7 Mythen & Wahrheiten. „Brot macht dick.“ „Je dunkler das Brot, desto gesünder ist es.“ „Von Brot aus dem Billigladen bekommt man Bauchweh.“ Für MEDIZIN POPULÄR nimmt eine Tiroler Diätologin Brot in den Brennpunkt, beleuchtet sieben Mythen und nennt Wahrheiten rund um das Getreideprodukt.
von Mag. Sabine Stehrer
Mythos 1
„Brot macht dick.“
Diese Aussage ist einer der meistverbreiteten Mythen rund ums Brot. Was vor allem von Anhängern der „Low Carb“-Diät vertreten wird, jener Ernährungsweise, die darauf abzielt, den Anteil an Kohlenhydraten im Essen zu minimieren.
Wahr ist:
„Brot und die komplexen Kohlenhydrate darin machen für sich genommen nicht dick“, sagt Mag. Angelika Kirchmaier, Diätologin aus Hopfgarten in Tirol, die auch Ernährungsexpertin des ORF-Landesstudios Innsbruck ist. Freilich gilt wie für nahezu alles, was wir zu uns nehmen, auch für Brot Paracelsus’ Spruch von der Dosis, die das Gift macht: Wer jeden Tag Brot und Gebäck belegt mit Wurst oder Käse isst, der nimmt bald einmal mehr Kilokalorien zu sich, als er bräuchte – und naturgemäß zu.
Brot an sich hat gar nicht so viele Kilokalorien. Ob Vollkornweckerl, Weißbrot, Toast, Semmel oder Schwarzbrot: Der Kilokaloriengehalt je 100 Gramm bewegt sich zwischen 200 und 300 Kilokalorien – wobei weißes Brot generell etwas weniger Kilokalorien hat, dafür aber deutlich weniger sättigt als Vollkornbrot. Dieses, pur genossen oder mit einem fettarmen Belag, könnten wir uns sogar beim Halten der Figur oder Abspecken zunutze machen. Denn, so Kirchmaier: „Vollkornbrot hat einen hohen Gehalt an Ballaststoffen.“ Und Ballaststoffe machen schnell und lang satt, was vor Heißhungerattacken schützt.
Mythos 2
„Knäckebrot ist gesund.“
Das wird den in Schweden erfundenen Scheiben, die Anfang des 20. Jahrhunderts hierzulande auf den Markt kamen, nachgesagt – und ist ebenfalls ein gängiger Mythos.
Wahr ist:
Wenn auch für die Scheiben sprechen mag, dass sie wenige Kilokalorien haben, und in der Vollkornvariante etliche Ballaststoffe stecken: Geht es um die Gesundheit, haben wir nicht viel davon. Das liegt laut Kirchmaier an der Herstellungsweise und der Struktur: Durch sie verlieren sich viele Vitamine, die in anderem Brot enthalten sind, die Ballaststoffe sind weniger wirksam als jene in Vollkornbrot.
Mythos 3
„Je dunkler das Brot, desto gesünder ist es.“
Brot, das aus Vollkornmehl gebacken wird, ist wegen der dunkleren Farbe des Korns eher dunkler: So hat sich wohl dieser Mythos gebildet.
Wahr ist:
In einigen dunklen Brotsorten, beispielsweise in Mehrkornweckerln, findet sich kaum noch etwas von Keimling und Schale mit ihrem hohen Gesundheitswert. „Sie werden auch nicht aus Vollkornmehl, sondern aus gefärbtem Weißmehl gebacken“, weiß Kirchmaier. Die Farbe stammt von Zutaten wie Malz oder Zuckerrübensirup – und dient wohl im Wesentlichen dazu, das Brot als gesund zu verkaufen.
Mythos 4
„Wenn Brot schimmelt, braucht man nur den schimmligen Teil zu entfernen.“
Dies ist ein Mythos, der mutmaßlich entstand, weil die Entfernung der Schimmelschicht bei Lebensmitteln wie etwa Hartkäse oder Marmelade mit hohem Zuckeranteil manchmal reicht, um sie genießbar zu machen.
