Welche Aufgaben erfüllt unsere Speiseröhre? Wie ist sie aufgebaut? Woran erkrankt die Speiseröhre häufig? Wie können wir die Speiseröhre schützen? Darüber informiert Univ. Prof. Dr. Sebastian Friedrich Schoppmann für MEDIZIN POPULÄR.
von Mag. Sabine Stehrer
Welche Aufgaben erfüllt unsere Speiseröhre?
Die Speiseröhre ist ein Teil des Verdauungstraktes und erfüllt die Aufgabe, Speisen vom Mund in den Magen zu transportieren, so Univ. Prof. Dr. Sebastian Friedrich Schoppmann von der Universitätsklinik für Chirurgie am Wiener AKH. Für den Transport Richtung Magen, nach unten, arbeitet die Speiseröhre, auch Ösophagus genannt, peristaltisch wie ein Muskel und ähnlich wie der Darm: Sie zieht sich in ihrem eigenen Rhythmus wellenartig zusammen.
Beim Erbrechen funktioniert die Peristaltik auch in die andere Richtung von unten nach oben. Außerdem wirkt die Speiseröhre – über ihre beiden Verschlussventile im Bereich des Kehlkopfes und am Übergang zum Magen – zwischen dem Brustkorb und dem Bauchraum druckausgleichend.
Wie ist unsere Speiseröhre aufgebaut?
Die Speiseröhre ist ein Hohlorgan, ein von der unteren Zahnreihe aus gemessener 25 bis 30 Zentimeter langer Muskelschlauch mit einem Durchmesser, der ohne Inhalt in etwa dem Durchmesser des Daumens entspricht. Im oberen, mittleren und unteren Bereich befinden sich engere Stellen, beim Schlucken kann sich die Speiseröhre auf einen Durchmesser bis zu acht Zentimeter ausdehnen.
Die außen längsgestreifte, innen quergestreifte Muskulatur des Muskelschlauchs Speiseröhre ist mit einer Bindegewebsschicht bedeckt, wo sich Blutgefäße, Lymphgefäße und Nerven befinden. Das Bindegewebe ist wiederum mit Schleimhaut beschichtet, die Schleim produziert und im oberen Bereich der Mundschleimhaut gleicht, im unteren Bereich der Magenschleimhaut.
Dort, wo die Speiseröhre ihren Anfang nimmt, im Kehlkopfbereich, verhindert ein ventilartiger Verschlussmuskel, dass Speisen in die falsche Röhre geraten, also in die Luftröhre. Unten verschließen verschiedene Muskeln den Übergang zum Magen normalerweise so, dass keine Speisen vom Magen in die Speiseröhre zurückfließen. Außerhalb des Muskelschlauchs liegt weiteres Bindegewebe, mit dem das Hohlorgan Speiseröhre im Körper verankert ist.
Woran erkrankt die Speiseröhre häufig?
Die häufigste Erkrankung der Speiseröhre ist die Speiseröhrenentzündung, auch Ösophagitis. Verursacht wird die Entzündung meist durch Reflux, den Rückfluss von Mageninhalt, bestehend aus Magensäure, Gallensäure und Nahrungsbestandteilen, in die Speiseröhre.
Zu Reflux kommt es wiederum durch eine Schwäche des Ventils am Übergang der Speiseröhre zum Magen. Sodbrennen, saures Aufstoßen, Halsschmerzen und Heiserkeit zählen zu den Symptomen von Reflux. Der Rückfluss von Mageninhalt kann aber auch symptomlos vor sich gehen, was als stummer Reflux bezeichnet wird. Neben Reflux können noch Reizungen der Speiseröhrenschleimhaut eine Speiseröhrenentzündung verursachen, etwa durch steckengebliebene Fremdkörper, chemische Substanzen, die irrtümlich konsumiert wurden, oder durch heiße Speisen und Getränke.
Zu den Erkrankungen der Speiseröhre zählen des Weiteren Divertikel, Ausstülpungen der Schleimhaut, die mitunter zu Schluckbeschwerden führen. Ebenfalls zu Schluckbeschwerden führen funktionelle Bewegungsstörungen der Speiseröhre wie die Achalasie, bei der die Peristaltik zu schwach ist, um den Speisebrei optimal Richtung Magen zu transportieren sowie gutartige und bösartige Tumoren. Mehr als die Hälfte der bösartigen Tumoren in der Speiseröhre werden wiederum durch lang bestehenden Reflux verursacht: Hat sich die Speiseröhre bereits durch den Kontakt mit Mageninhalt entzündet, kann sich aus den Entzündungsherden in der Schleimhaut ein dysplastischer Barrett-Ösophagus bilden. Das ist eine Schleimhautveränderung, die sich wiederum bei etwa fünf Prozent der Betroffenen binnen zehn Jahren zum Barrett-Karzinom oder Speiseröhrenkrebs weiterentwickelt.
