Leben & Arbeiten

Gesunde Haltung

So sitzen, stehen, liegen Sie richtig
 
Rückenschmerzen sind Österreichs Volksleiden Nummer eins. Meist liegt den Beschwerden in der Wirbelsäule eine falsche Körperhaltung zugrunde. Wie man richtig sitzt, steht, liegt, zeigt MEDIZIN populär gemeinsam mit Expertinnen des Orthopädischen Spitals Speising in Wien vor.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Einmal zwickt es da, einmal zwackt es dort, und manchmal tut das Kreuz so weh, dass jede Bewegung zur Qual wird: Wirbelsäulenleiden sind Österreichs Volksleiden Nummer eins. Gemäß einer Befragung der Statistik Austria sind 2,3 Millionen Über-15-Jährige betroffen, 1,5 Millionen davon gaben an, zeitweise sogar „erhebliche Rückenschmerzen“ zu haben. Auf der Liste der häufigsten Schmerzarten liegt das Kreuz mit dem Kreuz an erster Stelle, nach Atemwegserkrankungen sind Rückenschmerzen der zweithäufigste Grund, einen Arzt aufzusuchen. Nicht weniger als die Hälfte aller Frühpensionierungen geht auf chronische Rücken- und Nackenschmerzen zurück.

Fehlhaltung, Stress, Muskelschwäche

„Fehlhaltungen, die wiederum meistens auf Fehlbelastungen der Wirbelsäule beim Sitzen, manchmal auch beim Stehen und Liegen zurückgehen“, nennt Prim. Dr. Ingrid Heiller, Leiterin des Instituts für Physikalische Medizin und Orthopädische Rehabilitation am Orthopädischen Spital in Wien-Speising, häufige Ursachen für das verbreitete Leiden. Aber auch seelischer Stress kann dazu führen, dass jemand eine Fehlhaltung einnimmt und z. B. den Kopf einzieht oder die Schultern – nach vorne – hängen lässt.
„Bewegungsmangel und die dadurch bedingte schwache Rückenmuskulatur verschlimmern meist das Problem“, erklärt Heiller. Der Grund: Wenn Muskeln schwach sind, kann die Fehlhaltung irgendwann nicht mehr korrigiert werden, und so wird aus der vorübergehend krummen Haltung ein Dauerzustand – mit Schmerzen, die in ärztliche Hände gehören: „Je früher man etwas unternimmt, desto leichter und schneller gelingt es, die Rückenschmerzen wieder loszuwerden, desto besser lassen sich aber auch bleibende Folgeschäden der Fehlhaltungen vermeiden.“ Veränderungen in der Balance der Muskulatur, Muskelverhärtungen, Veränderungen des Bandscheibenknorpels, Abnützungserscheinungen an den Wirbelgelenken, die Folgen falscher Körperhaltung sind vielfältig, und schmerzhaft sind sie meist auch. Mit gesunder Haltung beugt man vor:

RICHTIG SITZEN

Bitte lümmeln, strecken, wackeln!
„Richtig sitzen heißt in erster Linie dynamisch sitzen“, so Heiller. Selbst Dauersitzer von Berufs wegen müssen nicht zwangsweise Stillsitzer sein: „Wer beruflich viel Zeit am Schreibtisch verbringt, könnte sich zum Beispiel zusätzlich ein Stehpult anschaffen, an das er immer wieder für einzelne Arbeiten übersiedelt“, regt Heiller an. Wer während der Arbeit telefoniert, kann für Bewegung sorgen, indem er aufsteht, während er seine Gespräche führt. Heiller: „Beim Sitzen selbst sollte man die Position immer wieder verändern, indem man sich zum Beispiel öfter zurücklehnt und die Beine ausstreckt, sich auch einmal zur Seite lehnt, ein bisschen herumlümmelt, sich dann wieder ausstreckt und die Muskeln dehnt.“ Zusätzlich empfiehlt Heiller Schreibtischsessel mit einer Sitzfläche, die ein wenig nachgibt bzw. wackelt, wenn man die Position verändert. „So wird die tiefe Muskulatur des gesamten Rumpfes stimuliert und ein bisschen gestärkt.“ Diesen gesunden Effekt kann man noch steigern, wenn man sich zeitweise auf einen Gymnastikball setzt.
Wird man vorübergehend doch einmal zum Stillsitzen vergattert, dann ist das halb so schlimm, wenn man die „Idealposition“ einnimmt: Dazu die Beine möglichst im rechten Winkel abgewinkelt abstellen, das Becken aufrichten, anschließend das Brustbein nach vorne schieben und die Schultern nach hinten und unten sinken lassen. So wird der Nacken lang, Kopf und Kinn kommen in die richtige Position. „Diese Haltung ist auch die richtige für langes Sitzen im Auto“, so Heiller. Berufs- und anderen Vielfahrern rät die Expertin zudem, mindestens alle zwei Stunden eine Pause einzulegen, um sich zu bewegen und die Muskeln des gesamten Körpers zu lockern.    

