Migräne steht in enger Verbindung mit einem erhöhten Risiko für diverse Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bereits seit einigen Jahren ist bekannt, dass Migränepatienten häufiger von Schlaganfällen und Herzinfarkten betroffen sind.
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass diese Gefahr noch weiter reicht: Neben den bereits etablierten Zusammenhängen konnte nun ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen, Blutgerinnsel und andere vaskuläre Komplikationen nachgewiesen werden.
Migräne als Risikofaktor für Herz und Gefäße
Dänische und US-amerikanische Wissenschaftler haben in umfassenden Studien aufgezeigt, dass Migränepatienten, unabhängig von Geschlecht und Alter, einem erhöhten Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems ausgesetzt sind. Besonders alarmierend ist, dass dies nicht nur Schlaganfälle und Herzinfarkte umfasst, sondern auch andere Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen und venöse Thromboembolien. Migräne mit Aura – eine Variante, die etwa visuelle Störungen wie Lichtblitze oder Gesichtsfeldausfälle mit sich bringt – scheint das Risiko noch weiter zu steigern.
Bereits 2016 sorgten diese Zusammenhänge für Schlagzeilen, als die Ergebnisse der Nurses’ Health Study II veröffentlicht wurden. Diese groß angelegte Studie umfasste über 115.000 US-amerikanische Frauen, die zwischen 1989 und 2011 begleitet wurden. Die Analyse zeigte, dass Migränepatientinnen, insbesondere jüngere Frauen, signifikant anfälliger für Schlaganfall, Herzinfarkt und sogar plötzlichen Herztod sind. Diese Erkenntnisse waren ein Weckruf für Mediziner und betroffene Patienten gleichermaßen.
Neue Erkenntnisse aus dänischen und US-amerikanischen Studien
Die jüngste Forschung, durchgeführt von Wissenschaftlern der Aarhus University Hospital in Dänemark und der Stanford University in den USA, bestätigt diese früheren Ergebnisse und erweitert sie. Die Forscher analysierten Daten aus dem dänischen nationalen Patientenregister, das über 51.000 Migränepatienten und mehr als 510.000 nicht betroffene Kontrollpersonen umfasste. Die Daten erstreckten sich über einen Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten (1995–2013). Jede Migränepatientin und jeder Migränepatient wurden mit zehn Personen gleichen Alters und Geschlechts verglichen, um möglichst präzise Aussagen treffen zu können.
Die Ergebnisse zeigen ein klares Bild: Migränepatienten haben ein erhöhtes Risiko für zahlreiche Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders auffällig ist, dass Frauen ein höheres Risiko tragen als Männer. Zudem besteht bei Migräne mit Aura ein deutlich höheres Risiko im Vergleich zu Migräne ohne Aura. Interessanterweise konnten die Forscher keinen Zusammenhang zwischen Migräne und Herzinsuffizienz oder peripheren arteriellen Verschlusskrankheiten feststellen.
Mögliche Ursachen für das erhöhte Risiko
Doch warum ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Migränepatienten höher? Die Forscher bieten mehrere Erklärungsansätze:
- Medikamenteneinnahme: Migränepatienten greifen häufig zu entzündungshemmenden Schmerzmitteln wie nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Einige dieser Medikamente, darunter auch rezeptfreie Präparate, stehen im Verdacht, das Herz-Kreislauf-System negativ zu beeinflussen. Diese potenziellen Nebenwirkungen könnten zur erhöhten Krankheitslast beitragen.
- Bewegungsmangel während Migräneattacken: Migräneanfälle führen oft dazu, dass Betroffene für mehrere Stunden oder sogar Tage das Bett hüten. Diese Immobilisierung, gepaart mit einer verminderten körperlichen Aktivität, könnte das Risiko für Blutgerinnsel und andere vaskuläre Komplikationen erhöhen.
- Entzündliche Prozesse: Migräne geht mit einer erhöhten systemischen Entzündungsaktivität einher. Entzündungen spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Atherosklerose, die wiederum das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall steigert.
Was Migränepatienten beachten sollten
Die Erkenntnis, dass Migränepatienten ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen tragen, hat weitreichende Konsequenzen. Es ist essenziell, dass Migränepatienten, insbesondere solche mit Aura, regelmäßig ihre kardiovaskulären Risikofaktoren überwachen lassen. Dazu gehören Blutdruck, Cholesterinwerte und der Blutzuckerspiegel. Gleichzeitig sollten Migränepatienten in enger Zusammenarbeit mit ihren Ärzten daran arbeiten, modifizierbare Risikofaktoren wie Rauchen und Bewegungsmangel zu minimieren.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass behandelnde Ärzte die potenziellen Nebenwirkungen von Migränemedikamenten auf das Herz-Kreislauf-System berücksichtigen. Eine regelmäßige Überprüfung der Medikation und gegebenenfalls eine Anpassung der Behandlung können helfen, das Risiko zu senken, ohne die Wirksamkeit der Schmerztherapie zu beeinträchtigen.
Fazit: Mehr Aufmerksamkeit für eine komplexe Wechselwirkung
Die Verbindung zwischen Migräne und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist ein wichtiges, aber oft unterschätztes Thema. Die neuesten Forschungsergebnisse betonen, dass Migränepatienten, insbesondere solche mit Aura, ein erhöhtes Risiko für eine Vielzahl von Herz-Kreislauf-Komplikationen tragen. Durch ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge und eine gezielte Prävention können Ärzte und Patienten gemeinsam daran arbeiten, diese Risiken zu minimieren und die Lebensqualität zu verbessern.
Literatur:
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