Speiseröhrenkrebs trat in den vergangenen Jahren immer häufiger auf und wird derzeit jährlich bei rund 500 Österreichern diagnostiziert. Damit ist diese Tumorerkrankung zwar immer noch eine seltene Krebserkrankung, doch eine gefährliche. Da sie meist erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt wird, liegt die Überlebensrate bei nur 25 Prozent. Dabei könnte die Vorstufe, der Barrett-Ösophagus, bei einer Speiseröhrenspiegelung, der Ösophagoskopie, leicht erkannt und mithilfe der Radiofrequenzablation abgetragen werden.
Wie können wir die Speiseröhre schützen?
Vor der häufigsten Erkrankung, dem Reflux, lässt sich die Speiseröhre schützen, indem Übergewicht abgebaut, nicht zu fett und nicht zu süß gegessen, auf übermäßigen Alkoholkonsum sowie das Rauchen verzichtet wird. Eine vorsorgliche Speiseröhrenspiegelung kann helfen, die schlimmste Erkrankung der Speiseröhre zu verhindern, den Speiseröhrenkrebs.
Wie werden Erkrankungen der Speiseröhre behandelt?
- Reflux: Tritt Reflux nur gelegentlich auf, helfen einfache Maßnahmen wie säuremindernde Nahrungsmittel essen, etwa eine Salatgurke, oder nachts den Oberkörper höher zu lagern. Bei leichtem, aber chronischem Reflux sind eine Umstellung der Ernährungsweise und gegebenenfalls eine Reduktion von Übergewicht hilfreich, um Sodbrennen und andere Beschwerden loszuwerden. Gelingt dies nicht, empfiehlt sich zusätzlich eine Behandlung mit Medikamenten.
In vielen Fällen hilft eine Operation, bei der die Funktionstüchtigkeit des Verschlussmuskels mit einer Magnetmanschette oder einem Magnetring am Übergang zum Magen wiederhergestellt wird. - Irritationen: Mechanische, chemische oder thermische Irritationen durch steckengebliebene Fremdkörper, wie Gräten oder Knochen, irrtümlich konsumierte Chemikalien oder Verbrennungen durch den Konsum von zu heißen Speisen und Getränken sind ein Notfall. Diesfalls helfen die Entfernung des Fremdkörpers mithilfe einer Speiseröhrenspiegelung beziehungsweise spezielle Medikamente.
- Funktionelle Bewegungsstörungen: Bestimmte chirurgische Eingriffe sind nötig.
- Barret-Ösophagus: Die Schleimhautveränderung, eine mögliche Vorstufe für das Barret-Karzinom, kann bei erhöhtem Risiko bei einer Speiseröhrenspiegelung mit Radiofrequenzablation abgetragen werden.
- Barret-Karzinom: Die Standardbehandlung bei Speiseröhrenkrebs besteht laut Univ. Prof. Dr. Sebastian Friedrich Schoppmann in einer Mischung aus einer Chemo- und Strahlentherapie sowie einer Operation.
Wann und wie wird die Speiseröhre untersucht?
- Die Speiseröhre sollte immer bei Beschwerden untersucht werden und, wie Univ. Prof. Dr. Sebastian Friedrich Schoppmann und andere Experten empfehlen, einmal vorsorglich etwa um das 45. Lebensjahr herum.
- Die Untersuchung der Speiseröhre erfolgt unter Narkose und ist schmerzfrei. Sie wird mithilfe eines Endoskops gemacht. Das Endoskop wird über den Mund in die Speiseröhre und den Magen bis zum Zwölffingerdarm vorgeschoben, da die Speiseröhrenspiegelung meist zusammen mit einer Magenspiegelung durchgeführt wird. Dabei wird die Schleimhaut begutachtet, zusätzlich werden einem bestimmten Schema folgend Gewebeproben entnommen. Außerdem kann die Speiseröhre mit bildgebenden Verfahren, durch Ultraschall, Röntgen oder eine Computertomografie auf Veränderungen untersucht werden. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, die Funktionstüchtigkeit des unteren Verschlussmuskels zu prüfen und den Säuregehalt in der Speiseröhre zu messen.
Foto: iStock, Tharakorn