geschmäckern gerecht zu werden“, erläutert Brunner. Im Klartext bedeutet dies: für Männer mehr „Grünzeug“, für Frauen auch Fleisch. Auf dem Tisch landen sogenannte „Kompromissgerichte“, so der Esssoziologe. „Man erkennt sie speziell an der Peripherie des Tellers.“ So steht im Zentrum z. B. weiterhin das Stück Fleisch, statt der Bratkartoffeln oder Nudeln gibt es aber Brokkoli und grünen Salat. „Oder man einigt sich darauf, dass man öfters auch vegetarisch isst“, ergänzt Brunner.

Gemeinsam dick werden:
Liebe geht durch den Magen

Die Harmonie zeigt sich Studien zufolge leider auch auf der Waage: Der Heidelberger Soziologe Prof. Thomas Klein hat herausgefunden, dass man in einer glücklichen Beziehung eher zu Übergewicht neigt, als dies bei Singles auf Partnersuche der Fall ist.
Dies bestätigt auch eine angelsächsische Untersuchung, wonach frisch Verheiratete in der ersten Phase der Ehe mehr zunehmen als eine Vergleichsgruppe, die weiter im Singlestatus lebt. „Das hat sicher damit zu tun hat, dass regelmäßig gemeinsame Mahlzeiten eingenommen werden und dass andererseits mehr gegessen wird.“
Schließlich zeigt sich, dass Liebe sprichwörtlich durch den Magen geht. „In ernährungswissenschaftlichen Studien ist belegt, dass man dazu tendiert, mehr zu essen, wenn man mit Personen speist, die einem nahe stehen“, so der Soziologe. Indem man mehr isst, will man auch der Liebe zum Esspartner Ausdruck verleihen.
Dass Liebespaare oft auch in Sachen Körperumfang harmonieren – ebenfalls eine Erkenntnis des Soziologen Klein –, könnte allerdings schon auf die Zeit der Partnerwahl zurückzuführen sein: Dünne Menschen bevorzugen eher schlanke, dicke eher übergewichtige Partner.

Langzeitfolgen:
Fleischeslust & Frust

Problematisch wird es weiters, wenn die Frau zu sehr auf die „Fleischeslust“ ihres Partners eingeht; das ist im Verlauf einer Beziehung sehr oft der Fall: Obgleich vor allem die Frauen hinter dem Herd stehen, gekocht wird vorwiegend nach dem Bedürfnis der Männer. „Studien zeigten, dass es in Beziehungen nicht demokratisch abläuft“, berichtet Karl-Michael Brunner. „Tendenziell setzt sich der Männergeschmack durch, sodass mehr Fleisch und größere Mengen auf den Tisch kommen.“
Im Lauf der Zeit verändert sich das Essverhalten der Partner nochmals. „Man hat entdeckt, dass es nach einigen Jahren eher wieder zur Rückkehr zum ursprünglichen Essverhalten aus Singletagen kommen kann“, weiß der Experte. Der Grund? „Sehr häufig führen die Kompromissgerichte dazu, dass Frauen mehr als früher essen und irgendwann unzufrieden mit ihrem Körper oder Aussehen sind. Die Männer wiederum werden nach der ersten Harmoniephase wieder fordernder, was zum Beispiel Fleisch angeht.“
Gelingt es allerdings, sich dauerhaft aufeinander abzustimmen, könnten die Partner voneinander profitieren: die Frauen, indem sie sich von ihren Männern zum Genießen inspirieren lassen, die Männer, indem sie an größeren Mengen pflanzlicher Kost Gefallen finden. Früher oder später stellt sich unterstützend der Gewöhnungseffekt ein: Man gewöhnt sich an die Speisen, die man regelmäßig isst – und meist schmecken sie dann auch.

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Was Mann und Frau besonders brauchen:
Nährstoffe für sie und ihn

Weil Männer mehr Muskelmasse als Frauen haben, ist ihr Grundumsatz höher: Der Mann braucht im Durchschnitt 20 Prozent mehr Kalorien und auch etwas mehr Eiweiß. Daneben gibt es einige Nährstoffe, die für die Frau und den Mann besonders wichtig sind:
Aufgrund der Monatsblutung haben Frauen einen höheren Bedarf an Eisen, das zur Blutbildung benötigt wird. Schwangere benötigen vermehrt Folsäure, die wichtig ist für Zellbildung und Zellteilung. Eisen findet sich nicht nur in Fleisch, sondern auch in Vollkornprodukten, Eiern und Hülsenfrüchten. Reichlich Folsäure ist z. B. in Brokkoli, Spinat oder Erbsen enthalten.
Männer benötigen u. a. für die Testosteronproduktion ausreichend Zink, Selen wiederum senkt das Risiko für Prostatakrebs. Zink- und Selen-Lieferanten sind Käse, Kartoffeln, Linsen, Hirse, Spinat, Fisch.

Foto: iStock, fotostorm

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