Haushalt und Hygiene

August 2012 | Leben & Arbeiten

Krank durch zu viel Chemie
 
Damit es in den eigenen vier Wänden blitzt und blankt, greifen die Österreicherinnen und Österreicher zu einer Vielzahl von Putz- und Reinigungsmitteln: Mehr als 5000 Chemikalien sind im Durchschnitt in einem Haushalt im Einsatz. Nun ist ein gewisses Maß an Hygiene unverzichtbar für gesundes Wohnen und Leben, die übertriebene Verwendung von Chemie hat allerdings genau den gegenteiligen Effekt: Experten erklären, was wir unserer Gesundheit – und Umwelt – damit antun.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Tenside, Lösungsmittel, Duftstoffe, Säuren, Laugen, Bleichmittel, Konservierungsstoffe, Chloride: Um den verschiedenen Staub- und Schmutzpartikelchen zu Leibe zu rücken, wird in jedem Haushalt ein Sammelsurium an verschiedenen Chemikalien gelagert. Sie stecken in Putzmitteln, Waschpulvern, Geschirrspülmitteln, WC- und Badreinigern, Flecken- oder Schimmelentfernern und Raumluftverbesserern. „Bezieht man auch Kosmetika mit ein – von der Zahncreme über Haarfärbemittel bis zur Hautlotion – kommt man locker auf mehr als 5000 Chemikalien“, betont DI (FH) Harald Brugger MSc, Chemiker von „die umweltberatung“ in Wien. Ein brisanter „Cocktail“, der sich in Badezimmer, Stauraum, Waschküche oder unter der Abwasch ansammelt. „Allein ein einziges Allzweckreinigungsmittel kann mehr als zehn unterschiedliche Chemikalien beinhalten“, erklärt Univ. Prof. Dr. Mag. Franz F. Reinthaler vom Institut für Hygiene an der Medizinischen Universität Graz. „Manche Substanzen sind notwendig, andere sind so problematisch, dass man sie gar nicht in der Wohnung oder im Haus haben sollte“, ergänzt Brugger.

Gefahr für den Menschen

Allein aufgrund der verschiedenen Symbole, die auf den Produkten abgebildet sind, lässt sich schon erkennen, was die Chemiekeulen Mensch und Umwelt antun: Von „sehr giftig“, über „reizend“, „ätzend“ „umweltgefährlich“ bis hin zu „explosionsgefährlich“ reicht das Gefahrenpotenzial. Die Auswirkungen auf unsere Gesundheit können unmittelbar und langfristig sein. Je nachdem, ob wir Hautkontakt haben, sie einatmen oder versehentlich verschlucken, gelangen die Chemikalien auf die Haut oder über Mund, Nase, Lunge oder Haut weiter ins Blut und in Organe wie die Leber, die Niere, ins Gehirn und ins Nervensystem. Verätzungen oder Reizungen von Atemwegsorganen oder Haut sind mögliche Akutfolgen. Außerdem zählen Haushaltschemikalien zu den wichtigsten Verursachern von Vergiftungen, vor allem bei Kindern. Andere Folgeerscheinungen treten erst (viel) später auf, „etwa in Form von Allergien, einer Asthma- oder sogar Krebserkrankung“, betont Umwelthygieniker Reinthaler. „Dazu zählen Hautallergien, die zum Beispiel aufgrund von Duftstoffen in Reinigungsmitteln auftreten“, ergänzt Harald Brugger. „Duftstoffe gelten laut Deutschem Umweltbundesamt als die zweithäufigsten Allergieauslöser. Mittlerweile müssen 26 allergieauslösende Duftstoffe verpflichtend auf dem Etikett ausgewiesen sein.“
Studien konnten außerdem zeigen, dass der häufige Einsatz von Bakterien abtötenden Desinfektionsmitteln bei Kindern das Risiko für eine Asthmaerkrankung erhöhen kann. Zuviel an Chemie kann bereits das Ungeborene schädigen: Wie man im Rahmen einer britischen Studie mit 14.000 Probanden festgestellt hat, sind Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft häufig mit chemischen Reinigungsmitteln geputzt haben, gefährdet, an Asthma zu erkranken.  
Besonders gefährlich sind jene Chemikalien, die mittels Spraydosen verbreitet werden. Beim Versprühen von Schimmelentferner oder Kraftreiniger entstehen feine Tröpfchen, Aerosole genannt. „Über den feinen Sprühregen werden die schädlichen Substanzen über die Lunge aufgenommen und gelangen auf diesem Weg in die Blutbahn“, erklärt Brugger.

