Für die einen ist sie ein Wunder der Natur, für die anderen der schönste Ausnahmezustand der Welt: Wie sich der weibliche Körper in der Schwangerschaft verändert und worauf Mamas in spe achten sollten.
Von Natascha Gazzari

„Schwangere benötigen ausreichend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente für die Entwicklung des Babys.“
Ein positiver Schwangerschaftstest stellt das Leben der Frau von einer Sekunde auf die andere völlig auf den Kopf. Der Countdown bis zur Geburt läuft und für den Körper der werdenden Mutter beginnt eine Zeit der großen Veränderungen. „Bereits in der achten Schwangerschaftswoche steigt das Herzminutenvolumen, also jene Menge an Blut, welche das Herz pro Minute in den Kreislauf pumpt, um 20 Prozent an und bis zur 28. SSW sogar um 40 Prozent“, erklärt Gastprof. Univ.-Lektor OA Dr. Harald Lass, Oberarzt an der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im St. Josef Krankenhaus Wien. Gleichzeitig nimmt der periphere Gefäßwiderstand durch die hormonell bedingte Weitstellung der Venen ab. Dies hat zur Folge, dass der Blutdruck im ersten und zweiten Schwangerschaftsdrittel vorübergehend abfällt und erst im letzten Schwangerschaftsdrittel wieder sein ursprüngliches Niveau erreicht. Auch die Lunge passt sich an die besondere Situation an: „Der Sauerstoffverbrauch steigt in der Schwangerschaft um ungefähr 15 Prozent und das Atemminutenvolumen nimmt um 40 bis 50 Prozent zu“, so der Gynäkologe. Das Harnsystem ist ebenfalls von den Veränderungen betroffen. Die Nieren vergrößern sich und bei rund 80 Prozent der Schwangeren kommt es zu einer leichten Form von Nierenstau, der das Risiko für Harnwegsinfektionen und Nierenbeckenentzündungen steigen lässt.
Hormone und Immunsystem
Richtig rund geht’s bei den weiblichen Hormonen: So steigt die Konzentration von Östrogen in der Schwangerschaft kontinuierlich an. „Östrogene sorgen im Körper der Frau für zunehmende Elastizität des Bindegewebes und der Blutgefäße sowie für den gesteigerten Blutfluss zu den Geweben. Sie steuern das Wachstum der Gebärmutter und der Brustdrüsen und haben wichtige Funktionen im Geburtsverlauf.“ Schöner Nebeneffekt: Östrogen kann stimmungsaufhellend wirken! Das Hormon Progesteron bereitet die Gebärmutterschleimhaut auf eine Einnistung der befruchteten Eizelle vor und ist besonders im frühen Stadion der Schwangerschaft wesentlich daran beteiligt, die Schwangerschaft aufrecht zu erhalten. „Progesteron sorgt unter anderem für eine verbesserte Durchblutung und eine Entspannung der Gebärmutter, sowie einer Verhinderung von vorzeitigen Wehen“, berichtet der Gynäkologe.
Große Veränderungen erfährt auch das weibliche Immunsystem, die wichtigste davon ist die Unterdrückung der sogenannten „zellulären Immunität“: „Dies verhindert, dass der Körper der Mutter den Fötus als fremd erkennt und abstößt. Die zelluläre Immunität ist jedoch auch für die Abwehr von Infektionen zuständig, was Schwangere anfälliger für bestimmte Krankheiten machen kann.“ Gleichzeitig kommt es zur Erhöhung der humoralen Immunität, die wiederum dafür sorgt, dass Mutter und Kind besser vor Infektionen geschützt sind. Die Anpassungen des Immunsystems können laut Lass von Frau zu Frau sehr unterschiedlich sein.
Essen für zwei?
Die Umbauprozesse im weiblichen Körper sind zwar enorm, er benötigt dafür jedoch viel weniger zusätzliche Energie, als man glauben könnte. Der Energiebedarf steigt nur geringfügig und daher lautet die aktuelle Empfehlung, die Energiezufuhr nur in den letzten Monaten vor der Geburt um bis zu zehn Prozent zu steigern. Wer zu viel Kalorien zu sich nimmt, riskiert eine zu starke Gewichtszunahme und damit verbundene Komplikationen. Durchschnittlich nehmen Frauen bis zur Geburt rund zwölfeinhalb Kilogramm zu. „Wichtiger als die Menge ist die Qualität der Nahrung. Schwangere benötigen ausreichend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente für die Entwicklung des Babys“, erläutert Lass. Schwangere sollten daher auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, magerem Fleisch und Fisch achten und Lebensmittel, die reich an Folsäure, Eisen, Kalzium, Jod und Omega-3-Fettsäuren sind, regelmäßig in den Speiseplan einbauen. Um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten und Heißhungerattacken zu vermeiden, empfiehlt der Gynäkologe regelmäßig kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt zu essen und ausreichend Wasser oder ungesüßten Tee zu trinken.
