Feinde auf der Haut: Metalle, Duftstoffe, Chemikalien

August 2014 | Leben & Arbeiten

Millionen Menschen leiden, weil ihr Immunsystem auf dem Irrweg ist und an sich harmlose Stoffe für Feinde hält. Allergien sind vor allem in unseren Breiten weiterhin auf dem Vormarsch; in Österreich ist bereits jeder Vierte betroffen.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Es juckt, die Haut rötet sich, ein Ausschlag entsteht, die Bläschen platzen auf, es kommt zu Verkrustungen, schlimmstenfalls entwickeln sich Ekzeme: „Das sind die klassischen Symptome einer Kontaktallergie“, sagt Priv. Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl, ein Dermatologe, der sich am Floridsdorfer Allergiezentrum in Wien auf die Behandlung von Kontaktallergikern spezialisiert hat.
Zu Beschwerden wie Schnupfen, Husten, Augenbrennen, die z. B. Pollenallergikern zu schaffen machen, führt eine Kontaktallergie nicht. Auch nicht zu einem mitunter tödlichen anaphylaktischen Schock, der aufgrund einer Nahrungsmittel-, Medikamenten- oder Insektengiftallergie droht. Wie jede andere Allergie geht aber auch die Kontaktallergie auf eine Fehlsteuerung des Immunsystems zurück: Die Abwehrkräfte des Allergikers bekämpfen an sich harmlose Substanzen so, als ob sie ähnlich wie Bakterien und Viren wirkliche Feinde der Gesundheit wären. Sobald Kontaktallergiker z. B. mit Metallen, Duftstoffen oder Chemikalien in Berührung kommen, setzen sich sogenannte T-Zellen, weiße Blutkörperchen, die zum Abwehrsystem des Körpers gehören, in Bewegung. Wöhrl: „Anders als bei den übrigen Allergien sorgen diese T-Zellen aber direkt und ohne Mitwirkung des Entzündungsbotenstoffes Histamin dafür, dass die allergischen Reaktionen ausgelöst werden.“ Diese dienen dazu, den vermeintlichen Angreifer loszuwerden – etwa über abfallende Hautschüppchen oder über Flüssigkeit, die aus aufgeplatzten Bläschen rinnt.

Nickel & Euromünzen

Wie lange die Symptome einer kontaktallergischen Reaktion anhalten und wie schwer sie sind, hänge laut Wöhrl von zwei Faktoren ab: „Erstens von der Stärke des Allergens und zweitens von der Dauer der Einwirkzeit.“ Da es besonders stark ist und meist auch noch lange Zeit einwirkt, hat es unter den falschen Feinden auf der Haut die absolute Vormachtstellung: das Metall Nickel. „Es ist das Hauptkontaktallergen“, sagt Stefan Wöhrl.
Zwar dürfen seit der zuletzt 2007 aktualisierten Nickelverordnung innerhalb der EU keine Utensilien mehr hergestellt und verkauft werden, die mit der Haut in Berührung kommen und dabei größere Mengen an Nickel freisetzen. Doch der sogenannte Freisetzgrenzwert werde laut Wöhrl immer wieder überschritten, wie Schwerpunktkontrollen zeigen. Darüber hinaus stammen Produkte oftmals aus Ländern, in denen es derartige Grenzwerte gar nicht gibt. „Darum sind nach wie vor nickelhaltige Jeansknöpfe und Nieten, Gürtelschnallen, Ohrringe, Ketten, Armbänder, Uhren und Mobiltelefone im Umlauf“, weiß Wöhrl. Einen weiteren Übeltäter hat die EU sozusagen selbst unters Volk gebracht: Ein- und Zwei-Euro-Münzen. Wöhrl: „Diese Bimetalle setzen so viel Nickel frei, dass sie zumindest bei häufigem Kontakt, wie ihn zum Beispiel eine Kassierin im Lauf eines Arbeitstages hat, für Juckreiz bis hin zu hartnäckigen Fingerspitzenekzemen sorgen können.“

Mehr als 3000 Kontaktallergene

Das Schlimme: Wer eine Nickel-Allergie hat, reagiert oft auch auf andere Metalle allergisch. So z. B. auf Palladium, Kupfer und Kobalt, die sich ebenfalls in Modeschmuck befinden können. Auch Allergien gegen Chrom sind möglich, ein Metall, das in Lederkleidung, vor allem in Lederschuhen steckt, da es meist für das Gerben verwendet wird.
Etwas seltener als Metalle entwickeln sich Duftstoffe zu Feinden auf der Haut, vor allem solche, wie sie in Körperpflegemitteln und Parfums stecken. Durch Duftsubstanzen in Zahnpasta, Make-up, Haarshampoo und Haargel kommt es in etwa gleich häufig zu allergischen Reaktionen wie durch den Kontakt mit Chemikalien in Haarfärbemitteln und in der Farbe, die für das Aufmalen von Tattoos verwendet wird. Auch von Farbe in Textilien, von Substanzen, die sich beim Kontakt mit Gummi lösen, oder von Bestandteilen in Waschmitteln lässt sich das Immunsystem manchmal in die Irre führen. „Man kann aber auf sehr vieles andere auch eine Kontaktallergie entwickeln“, erklärt Wöhrl und ergänzt: „Insgesamt sind derzeit mehr als 3000 Allergene bekannt.“ Demnach sind die Feinde auf der Haut zahlreicher als alle anderen, die dem Immunsystem von Allergikern zu schaffen machen. Eine weitere Besonderheit der Kontaktallergene: Sie greifen nicht sofort an, sondern mit Zeitverzögerung. Die Sensibilisierung kann nach Stunden oder Tagen des Kontakts auftreten, aber auch erst nach Wochen oder Monaten und sogar noch nach Jahren und Jahrzehnten.

