Sie macht keine Beschwerden, schmerzt nicht und bleibt daher lange Zeit unbemerkt: Von einer nicht-alkoholischen Fettleber ist jedoch bereits ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher betroffen.
Von Doris Simhofer
Für Eva war die Diagnose niederschmetternd. Mit 58 Jahren und nur leichtem Übergewicht war es für sie unbegreiflich, an einer nicht-alkoholischen Fettleber zu laborieren. Die Erkrankung sei jedoch reversibel, versicherte ihr der behandelnde Arzt, vorausgesetzt, Eva ändere ihren Lebensstil. Die häufige Müdigkeit war Eva schon lange ein Dorn im Auge, sie schob es auf den Job und das Alter. Doch bei näherer Betrachtung musste sie sich eingestehen: Der Griff zur Schokolade oder zu den restlichen Weihnachtskeksen als Belohnung nach einem langen Tag, die häufigen kalorienreichen Mahlzeiten zwischendurch oder ab und zu ein Smoothie zum Frühstück, all das wirkt sich auf die Leber aus.
Was heißt „Fettleber“?
Eine Fettleber liegt vor, wenn deren Fettanteil 15 Prozent des Gesamtgewichts des Organs übersteigt, meist sind dann mehr als die Hälfte der Leberzellen verfettet. Die Erstdiagnose wird meist im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung gestellt. Eine gesunde Leber wiegt etwa eineinhalb Kilo. Bis vor kurzem wurde die Abkürzung NASH (nicht-alkoholische Steatohepatitis) für eine Fettleberentzündung verwendet, also für eine Fettleber, die nicht durch Alkohol, sondern andere Faktoren wie Übergewicht oder Diabetes verursacht wurde. Vor einem Jahr wurden alle Fachbegriffe für Fettleber weltweit geändert. So wird eine
Stoffwechsel-bedingte Fettleber nun als metabolische Dysfunktion-assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD) bezeichnet; die entzündliche Form als Metabolische Dysfunktion-assoziierte Steatohepatitis (MASH). Die neuen Begriffe sind wissenschaftlich genauer und weniger stigmatisierend.
„Die metabolisch-bedingte steatotische Lebererkrankung ist die häufigste Lebererkrankung weltweit und betrifft etwa 30 Prozent der Gesamtbevölkerung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner, Leiter der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni Wien und des AKH Wien. „Zu hohe Kalorienaufnahme in Kombination mit zu wenig Bewegung ist die Hauptursache für das Entstehen der Fettleber. In weiterer Folge kann sie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen verursachen.“
Unterschiedliche Verläufe
Müdigkeit, Abgeschlagenheit, ein dumpfes Drücken im Bauch oder ein lästiges Völlegefühl: An den kulinarischen Höhenflügen zu Weihnachten kann man sich schon leicht mal „überessen“. Treten die Symptome jedoch häufiger und langfristig auf, kann dies auch ein Hilfeschrei der Leber sein. „Die Fettleber darf daher keinesfalls trivialisiert werden. Sie erfordert stets eine ganzheitliche Betrachtung und muss als Risikofaktor für die Entwicklung einer Leberzirrhose und von Leberkrebs, aber auch als kardiometabolischer Risikofaktor wahrgenommen werden“, so Trauner. Je nachdem, wie hoch der Anteil der verfetteten Leberzellen, der Entzündung und der Bindegewebsvernarbung (Fibrose) ist, wird die Erkrankung in unterschiedliche Stadien unterteilt. Unbehandelt werden die Leberzellen geschädigt und es kann zu Entzündungen und in weiterer Folge zur Fibrose kommen. In Fibrose-Stadium 4 tritt letztlich eine Leberzirrhose ein.
Ursachen und Folgen
„Eine Fettleber kann zu Leberentzündung (Fettleberhepatitis), Leberzirrhose und zu Leberkrebs führen. Die Erkrankung ist stark verbunden mit Diabetes, Übergewicht oder dem metabolischen Syndrom, aber auch mit genetischen Vorgängen und Veränderungen des Darmmikrobioms“, sagt Spezialist Trauner. Die häufigsten Risikofaktoren für die Entstehung einer Fettleber sind ein ungesunder Lebensstil, genetische Faktoren (zu einem Drittel), Metabolismus (also vorliegende Erkrankungen wie Insulinresistenz, Diabetes und Adipositas) oder Stoffwechselvorgänge im Darmmikrobiom. „Menschen mit Diabetes haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, eine Fettleber zu entwickeln“, so Trauner.
Überdies zeigte eine Studie, dass bei 25 Prozent der Patientinnen und Patienten mit nicht-alkoholischer Fettleber auch geringe Mengen an Alkohol die Entstehung der Erkrankung begünstigen. „Der Einfluss von geringem bis mäßigem Alkoholkonsum auf das Entstehen und Fortschreiten einer Fettlebererkrankung ist in der medizinischen Forschung bis jetzt nicht endgültig geklärt. Aktuelle Studien gehen von deutlich geringeren, noch realtiv harmlosen Alkoholmengen von 10 bis 20 g Ethanol/Tag aus, über denen eine alkohol-assoziierte Leberschädigung nicht sicher ausgeschlossen werden kann“, erklärt der Mediziner. Dieser neuen Zwischenkategorie („zwischen“ MASLD und ALD) wird auch in der neuen Nomenklatur Rechnung getragen (MetALD).