Gefahr für Luft, Boden, Wasser

Auch der Umwelt – ganz besonders dem Wasser – setzt der Einsatz der Haushaltschemikalien zu. „Alle Waschreinigungsmittel gelangen üblicherweise in den Kanal und in die Kläranlage, wo sie abgebaut werden sollten“, verdeutlicht Brugger. „Problematisch wird es, wenn die Kläranlage zu sehr belastet wird, sodass die Chemikalien zersetzenden Mikroorganismen zerstört werden. Das österreichische  Umweltbundesamt weist immer wieder nach, dass sich bestimmte Haushaltschemikalien auch nach der Kläranlage noch im Wasser befinden.“
Chemische Substanzen gelangen auch über den Boden ins Wasser. „Wenn man Pestizide und Pflanzenschutzmittel im Garten ausbringt, werden sie mit dem Wasser ausgewaschen, kommen in den Boden und womöglich ins Grundwasser“, warnt der Ökotoxikologe.   

Brisante Mischung

Besonders brisant für Mensch und Umwelt wird es außerdem, wenn verschiedene Chemikalien vermischt werden. So kann das unsachgemäße Hantieren mit Putzmitteln lebensbedrohliche Brand- und Explosionsunfälle zur Folge haben. „Wenn man beispielsweise beim WC-Reinigen zum Desinfizieren einen Chlorreiniger verwendet und zugleich oder danach einen sauren Reiniger, um Kalkreste oder Urinstein zu lösen, führt das zu einer chemischen Reaktion“, berichtet Harald Brugger. „Es entsteht dabei giftiges Chlorgas.“ Chlorgas reizt die Schleimhäute, kann zu Atemnot bis hin zum Ersticken und zum Tod führen. Aus diesem Grund: Haushaltschemikalien niemals mischen, indem man sie gleichzeitig oder hintereinander verwendet! „Man weiß nie, zu welcher chemischen Reaktion das führt“, sagt Brugger. Auch belasten organische Chlorverbindungen die Umwelt, indem sie wiederum die in der Kläranlage wichtigen Mikroorganismen beeinträchtigen.

Sauber, nicht steril

Und trotzdem: Schmutz und Hausstaub, der gemäß Untersuchungen des Österreichischen Umweltbundesamts neben Bakterien, Bazillen, Viren, Haaren, Hautschuppen, Pollen, Schimmelpilzen, Rußpartikeln etc. auch chemische Stoffe wie etwa Pestizide, Insektizide oder Quecksilber enthält, müssen natürlich beseitigt werden – allerdings mit Maß und Ziel. Richtig geht vor, wer „bei der Hygiene im Haushalt auf gefährliche oder aggressive, zum Beispiel chlorhaltige Mittel verzichtet und beim Reinigen den Körpereinsatz wieder mehr in den Vordergrund stellt“, verdeutlicht Franz Reinthaler. Gesund sauber sei ein Wohnraum schließlich bereits dann, wenn „kein sichtbarer Schmutz vorhanden ist“.

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Chemiekeulen im Haushalt: Die wichtigsten Problemstoffe