Mit Test Feinde enttarnen

25 Prozent der Österreicher sind Allergiker, wie vielen davon Kontaktallergien zu schaffen machen, ist nicht bekannt. Experten gehen von sieben Prozent aus, von denen ein Viertel allergisch auf Nickel reagiert. Weil es so viele mögliche Auslöser für eine Kontaktallergie gibt, ist es nicht immer leicht, das Allergen zu identifizieren. Mit ärztlicher Hilfe bzw. einem sogenannten Epikutantest kann es dennoch gelingen. Dabei werden verschiedene Allergene auf die Haut am Rücken aufgetragen und mit einem Pflaster überklebt. Nach einer Einwirkzeit von 48 Stunden zeigt sich, ob man auf eine der Substanzen allergisch ist. „Wo ein Allergen eingewirkt hat, haben sich dann bereits Rötungen und oft auch Bläschen gebildet“, so Wöhrl.
Den Übeltäter zu kennen, ist für Kontaktallergiker umso wichtiger. Denn alles, was sie gegen ihr Problem tun können, ist, den Allergieauslöser zu meiden. Eine spezifische Immuntherapie wie gegen die Pollen- oder Insektengiftallergie gibt es für sie nicht. Und mit Antihistaminika lässt sich nichts gegen die Feinde auf der Haut ausrichten, da Histamin anders als bei den anderen Allergien bei der Entwicklung der Entzündungsreaktion keine Rolle spielt. Nur die Symptome lassen sich bekämpfen. Wöhrl: „In der Akutphase und vorübergehend können Kontaktekzeme mit entzündungshemmenden, kortisonhaltigen Salben behandelt werden.“ Sind die Beschwerden stark, empfehlen sich Medikamente, die das Immunsystem eindämmen.  

Allergiepass hilft

Beim Meiden des potenziellen Feindes kann ein Allergiepass sehr hilfreich sein, in dem die – oft schwer zu merkenden – Namen der Allergene aufgelistet sind. Mithilfe des Passes können die Allergiker dann z. B. sehen, ob ein Pflegeprodukt gefährlich für sie ist, indem sie die Angaben im Pass mit jenen auf den Produktpackungen vergleichen. Noch einen Schritt weiter müssen Menschen gehen, die berufsbedingt ständig in Kontakt mit ihren Allergenen stehen, also z. B. Kassiere mit Nickel, Kosmetikerinnen mit Duftstoffen oder Friseure mit Chemikalien in Haarfärbemitteln. Wöhrl: „Sie können zunächst versuchen, sich mit Schutzhandschuhen zu behelfen.“ Reicht dies nicht aus, bleibt nur noch die Möglichkeit, den Beruf zu wechseln, um von den Feinden auf der Haut bzw. von Ekzemen, Ausschlägen, Bläs­chen und Juckreiz verschont zu bleiben.    

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Tipps für Kontaktallergiker

  • Über Nietknöpfe ein Pflaster kleben oder farblosen Nagellack auftragen.
  • Textilien in Schwarz, Grau, Dunkelblau und Dunkelgrün, knalligem Rot und Orange vor dem ersten Tragen waschen.
  • Kosmetika, Haut- und Haarpflegeprodukte sollten möglichst wenige Duft- und Konservierungsstoffe enthalten und so verwendet werden, wie es auf der Packung vermerkt wird. Man sollte sie also z. B. nicht länger als angegeben einwirken lassen.
  • Parfums nicht auf die Haut, sondern auf die Kleidung sprühen.
  • Bei beruflichem Kontakt mit Allergenen wenn möglich Schutzhandschuhe tragen.

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Allergien oder Irritation?

Manchmal steckt keine wirkliche Allergie hinter Beschwerden, wie sie auch bei einer Kontaktallergie auftreten. Ein Ekzem etwa kann auch in Folge einer nicht-allergischen Irritation entstehen. Allergie-Experte Priv. Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl: „Diese Ekzeme sind dann von einer allergischen Reaktion oft nur schwer zu unterscheiden.“ Eine nicht-allergische Reaktion kann sich z. B. durch zu lange Einwirkzeiten von Pflegemitteln wie Feuchtigkeitsmasken entwickeln oder auch durch häufigen Kontakt mit Wasser.

Buchtipp:

Schimmer
Allergien. Erkennen – behandeln – damit leben
ISBN 978-3-902552-39-6, 126 Seiten,
Verlagshaus der Ärzte, € 14,90

 

Stand 06/2014

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