Eine weitere neuere Erkenntnis betrifft das Mikrobiom. „Es ist in der Lage, Alkohol zu produzieren, vor allem bei Patientinnen und Patienten mit Fettleber. Ist die Darmbarriere gestört, kann die Leber überlastet sein, weil sie Schadstoffe nicht mehr ausreichend abbauen kann und diese in die Blutzirkulation gelangen.“ Dadurch werden Immunzellen aktiviert, die auch in anderen Organen Schaden anrichten können. Botenstoffe aus dem Fettgewebe, vor allem aus dem Viszeralfett, also den Fettreserven am Bauch, können in der Leber den Zuckerstoffwechsel negativ beeinflussen und Diabetes auslösen. Dies wiederum führt zu einer Fetteinlagerung in den Leberzellen und somit zur Fettleber.
Fructose, der stille Killer
Fructose ist an der Entstehung einer Fettleber aus wissenschaftlicher Sicht mit beteiligt. Die Verstoffwechslung von Glucose und Fructose unterscheidet sich maßgeblich, doch Michael Trauner differenziert: „Letztendlich dürfte die Kalorienmenge und weniger die Ausgangssubstanz für die Stimulation der De-Novo-Lipogenese entscheidend sein“. Man muss auch die Fructosebelastung von Softdrinks vom natürlich vorkommenden Fruchtzucker in Obst unterscheiden. „Letzteren verarbeitet der Organismus besser, da Fructose langsam freigesetzt wird. In Studien konnte außerdem gezeigt werden, dass ein gesunder Organismus über einen gewissen Zeitraum Kompensationsmechanismen bei der Zufuhr von höheren Mengen an Fructose hat.“ Für Trauner besteht das Risiko für die Entwicklung einer Fettleber also eher in der Kalorienzufuhr. Zucker eines frisch gepressten Orangensafts aus fünf Orangen wandert langsamer in den Leberkreislauf als ein Smoothie, der meist aus mehreren 100 Gramm Obst besteht. Dieser übersteigt schnell die von der WHO empfohlene Menge an Fructose von 25 Gramm pro Mahlzeit, maximal 80 g pro Tag. Zwei Portionen Obst am Tag tun es demnach auch, so die Wissenschaft, denn die in Smoothies enthaltene Fructose kann aus dem Dünndarm direkt in die Leber wandern. Ob Schokolade, Softdrinks, Weihnachtskekse oder Kuchen: Alle Zuckerarten finden bei Überkonsum ihren Weg in die Leber und können damit zu einer Fettleber beitragen, so der Tenor aktueller Studien.
Neue Diagnosemöglichkeiten
Labortests geben keinen klaren Hinweis darauf, ob eine alkoholbedingte oder nicht-alkoholische Fettleber vorliegt. Ist etwa Gamma-GT erhöht, könnte eine Fettleber vorliegen. Weitere Leberwerte sind GPT (Glutamat-
Pyruvat-Transaminase), GOT (Glutamat-Oxalacetat-Transaminase), GGT (Gamma-Glutamyltransferase) und Bilirubin, die erhöht sein können und damit Hinweis auf eine alkoholbedingte Fettleber geben. Meist wird die Diagnose durch eine Ultraschalluntersuchung gestellt, mit weiteren Methoden der Fibroelastographie (Fibroscan R) kann nicht nur der Fettgehalt, sondern auch die Steifigkeit und damit die Fibrose gemessen werden, weiters geben Serumtests wie FIB-4 und ELF-Test Aufschluss über den Fibrosegrad der Leber. Mithilfe einer Biopsie, also einer Gewebeentnahme aus der Leber, kann die Ärztin, der Arzt den Fortschritt der Erkrankung erkennen – es zeigt, ob das Lebergewebe bereits in Bindegewebe (Fibrose) umgebaut wurde oder ob Entzündungsfaktoren vorliegen. Die Biopsie wird aber meist nur mehr in Studien bzw. bei differenzialdiagnostischen Unklarheiten durchgeführt. Bei Alkoholabstinenz bzw. bei fettarmer, ausgewogener Ernährung kann sich die Fettleber in etwa zwei bis drei Monaten zurückbilden.
Medikamente in der Pipeline
Da es aktuell noch keine zugelassene medikamentöse Therapie gibt, ist die Änderung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens die beste Maßnahme, einer Fettleber vorzubeugen und sie zu behandeln. „Wesentlich ist, die Kalorienaufnahme um rund 500 kcal pro Tag zu reduzieren – etwa durch eine nachhaltige Ernährungsform basierend auf Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Nüssen, Olivenöl, Fisch und weißem Fleisch“, so Michael Trauner. In den USA wurde kürzlich mit Resmetirom erstmals auch ein Arzneimittel gegen Fettlebererkrankungen zugelassen. Eine Zulassung in der EU ist derzeit ausstehend. Resmetirom kann helfen, wenn Lebensstil-Änderungen allein nicht ausreichen. Die neuen Abnehmmedikamente (GLP-1 Analoga, duale und triple Agonisten) haben ebenfalls einen positiven Effekt, sind derzeit aber nur für die Therapie der zugrundeliegenden Begleiterkrankungen wie Diabetes und Adipositas zugelassen.
Fotos: © istock piotr_malczyk, MedUni Wien/feelimage