RICHTIG HEBEN

Beim Heben von schweren Lasten wird der Gegenstand idealerweise ganz nahe am Körper getragen, wobei man in die Knie geht. Dadurch wird der Rücken von starken Belastungen verschont. Falsch ist das Heben mit gestreckten Beinen, weil der Rücken darunter leidet.

RICHTIG STEHEN

Der Wirbelsäule Halt geben
Wer beruflich bedingt lange Zeit stehen muss, sollte dabei keine Wurzeln schlagen, sondern sich so oft wie möglich vom Fleck weg bewegen. Dabei rät Heiller, immer wieder die sogenannte Tiefenstabilisation zu trainieren. Wie man das macht? „Man beginnt damit, den Nabel einzuziehen, anschließend spannt man die unteren Bauchmuskeln und den Beckenboden an“, erklärt Heiller. „So bringt man automatisch das Becken und den gesamten Rumpf bis zur Halswirbelsäule in eine gesunde und stabile Haltung.“
Beim langen Stehen wichtig ist zudem, beide Beine möglichst immer gleichmäßig zu belasten. Sonst kann es zu Muskeldysbalancen kommen, die über kurz oder lang für Schmerzen sorgen.

RICHTIG LIEGEN

Eine Frage der (Unter-)Lage
Schlechte Nachrichten für Bauchschläfer: „In der Bauchlage wird der Kopf verdreht gelagert. Das kann zu Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule führen, und dazu, dass man am nächsten Morgen mit Schmerzen im Nacken aufwacht.“ Schon besser ist die Seitenlage. Ein Seitenpolster, auf dem das obere Bein und der obere Arm abgelegt werden, verhindert Fehlhaltungen zwar nicht, weiß die Expertin. „Aber wenn die Verwendung eines solchen Polsters als angenehm empfunden wird, soll man es nehmen, denn dann erhöht es zumindest die Schlaftiefe.“ Am besten ist, die Nacht in Rü­ckenlage zu verbringen. „So wird die gesamte Wirbelsäule entlastet“, begründet Heiller die Empfehlung.
Ob Rücken- oder Seitenlage: Wichtig ist die Wahl des richtigen Kopfpolsters. „Er sollte so dick sein, dass er in Seitenlage den Bereich zwischen dem Ohr und dem äußeren Ende der Schulter füllt“, so Heiller.  Füllt der Polster die Lücke nicht, befindet sich die Halswirbelsäule die ganze Nacht in geknickter Position – und Schmerzen sind programmiert. Heillers Rat für die gesunde Unterlage: „Eine gute Matratze verteilt das Körpergewicht gleichmäßig und gibt an Hüften und Schultern, den stärksten Auflagepunkten, am besten nach.“ Ideal: ein Lattenrost, der in diesen Bereichen ebenfalls beweglich ist.

SICH RICHTIG BÜCKEN

Auch richtiges Bücken entzückt den Rücken; Ergotherapeutin Alexandra Wagner zeigt es vor: Man nimmt eine Schrittstellung ein, stützt sich mit einer Hand ab und hält den Rücken gerade.
Falsch ist es, dabei einen Rundrücken zu bilden, das ist schlecht für die Wirbelsäule.

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Immer mehr Kinder mit Haltungsschäden    

Auch sie sitzen viel zu lang, erst in der Schule, dann daheim vor dem Computer und dem Fernseher: Kinder und Jugendliche. „Der Bewegungsmangel sorgt für immer mehr Probleme“, sagt Expertin Prim. Dr. Ingrid Heiller. Das belegen auch Zahlen. „Mehr als die Hälfte aller Schulkinder bis 15 Jahren weisen Haltungsschwächen auf“, so die Expertin weiter. „Und bei einem beträchtlichen Teil dieser Kinder hat sich diese Schwäche bereits zu einem Haltungsschaden entwickelt, der sich in immer wieder kehrenden Schmerzen äußert.“
Was tun? „Einem Kind zu sagen, es muss besser auf seine Haltung beim Sitzen achten, ist nicht zielführend“, so Heiller. Stattdessen plädiert die Expertin für die Förderung des Körper- und Bewegungsbewusstseins in der Schule, für rückenfreundliche Schulmöbel, bewegte Pausen und dreimal in der Woche hochwertigen Sportunterricht. „Darüber hinaus sollten Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, sich jeden Tag zumindest eine Stunde aktiv zu bewegen“, betont die Ärztin.

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Bei Haltungsschäden zur Therapie

Egal, ob man sich die Schmerzen nun durch Fehlhaltungen im Liegen, Stehen oder Sitzen zugezogen hat: Man sollte unbedingt auch durch Bewegung gegensteuern, so Prim. Dr. Ingrid Heiller. Gut: ein Muskeltraining, Yoga und Pilates. „Sind durch Haltungsschwächen bereits Haltungsschäden aufgetreten, können Physio- oder Ergotherapeuten mit Haltungsschulungen und Ausgleichstrainings helfen“, so die Expertin.

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