Schwerstarbeit für die Venen
Für die Venen ist eine Schwangerschaft eine besondere Herausforderung: Die Hormone bewirken eine Erschlaffung der Blutgefäße. Dies kann dazu führen, dass die Venenklappen nicht mehr richtig schließen und sich das Blut in den Venen staut. „Rund ein Drittel der Erstgebärenden und 50 Prozent der Mehrgebärenden zeigen nach der Schwangerschaft Krampfadern“, berichtet Lass. Da das Blutvolumen in der Schwangerschaft um bis zu 50 Prozent steigt, müssen die Venen mehr Blut transportieren, was sie zusätzlich belastet. Nicht zuletzt sind die Venen durch die Gewichtszunahme der Frau und den Druck des wachsenden Babys gefordert. Neben Krampfadern können diese zusätzlichen Belastungen zu Besenreisern, Hämorrhoiden und in seltenen Fällen auch zu Thrombosen führen. Regelmäßige Bewegung, das Vermeiden von langem Sitzen und Stehen, eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung sowie eine reichliche Flüssigkeitszufuhr sind einfach umzusetzende Maßnahmen, um die Venengesundheit zu unterstützen. „Kompressionsstrümpfe können zusätzlich helfen, den Blutfluss in den Beinen zu verbessern und das Risiko für Krampfadern zu verringern“, so die Empfehlung des Gynäkologen.
Impfschutz überprüfen
In der Schwangerschaft sollen nur Totimpfstoffe und keine Lebendimpfstoffe, wie z.B. gegen Masern/Mumps/Röteln oder Varizellen geimpft werden. Um Mutter und Kind optimal zu schützen, sollten mögliche Lücken im Impfpass daher am besten bereits bei bestehendem Kinderwunsch gefüllt werden.
Einige, durch Impfungen vermeidbare Erkrankungen, können für das Neugeborene gefährlich werden, wie Prim. Dr. Roland Berger, Vorstand der Abteilung für Kinderheilkunde mit Neonatologie im St. Josef Krankenhaus
Wien, berichtet: „Dazu zählen insbesondere Keuchhusten, Influenza und RSV. Keuchhusten ist eine Erkrankung, die bei Neugeborenen potenziell tödlich verlaufen kann. Es gibt daher eine klare Empfehlung, sich in jeder Schwangerschaft gegen Keuchhusten (Pertussis) auffrischen zu lassen, idealerweise zwischen der 27. und 36. SSW.“ Auch eine Infektion mit der echten Grippe kann bei Schwangeren und Neugeborenen schwer verlaufen. Eine Influenza-Impfung der Mutter bietet einen Schutz für Mutter und Kind und ist ebenfalls empfohlen. Gegen RSV können Neugeborene bereits in der ersten Lebenswoche geimpft und somit geschützt werden. Laut österreichischem Impfplan ist auch die Impfung gegen Covid-19 für Schwangere empfohlen. Sollte die Mutter noch nie an Varizellen (Windpocken) erkrankt sein, besteht ein besonderes Risiko für das Neugeborene, wenn die Mutter rund um die Geburt erkrankt. Somit ist auch bei Varizellen bei Bedarf eine Impfung vor der Schwangerschaft ratsam. Erkrankt die Mutter während der Schwangerschaft an Gürtelrose, ist die Übertragung des Virus erst möglich, wenn das Kind auf der Welt ist. „Idealerweise werden Impfungen im 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel durchgeführt“, erläutert Kinderfacharzt Berger.
No-Gos für werdende Mütter
Worauf in der Schwangerschaft kulinarisch verzichtet werden sollte:
- Rohe tierische Lebensmittel: Gefahr der Infektion mir Listerien und Toxoplasmose
- Eier, wenn Eigelb und Eiweiß nicht fest sind: Gefahr der Infektion mit Salmonellen
- Alkohol: Er führt zu neurologischen Defekten des Fötus und kann die zukünftige Intelligenz des Kindes beeinflussen.
- Kaffee in Maßen: Die Halbwertszeit von Koffein steigt während der Schwangerschaft von drei Stunden im ersten Trimester, auf 80 bis 100 Stunden in der späten Schwangerschaft. Daher sollten Schwangere nicht mehr als 200 mg Koffein am Tag (ca. zwei Tassen) konsumieren.
Fotos: istock natalia deriabina