Multiple Sklerose und Krebs scheinen auf den ersten Blick nichts gemeinsam zu haben. Doch neue Forschung zeigt: Beide Erkrankungen hängen eng mit dem Immunsystem zusammen. Moderne Immuntherapien eröffnen neue Behandlungsoptionen – bringen aber auch Risiken mit sich.
Einfluss des Immunsystems
Das Immunsystem erkennt sowohl fremde Krankheitserreger als auch Tumorzellen. Gleichzeitig sorgt es dafür, dass der Körper seine eigenen Zellen nicht angreift. Störungen in diesem Gleichgewicht können Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose auslösen oder das Wachstum von Tumoren fördern. Eine langfristige Dysregulation kann zu chronischen Entzündungen und Gewebeschäden führen, die wiederum die Tumorentstehung begünstigen. Umgekehrt nutzen Tumore Mechanismen wie PD-1/PD-L1 oder CTLA-4, um der Immunüberwachung zu entkommen, was bei Autoimmunreaktionen eine dämpfende Wirkung hat.
Chancen und Risiken
Checkpoint-Inhibitoren in der Krebsbehandlung aktivieren das Immunsystem gezielt. Sie können jedoch bestehende Autoimmunerkrankungen verschlechtern. Umgekehrt stehen manche MS-Medikamente im Verdacht, das Krebsrisiko leicht zu erhöhen. Neueste Studien zeigen jedoch, dass moderne Therapien wie S1P-Rezeptor-Modulatoren oder B-Zell-depletierende Antikörper überwiegend sicher sind. Immunmodulatorische Effekte müssen allerdings individuell überwacht werden, vor allem bei älteren Patienten oder längerer Therapiedauer.
Neue Therapieansätze
Erkenntnisse aus der Onkologie ermöglichen gezieltere Therapien für MS:
- CD20-B-Zell-Therapien wie Ocrelizumab, Rituximab oder Ofatumumab eliminieren selektiv autoreaktive B-Zellen, reduzieren Schübe und verlangsamen die Krankheitsprogression.
- Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren (BTKi) wirken sowohl auf periphere B-Zellen als auch auf Immunzellen im zentralen Nervensystem. Sie zeigen Potenzial bei progredienten MS-Verläufen und könnten in Kombination mit CD20-Antikörpern als Sequenztherapie eingesetzt werden.
- CAR-T-Zell-Therapien bieten die Möglichkeit, gezielt autoreaktive B-Zellen im Gehirn und Rückenmark zu eliminieren. Erste Studien bei schwer therapieresistenten Autoimmunerkrankungen zeigen schnelle und langanhaltende Effekte.
Ursache bekämpfen
Die Erkenntnisse aus der Krebsforschung helfen, MS-Therapien gezielter zu machen. Behandlungen können bestimmte Zellen und Immunwege ansprechen, um besser zu wirken und Nebenwirkungen zu reduzieren. So könnten sie nicht nur Symptome lindern, sondern auch die Ursachen der Krankheit bekämpfen.
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