  • Auch wenn uns die Werbung weismachen will, „sauber“ sei gleichbedeutend mit „steril“ – der Gesundheit und Umwelt zuliebe verzichtet man besser auf Produkte, die als „desinfizierend“, „bakterizid“, ,,antibakteriell“ oder auch „hygienisch“ angepriesen werden. Durch den Einsatz von Desinfektionsmitteln im Haushalt bestehe „die Gefahr, dass nach einiger Zeit bestimmte Bakterien resistent gegen die Mittel werden. Dann wirken auch jene Antibiotika nicht mehr, die in der Medizin verwendet werden“, warnt Umwelthygieniker Univ. Prof. Dr. Mag. Franz F. Reinthaler. „Bestimmte Desinfektionsmittel sind per se reizend, ätzend und gesundheitsgefährdend“, ergänzt DI (FH) Harald Brugger MSc, Chemiker von „die umweltberatung“. Hinzu kommt die Belastung der Umwelt: „Gelangen Desinfektionsmittel übers Abwasser in die Kläranlage, so nimmt die Reinigungsleistung dieser Anlagen ab. Dadurch können dann auch vermehrt resistente Erreger weiter in der Umwelt verbreitet werden“, sagt Reinthaler.
  • Pestizide und Insektizide sind vor allem in Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmitteln enthalten. „Wenn Pestizide ins Trinkwasser oder in die Nahrung gelangen und dabei die Grenzwerte überschritten werden, können sie je nach Wirkstoff abgesehen von akuten Vergiftungsunfällen bereits in kleinsten Dosen krebserregend und hormonell wirksam sein sowie das Erbgut schädigen und die Fortpflanzung beeinträchtigen“, betont Franz Reinthaler. „Weiters können sie als Nervengift wirken und unser Immunsystem beeinträchtigen.“ Harald Brugger ergänzt: „Mitunter lagern sich die gefährlichen Wirkstoffe im Wohnraum ab und bleiben beispielsweise im Hausstaub kleben. Manche dieser Stoffe lassen sich noch Jahre später nachweisen.“
  • Entwarnung gibt es bei Tensiden, waschaktiven Substanzen, wie sie in Spülmitteln, Waschmitteln, Shampoos vorkommen. „Nach der sogenannten Europäischen Detergentienverordnung müssen mittlerweile alle Tenside zum größten Teil biologisch abbaubar sein“, erklärt Harald Brugger. „Bei Produkten mit dem Umweltzeichen dürfen außerdem keine Stoffe verwendet werden, die das Wasser gefährden.“

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Essig, Zitronensäure, Allzweckreiniger:
Wie viel Chemie braucht es wirklich?

Alternative Reinigungsmittel
Die Putz- und Reinigungsmittel im Haushalt lassen sich auf ein überschaubares Maß reduzieren: „Als Reinigungsmittel genügen ein milder Allzweckreiniger, Essig, Schmierseife, Schlämmkreide oder Gallseife und Zitronensäure für hartnäckige Flecken, Waschpulver und Geschirrspülmittel“, zählt der Grazer Umwelthygieniker Univ. Prof. Dr. Mag. Franz F. Reinthaler auf. „Für das WC könnte man den handelsüblichen Essig verwenden, Zitronensäure löst Urinstein und Kalk“, regt der Chemiker DI (FH) Harald Brugger MSc von „die umweltberatung“ an.

Mechanisch statt chemisch
Sich beim Putzen tatkräftig für Gesundheit und Umwelt zu engagieren, bedeutet auch, mit Körpereinsatz vorzugehen. Wer dabei z. B. Mikrofasertücher verwendet, kann zusätzlich Chemie einsparen. „Vielfach genügt Wasser oder ein schwaches Reinigungsmittel“, sagt Brugger. „Mit einem feuchtem Mikrofasertuch bekommt man saubere Böden sowie glatte Oberflächen, und auch Kalkflecken gehen damit sehr leicht weg.“ Die Tücher lassen sich waschen und sind wiederverwendbar.

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Gesundheitsbewusst & umweltschonend:
Darauf sollten Sie in Sachen Hygiene achten

1. Bewusst einkaufen
Umweltzeichen-Produkten den Vorzug geben bzw. auf die Gefahrenzeichen achten: Ist ein Produkt z. B. als ätzend, reizend, entflammbar, umweltschädlich etc. ausgewiesen, sollte man es möglichst meiden. „Allerdings sind auch Geschirrspülmittel oder ätherische Öle als „reizend“ oder teilweise „umweltgefährdend“ gekennzeichnet, da ist richtiger Umgang gefordert“, ergänzt DI (FH) Harald Brugger MSc von „die umweltberatung“.

2. Umsichtig hantieren
Vor der Anwendung immer die Gebrauchsanweisung und Dosierempfehlung lesen – und einhalten. „Indem man so viel wie nötig und so wenig wie möglich dosiert, schont man die Umwelt, weil man weniger Chemikalien verbraucht,“, sagt Experte Harald Brugger. „Oft schont man so auch das Material, weil eine zu hohe Dosis mitunter auch die Oberflächen angreift.“

3. Richtig entsorgen
Nicht zuletzt gilt es, den jeweils richtigen Entsorgungsweg zu wählen. „Symbole wie eine durchgestrichene Mülltonne oder WC-Brille etwa weisen darauf hin, dass ein Produkt in die Problemstoffsammelstelle gehört“, betont Brugger.

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