Wahr ist:
Für Brot gilt das nicht. „Hat sich auf Brot Schimmel gebildet, ist es nicht mehr essbar“, betont Kirchmaier. Denn ist Brot einmal an einer Stelle schimmlig, durchzieht der Schimmel – meist unsichtbar – das gesamte Brot. Und Brotschimmel enthält Aflatoxin, das unsere Leber und die Nieren schädigen kann, sowie als krebserregend gilt.
Mythos 5
„Von Brot aus dem Billigladen bekommt man Bauchweh.“
Brot aus Billigläden wird meist aus Fertigbackmischungen hergestellt, denen Klebereiweiß Gluten zugesetzt wird. Für Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit, der Zöliakie, hat der Konsum des Klebereiweißes tatsächlich Bauchweh und andere Verdauungsprobleme zur Folge: So wurde wohl dieser Mythos geboren.
Wahr ist:
„Nicht alle Fertigbackmischungen sind schlecht, und nicht alle bescheren jedem von uns Beschwerden“, erklärt Kirchmaier und ergänzt: „Die Zahl der Menschen, die nach dem Essen von billigem Brot Bauchweh bekommen, steigt aber.“ Wer zu ihnen zählt, kann sich mit einem einfachen Mittel helfen: „Geht das Brot oder Weckerl wieder auf, wenn man mehrmals draufdrückt, bleibt beim Aufschneiden die Schnittfläche glatt, und lässt sich kein Teigknödel herausholen, befindet sich wahrscheinlich zugesetztes Gluten darin.“
Mythos 6
„Eiweißbrot ist gesund.“
Dieser Mythos wird von Anhängern der Eiweiß-Diät verbreitet: Sie meinen, eine Ernährung mit hohem Eiweißgehalt würde dabei helfen, die Figur zu halten oder abzunehmen.
Wahr ist:
Ernährungswissenschaftliche Studien zeigen, dass es beim Schlankwerden und Schlankbleiben nicht auf die Zusammensetzung der Nahrung ankommt, sondern vor allem auf die Menge der zugeführten Kilokalorien: Nehmen wir so viele Kilokalorien zu uns, wie wir verbrauchen, werden wir nicht zunehmen, essen wir weniger, werden wir abnehmen. Kirchmaier weiß außerdem: „Hierzulande wird sowieso schon viel Eiweiß gegessen.“ Vor allem tierisches Eiweiß in Form von Fleisch und Wurst ist beliebt. Wenn dann auch noch Brot Eiweiß liefert, könnte das zu viel sein – insofern, als ein Zuviel an Eiweiß in Fett umgewandelt wird und die Nieren belasten kann.
Mythos 7
„Wer auf Brot verzichtet, dem entgeht nicht viel.“
Eine Annahme, die wie auch der Dickmacher-Mythos aus dem Lager der Fans kohlenhydratarmer Ernährung stammt.
Wahr ist:
Abgesehen davon, dass Brot wohl für jeden eine Bereicherung des Speiseplans ist, gilt laut Kirchmaier eines: „Brot, vor allem Vollkornbrot, ist ein gesundes Nahrungsmittel, da uns die komplexen Kohlenhydrate und die anderen wertvollen Nährstoffe guttun, die in ihm stecken.“ Komplexe Kohlenhydrate sind wichtig für unsere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Zu den weiteren gesunden Substanzen in dem Getreideprodukt zählen etwa Vitamine des B-Komplexes. Sie dienen der Haut, den Muskeln, den Nerven, dem Stoffwechsel und der Konzentration. Magnesium, das ebenfalls gut für die Muskeln, die Nerven, aber auch für die Knochen ist, und Zink, das die Abwehrkräfte stärkt, sind auch enthalten. Noch dazu nehmen die Pflanzenfasern aus dem Vollkornbrot im Darm Nahrungsfette auf – was den Blutfettgehalt senkt und die Cholesterinwerte verbessern kann.
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Tipps & Tricks
- Bei Empfindlichkeit gegenüber zugesetztem Gluten lässt sich beim Einkauf per Drucktest feststellen, ob das Brot die Zutat enthält: Wenn ja, geht es beim Draufdrücken rasch wieder auf.
