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Neurologie & Psyche

Träum süß!

Wie wichtig guter Schlaf für die körperliche und geistige Gesundheit ist, warum manchmal nur Bettflucht hilft und was erholsame Nächte mit der Wirkung von Impfungen zu tun haben.

Von Natascha Gazzari

OA Dr. Andreas Kaindlstorfer
„Entscheidend ist nicht, wie viele Stunden ich schlafe, sondern wie es mir am nächsten Tag geht.“

Wie groß ist die Schafherde, die Sie zählen, bevor Sie in den Schlaf sinken? Kennen Sie jedes Tier beim Namen oder haben Sie angesichts der Herdengröße den Überblick verloren? Schäfchenzählen ist nur eine von vielen Möglichkeiten, mit denen Menschen, die an Schlafstörungen leiden,
versuchen, ihr Problem in den Griff zu bekommen. „Von einer Schlafstörung (Insomnie) spricht man dann, wenn man mindestens dreimal pro Woche über einen Monat lang so schlecht schläft, dass die Lebensqualität davon beeinträchtigt wird. Hält die Schlafstörung länger als drei Monate an, gilt sie als
chronisch“, erklärt Oberarzt Dr. Andreas Kaindlstorfer, Facharzt für Neurologie und Leiter des Schlaflabors an der Universitäts­klinik für Neurologie des Kepler Universitätsklinikums Linz. 

Schlafprobleme sind weitverbreitet und betreffen hierzulande etwa 30 Prozent der Bevölkerung. Es gibt vielfältige Ursachen für schlaflose Nächte: Beruflicher Stress, Konflikte in der Familie, ein Trauerfall, Prüfungsangst oder die Vorfreude auf besondere Ereignisse können einem ebenso den Schlaf rauben wie hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren, schlafbezogene Atmungsstörungen (Schlafapnoe), Bluthochdruck oder das Restless-Legs-Syndrom. Auch die Einnahme gewisser Medikamente kann sich negativ auf die Schlafqualität auswirken. Frauen leiden häufiger an Insomnie als Männer – nicht nur aufgrund hormoneller Faktoren, sondern auch, weil sie oft mehrere Rollen gleichzeitig erfüllen. Multitasking führt zu Stressreaktionen im Körper und lässt Frauen schlechter schlafen. Schlaf­losigkeit ist auch Typsache, wie Kaindlstorfer weiß: „Menschen, die sehr gewissenhaft und genau sind und zum Grübeln neigen, haben ein höheres Risiko, eine Schlafstörung zu entwickeln.“

Wie viel Schlaf ist genug?

Wie viele Stunden man braucht, um sich am nächsten Tag fit und erholt zu fühlen, ist individuell. Ein Erwachsener sollte zwischen sechs und zehn Stunden schlafen, der Durchschnitt liegt bei sieben bis acht Stunden. Wichtiger als die Dauer des Schlafes ist dessen Qualität. Wer sich nach sechs Stunden Schlaf wach, erholt und leistungsfähig fühlt, muss nicht länger schlafen. Kommt es zu Einbußen bei Konzentration, Leistung oder Stimmung, reicht die Schlafdauer nicht aus. Entscheidendes Kriterium bei der Diagnose von Schlafstörungen ist nicht, wie viele Stunden man schläft, sondern das Empfinden am nächsten Tag.

Frühzeitig aktiv werden

Der weit verbreiteten Annahme, dass Schlafschwierigkeiten vorwiegend ältere Menschen betreffen, widerspricht der Schlafmediziner: „Die durchschnittliche Schlafdauer nimmt zwar mit dem Alter ab, die klassische Insomnie-Karriere fängt allerdings häufig bereits im Jugendalter an.“ Wichtig ist es, das Problem frühzeitig anzugehen und nicht erst dann, wenn es sich chronifiziert hat. Halten die Schlafstörungen selbst dann an, wenn der eigentliche Grund dafür nicht mehr besteht – etwa, nachdem die Prüfung geschafft oder der Arbeitsstress vorbei ist – spricht man von einer „erlernten Schlaflosigkeit“. Die Angst vor Schlaflosigkeit hält die Betroffenen wach und verhindert, dass sie zur Ruhe kommen. Der Griff zu Medikamenten, die einen wieder schlafen lassen wie ein Baby, scheint nur auf den ersten Blick die schnellste und beste Lösung zu sein.

