Frauengesundheit

Baby-Blues oder Depression? Wenn das Mutterglück ausbleibt

Die Zeit rund um Schwangerschaft, Geburt und das erste Lebensjahr eines Kindes ist für viele Frauen emotional überwältigend – oft geprägt von Freude, Stolz und neuen Herausforderungen. Doch nicht jede Mutter empfindet sofort Glück. Manche erleben eine dunkle, belastende Phase: die sogenannte postpartale Depression.

Etwa 10 bis 15 % aller Frauen entwickeln in dieser sensiblen Lebensphase eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung – häufig verbunden mit Schuldgefühlen und Scham. Dabei ist das Thema keineswegs neu: Bereits 1858 wurde die postpartale Depression erstmals beschrieben. Trotzdem ist sie bis heute mit vielen Tabus behaftet.

Baby-Blues oder ernsthafte Erkrankung?

Zunächst sei gesagt: Viele Frauen fühlen sich in den ersten Tagen nach der Geburt erschöpft, gereizt oder traurig. Diese Phase – bekannt als „Baby-Blues“ – betrifft etwa 80 % der Mütter. Sie ist hormonell bedingt, harmlos und klingt meist innerhalb weniger Tage wieder ab.

Anders verhält es sich bei der postpartalen Depression:

  • Sie tritt meist erst einige Wochen nach der Geburt auf.
  • Die Symptome bleiben bestehen oder verschlimmern sich.
  • Ohne professionelle Hilfe besteht das Risiko schwerwiegender Folgen – für Mutter, Kind und auch den Partner.

Häufige Anzeichen einer postpartalen Depression

  • Tiefe Erschöpfung, trotz Schlafmöglichkeiten
  • Anhaltende Traurigkeit oder Leere
  • Gefühl von Überforderung und Versagen
  • Reizbarkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Baby
  • Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Schuldgefühle

Ein oft übersehenes Risiko

Die postpartale Depression wird häufig nicht erkannt – weder von der Mutter selbst noch von ihrem Umfeld. Statt einer Erkrankung wird ein vermeintliches „Versagen als Mutter“ vermutet. Doch genau hier liegt das Problem: Diese Frauen brauchen keine Vorwürfe, sondern Verständnis und Unterstützung.

Zudem scheuen viele Betroffene den Weg zum Arzt aus Angst vor einer Stigmatisierung. Dabei ist es entscheidend, frühzeitig gegenzusteuern. Studien zeigen: Das Risiko für eine psychiatrische Aufnahme ist im ersten Jahr nach der Geburt rund sechsmal höher als im restlichen Leben.

Wer ist besonders gefährdet?

Es gibt bestimmte Risikofaktoren, die auf eine erhöhte Anfälligkeit hindeuten:

  • Frühere Depressionen oder Angststörungen
  • Fehlende soziale Unterstützung
  • Stressige Lebensumstände
  • Komplikationen in der Schwangerschaft oder Geburt

In der Schwangerschaft können spezielle Fragebögen eingesetzt werden, um das Risiko frühzeitig zu erkennen und gezielte Präventionsmaßnahmen einzuleiten.

Psychotherapie als wirksame Hilfe

Glücklicherweise gibt es heute sehr gute Behandlungsmöglichkeiten. Besonders bewährt haben sich:

  • Verhaltenstherapie: Hilft, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern.
  • Gruppentherapie: Betroffene Mütter erleben, dass sie nicht allein sind – das entlastet und schafft Raum für Austausch.
  • Interpersonelle Therapie: Eine Kurzzeittherapie, die gezielt auf Beziehungsprobleme und Kommunikation fokussiert – besonders hilfreich bei der neuen Rollenverteilung in der Familie.

Auch Väter sind gefragt

Nicht nur Mütter, auch Väter können psychisch unter der neuen Lebenssituation leiden. Die Einbindung beider Elternteile in Prävention, Beratung und Therapie ist daher wichtig – für das emotionale Wohlbefinden der ganzen Familie.

Fazit: Offenheit hilft heilen

Eine postpartale Depression ist eine häufige, aber behandelbare Erkrankung. Entscheidend ist, dass Betroffene ihre Symptome ernst nehmen – und dass Umfeld und Fachpersonal aufmerksam bleiben. Mit gezielter Therapie, offener Kommunikation und frühzeitiger Hilfe kann das seelische Gleichgewicht wiedergefunden werden – für ein gesundes Ankommen im Familienleben.


Literatur:

Oskovi-Kaplan ZA, Buyuk GN, Ozgu-Erdinc AS, Keskin HL, Ozbas A, Moraloglu Tekin O. The Effect of COVID-19 Pandemic and Social Restrictions on Depression Rates and Maternal Attachment in Immediate Postpartum Women. A Preliminary Study [published online ahead of print, 2020 Sep 4]. Psychiatr Q. 2020;10.1007/s11126-020-09843-1. doi:10.1007/s11126-020-09843-1

Saba Mughal; Waquar Siddiqui. Postpartum Depression. StatPearls [Internet]. Last Update: July 2, 2020.

Brummelte S, Galea LA. Postpartum depression: Etiology, treatment and consequences for maternal care. Horm Behav. 2016 Jan;77:153-66. doi: 10.1016/j.yhbeh.2015.08.008. Epub 2015 Aug 28.


Fotos: istock Andrew_Rybalko

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