Von Mag. Sabine Stehrer
Was andere gar nicht hören, treibt immer mehr Betroffene schier in den Wahnsinn: das Pfeifen, Brummen, Klingeln, Rauschen oder Zischen in ihren Ohren, das oft auch noch den Schlaf stört. Wie Tinnitus sind aber auch andere Hörstörungen auf dem Vormarsch. So führt ein Hörsturz immer mehr Menschen zum Arzt, ein Phänomen, bei dem sich das Hörvermögen schlagartig verschlechtert. Und auch die schleichend schlimmer werdende Schwerhörigkeit greift um sich. Insgesamt sind bereits 1,2 Millionen Österreicher von einer Hörschädigung betroffen, und längst machen die Leiden nicht mehr nur den Älteren zu schaffen: Auch immer mehr Jugendliche haben Probleme mit den Ohren.
Lärm und Dauerlärm
Das hat vor allem einen Grund: „Durch die herrschende Lärmverschmutzung sind die Ohren viel stärker belastet als früher“, bringt es Dr. Josef Schlömicher-Thier, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in Neumarkt am Wallersee, auf den Punkt. Unsere Umgebung ist lauter geworden, ob in der Wohnung, wo vielfach Verkehrslärm zu schaffen macht, oder am Arbeitsplatz. Viele versuchen, den störenden Lärm mit angenehmem Lärm zu übertönen, indem sie z. B. über Kopfhörer laut Musik hören. Doch auch das schadet auf Dauer dem Gehör. Bekommen die Ohren dann auch noch in der Freizeit keine Ruhe – sei es in der Disco oder auf dem Fußballplatz –, so ist Überlastung programmiert. Und dann lassen die Schäden nicht mehr lange auf sich warten.
Stress und Schnitzel
Zu viel Lärm beeinflusst aber auch unser seelisches Befinden. Schlömicher-Thier: „Dauerlärm und Dauerberieselung verursachen Stress.“ Umgekehrt kann Stress Hörschäden auslösen. „Die hohe Konzentration an Stresshormonen im Blut führt zu Durchblutungsstörungen, auch der Ohren“, beschreibt Schlömicher-Thier den Teufelskreis: „Ist das Innenohr schlecht durchblutet, wird es nicht gut genug mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt.“ So werden die Sinneshärchen geschädigt, die dafür da sind, die akustischen Reize zu empfangen und über die Hörnerven an das Gehirn weiterzuleiten. Stress verursacht zudem oft Verspannungen im Kiefer- und Halswirbelsäulenbereich, und diese können die Funktion der Hörnerven beeinträchtigen. ‘
Damit nicht genug: Wenn Schnitzel, Schweinsbraten und Schwarzwälder-Kirschtorte zu oft auf den Teller kommen, kann sich das nicht nur auf die Hüften, sondern auch auf die Ohren schlagen. Denn zu viele schlechte Fette (Cholesterin, Triglyzeride) im Blut beeinträchtigen die Durchblutung der Hörorgane.
Ruheoasen und Hörgenuss
Doch nicht nur ausgewogene Ernährung hält die Ohren fit. Für die Hörorgane besonders wichtig sind „Ruheoasen“: „Sich immer wieder an Orte zurückzuziehen, an denen Stille herrscht“, empfiehlt der Mediziner ebenso wie „öfter einmal einfach nur zu lauschen“. Die Ohren offenzuhalten für nichts weiter als das Rauschen der Blätter oder den eigenen Atem – das sei Balsam pur für die gestressten Lauscher. Denn nur gesunde Ohren können ihren vielfältigen Aufgaben ohne Einschränkung nachkommen. Jedes Geräusch, jeder Klang, jedes Wort, das wir hören, wird im Gehirn zu Informationen verarbeitet. Dabei verfügen die Ohren über die wichtige Fähigkeit der Selektion: Ein Konzert etwa wird u. a. dadurch zum Hörgenuss, weil wir die Klänge der einzelnen Instrumente voneinander unterscheiden können. Umgekehrt werden wir deshalb nicht von jedem nur erdenklichen Geräusch, das uns umgibt, behelligt, weil sich die Ohren bis zu einem gewissen Grad sozusagen taub stellen können. Da sie schließlich eine Wächterfunktion haben, wie Schlömicher-Thier es ausdrückt, sind die Ohren rund um die Uhr auf Empfang gestellt: „Sie sind dazu da, uns zu alarmieren.“
Gene und Belastung
Wie gut die Ohren ihren Dienst versehen, wird im Wesentlichen von den Genen bestimmt. Verbessern lässt sich das Hörvermögen so gut wie gar nicht. Deswegen ist es auch kaum möglich, den Hörsinn durch Training zu schärfen, wenn er sich verschlechtert hat. Von den Genen, vor allem aber auch vom Ausmaß der Belastung der Ohren hängt es ab, wie lange der Hörsinn im Alter voll erhalten bleibt. Zumindest zum Teil funktionstüchtig ist er aber auch noch ganz am Ende des Lebens, weiß Schlömicher-Thier. Wer Sterbenden noch liebe Worte sagen will, tut also gut daran.
Webtipp:
Der Mini-Ratgeber „Gut hören – dazugehören“ ist auf www.medizinpopulaer.at/downloads zu finden.