- Brot am besten entweder in Brotdosen aus Stahl oder im Backofen – angeschnitten mit der Schnittfläche nach unten auf dem Backblech – lagern.
- Auch einfrieren lässt sich Brot gut, am besten portionsweise und in Gefrierbeuteln oder Tupperware. Für das Auftauen 15 bis 20 Minuten bei 200 Grad Hitze in den Backofen geben oder im Toaster aufbacken.
Interview
„Brot ist ein gesundes Nahrungsmittel“
MEDIZIN POPULÄR: Herr Schrott, laut Statistik Austria mögen die Österreicher lieber dunkles Brot, also Vollkornbrot und Schwarzbrot, als helles. Welches essen Sie gern?
Josef Schrott: Das ist unterschiedlich. Einmal habe ich auf Vollkornbrot Gusto, einmal auf ein Weißgebäck, einmal auch auf süßes Gebäck, und je nachdem greife ich dann eben zu.
Wäre nicht Vollkornbrot am gesündesten?
Ja, das ist auch in unseren Bäckereien zu bemerken, vor allem im Jänner und Februar. Wenn der Neujahrsvorsatz, sich gesünder ernähren zu wollen, noch frisch ist, werden viel mehr Vollkornprodukte verkauft. Aber ich denke, der Körper sagt einem, was er braucht, und wenn man Appetit auf etwas Bestimmtes hat, dann wird das in dem Moment auch gut für die Person sein.
Wie viele Sorten Brot und Gebäck gibt es eigentlich?
Wir in Österreich haben rund dreihundert verschiedene Brotsorten, nur leider geht die Tendenz dahin, dass immer weniger Brot gegessen wird. Gegenüber den 1960er Jahren hat sich der Konsum inzwischen auf etwa drei Kilogramm pro Kopf und Monat halbiert.
Woran liegt das?
Es gibt eine immer größere Auswahl an Alternativen. Wenn Sie zum Frühstück ein Müsli essen, werden Sie eher keine Semmel mehr essen. Anders als früher ist Brot auch nicht mehr so sehr die Standardbeilage zu vielen Gerichten.
Viele sagen auch, sie vertragen Brot schlecht. Für sie backen wir das Brot nun anders, mit längerer Teigführung, das heißt, wir lassen den Teig wieder länger gehen. Dadurch werden Substanzen abgebaut, die zu Verdauungsproblemen führen können.
Warum sollte wieder mehr Brot gegessen werden?
Weil Brot mit seinen komplexen Kohlenhydraten und den vielen anderen Inhaltsstoffen ein sehr gesundes Nahrungsmittel ist, das außerdem gut schmeckt, sofern es gut gemacht ist.
Woran lässt sich erkennen, ob ein Bäcker ein guter Bäcker ist?
Wenn einem die Produkte gut schmecken und sie einem guttun, spricht das schon sehr für den Bäcker. Weitere Kriterien könnten sein, ob der Bäcker seine Teige selbst herstellt, was übrigens die weitaus meisten der rund 1400 Bäcker in Österreich tun, und ob er bei der Brotproduktion Spezialwünsche erfüllt, was die Zutaten anbelangt.
Woher beziehen Österreichs Bäcker das Getreide, das Mehl?
Zu 80 Prozent von Mühlen in Österreich, die Vorarlberger und Tiroler eher von Mühlen in Bayern, der Großraum Wien zum Teil von Mühlen aus unseren östlichen Nachbarländern.
Was machen Bäcker mit übriggebliebenem Brot?
Ein Teil kann als Quellmittel beim Backen frischen Brotes verwendet werden, ein Teil geht meist an karitative Organisationen und in die Tierfütterung.
Gibt es brotmäßig einen Trend?
Abgesehen von jenem zur längeren Teigführung noch jenen der Salzreduktion. Wir verwenden immer weniger Salz für die Teige, da in Österreich der Salzkonsum ohnedies sehr hoch ist und zu viel Salz zu essen bekanntermaßen das Risiko für Bluthochdruck mit seinen Folgekrankheiten erhöht.
Foto: iStock, Pumba1