Wer das Gefühl hat, dass die Nacht nicht die erwünschte Erholung bringt, sollte als ersten Schritt die eigenen Gewohnheiten und die Schlafumgebung unter die Lupe nehmen. Oft können einfache Regeln, die für einen gesunden Schlaf förderlich sind – Stichwort „Schlafhygiene“ – zu einer besseren Schlafqualität führen. „Ich verwende anstatt Schlafhygiene gerne den Begriff der ,Schlaf-Selbstfürsorge‘. Es geht darum, Strategien zu finden, mit denen man den Schlaf dabei unterstützen kann, seinen Job zu machen.“

Gedankenkarussell stoppen

Ein wichtiger Schritt zu besserem Schlaf ist die sogenannte „Bettzeitrestriktion“. Menschen mit Schlafstörungen neigen dazu, länger im Bett zu bleiben, um doch noch das nötige Maß an Erholung zu erreichen. Ein Trugschluss, wie Kaindlstorfer erläutert: „Die Nachtsituation ist ein Paradies fürs Gedankenkreisen. Wenn man merkt, dass es mit dem Einschlafen nicht klappt, sollte man den Gedanken nicht länger die Bühne bieten und lieber aufstehen und etwas anderes tun, bis man wieder müde wird.“ Ziel dieser Verhaltensänderung ist es, erst bei ausgeprägter Müdigkeit ins Bett zu gehen und nur dann im Bett zu liegen, wenn man tatsächlich schlafen kann. Gegen quälendes Gedankenkreisen können verschiedene Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Selbsthypnose helfen. Wichtiger Baustein ist ein regelmäßiger Schlafrhythmus, also das Einhalten regelmäßiger Zubettgeh- und Aufstehzeiten. Ist das Schlafzimmer gut abgedunkelt und eher kühl (16 bis 18 Grad) sind die Voraussetzungen für erholsame Nächte optimal. Fernseher, Handy und andere technische Geräte sollten aus dem Schlafraum verbannt werden. Regelmäßige Bewegung fördert den Schlaf, solange sie nicht unmittelbar vor dem Zubettgehen ausgeübt wird. Fördern lässt sich die Nachtruhe auch durch das richtige Ess- und Trinkverhalten: Vor dem Schlafen sollte auf üppige Mahlzeiten ebenso verzichtet werden wie auf koffeinhaltige Getränke, Schwarz- oder Grüntee. 

Einen Versuch wert ist die Einnahme von pflanzlichen Mitteln, die rezeptfrei erhältlich sind und beispielsweise Lavendel, Baldrian, Melisse, Passionsblume oder Hopfen enthalten: „Wenn jemand gut mit diesen pflanzlichen Helfern zurechtkommt, ist nichts dagegen einzuwenden“, so der Neurologe. Anders sieht es bei verschreibungspflichtigen Schlaf- und Beruhigungsmitteln aus. Sie haben zwar vergleichsweise wenige Nebenwirkungen, bringen allerdings die Gefahr von Abhängigkeit und Sucht mit sich und sind daher nur für den Kurzzeitgebrauch geeignet.

Reichen die Anpassungen des Schlafverhaltens nicht aus, um wieder gut zu schlafen, sind Hausärztinnen und Hausärzte erste Ansprechpersonen. Sie können bei Bedarf eine umfassende Abklärung in einer Schlafambulanz oder in weiterer Folge in einem Schlaflabor veranlassen.


Was macht den Schlaf zum Supertalent?

Gesunder Schlaf ist essenziell für Körper und Geist. Hier ein Überblick über seine Powerkräfte:

  • Zellreparatur und Muskelaufbau: Im Tiefschlaf werden Wachstumshormone freigesetzt, die Zellen, Gewebe und Muskeln regenerieren.

  • Stärkung des Immunsystems: Schlafmangel schwächt die Abwehrkräfte, während ausreichender Schlaf die Produktion von Immunzellen fördert.

  • Herz-Kreislauf-Gesundheit: Chronischer Schlafmangel erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall.

  • Gedächtnis und Lernen: Im Schlaf werden Erinnerungen verarbeitet und gefestigt – besonders wichtig für Lernprozesse.

  • Konzentration und Kreativität: Schlafmangel führt zu verminderter Aufmerksamkeit, Reaktionszeit und Problemlösungsfähigkeit. Wer schlecht schläft, ist häufiger in Unfälle verwickelt und entwickelt eher eine Substanzabhängigkeit.

  • Emotionale Stabilität: Schlafentzug begünstigt Stress, Angst und Depressionen, da das Gehirn emotionale Erlebnisse schlechter verarbeitet.

  • Hormonhaushalt: Schlafmangel stört die Balance von Hungerhormonen (Ghrelin und Leptin), was Heißhunger und Übergewicht fördern kann.

  • Diabetes-Risiko: Zu wenig Schlaf beeinträchtigt die Insulinempfindlichkeit und kann Typ-2-Diabetes begünstigen.

  • Müllabfuhr“ für das Gehirn: Während des Schlafs aktiviert das sogenannte glymphatische System die Reinigung von Abfallstoffen im Gehirn, darunter auch Proteine, die mit der Entstehung der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht werden.

  • Besserer Impfschutz: Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität München konnten zeigen, dass Schlaf die Fähigkeit von T-Zellen fördert, in Lymphknoten einzuwandern. Das ist besonders bei Impfungen relevant: Personen, die in der Nacht nach einer Impfung acht Stunden schlafen konnten, zeigten eine doppelt so hohe Immunantwort auf den Impfstoff wie jene, die zwar entspannt, aber wach im Bett waren.

Fotos: istock Rudzhan Nagiev, zvg

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