Arbeiten Sie sich krank?

Oktober 2011 | Leben & Arbeiten

20 Burn-out-Fallen, auf die Sie achten sollten
 
Sich immer noch mehr aufhalsen, dabei stets alles perfekt
machen wollen, praktisch jedes Wochenende durcharbeiten – und für all den Einsatz nicht ein einziges Wort der Anerkennung bekommen:
Das ist nur eine mögliche Kombination aus Faktoren, die über kurz oder lang ins Burn-out führen kann. Tag und Nacht für die Firma erreichbar sein, immer weniger Zeit mit Freunden verbringen, nicht mehr entspannen können und mit Kollegen arbeiten müssen, die einem das Leben zur Hölle machen: Das ist eine weitere verbreitete Jobsituation, die viele ausbrennen lässt. Untersuchungen zufolge befindet sich rund eine Million Menschen in Österreich auf dem besten Weg in die völlige Erschöpfung. Arbeiten auch Sie sich krank? MEDIZIN populär über die 20 wichtigsten Burn-out-Fallen, auf die Sie achten sollten.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler

1. Überlastung:
Was soll ich denn noch alles machen?

Es ist ein Übel unserer Zeit: Stellen werden nicht nachbesetzt, mehr und vor allem immer komplexere Arbeit wird auf immer weniger Menschen verteilt. „Man kann nicht auf der einen Seite dazugeben und auf der anderen wegnehmen. Da kann nur Erschöpfung und Überlastung herauskommen, das ist eine Milchmädchenrechnung!“ kritisiert Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, Leiterin des Instituts für Burn-out und Stressmanagement in Wien, die Werte, die die heutige Unternehmenskultur beherrschen. Wer sich neben dem Übermaß an Arbeit auch noch privat zu viel aufhalst, sich als Obmann vom Gesangsverein genauso stark macht wie als Vertreter des Elternvereins, bringt sich dauernd an die Grenzen der Belastbarkeit – eine weit verbreitete Burn-out-Falle.

2. Zeitdruck:
Am besten bis gestern!

Die Arbeit wird nicht nur mehr, sie soll auch immer schneller gemacht sein. Und so werden wir zu Multitaskern, damit wir halbwegs auf gleich kommen: Drei Projekte gleichzeitig sind Pflicht – das „stresst“ nicht nur, es verstellt auch den Blick aufs Wesentliche: „Die Menschen wissen heute oft nicht mehr, wann ein Projekt beginnt und wann es fertig ist. Statt der Freude darüber, etwas erreicht zu haben, bleibt immer nur das Gefühl: Das geht sich nicht aus! Es ist für uns aber wichtig, etwas abhaken und auch einmal feiern zu können“, weiß Burn-out-Expertin Tomaschek-Habrina. Zu viel Druck gepaart mit zu wenigen Erfolgserlebnissen kann auf Dauer krank machen.

3. Geschwindigkeitsrausch:
Wer bremst, verliert!

Nach dem Job geht es im Geschwindigkeitsrausch weiter: schnell noch einkaufen, schnell noch mit den Kindern Hausaufgaben machen, schnell noch ins Fitnessstudio und dann schnell schlafen … Viele führen ein Leben auf Hochtouren, im Dauerstress und ohne Ruhephasen. „Wer nicht rechtzeitig entschleunigt und sozusagen 30-er-Zonen in seinem Alltag einrichtet, rast schnurstracks ins Burn-out“, warnt Tomaschek-Habrina.

4. Schwierige Vorgesetzte:
Bei meinem Chef kennt sich keiner aus!

Vom schlechten Führungsstil ihrer unmittelbar Vorgesetzten können viele ein Lied singen, die von Burn-out gefährdet oder betroffen sind. Schlechter Führungsstil, das heißt: nicht für die Mitarbeiter erreichbar sein; diffuse Zielvorstellungen haben; nicht klar kommunizieren und delegieren können; Angst und Schrecken verbreiten; zu viel oder zu wenig Kontrolle ausüben; Menschen nicht motivieren können; kein respektvolles und wertschätzendes Miteinander schaffen können; nur dann Rückmeldung geben, wenn etwas nicht passt. „Zum schlechten Führungsstil gehört auch Mangel an Fairness“, ergänzt Tomaschek-Habrina. Wenn der oder die Vorgesetzte manche „gleicher“ behandelt, fühlen sich andere gekränkt. Und Kränkungen machen bekanntlich krank.

5. Keine Gestaltungsmöglichkeiten:
Mich fragt ja keiner!

Restrukturierung auf dem Reißbrett ist in: Über den Kopf der Mitarbeiter hinweg wird entschieden, wer ab wann auf welchem Posten sitzt. „Zu einem gesunden Job gehört aber nicht nur, dass die Mitarbeiter Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitsgestaltung haben, sondern auch, dass sie einbezogen werden und ihre Erfahrungen einbringen können.“ Wie eine Marionette fremd- und ferngesteuert arbeiten zu müssen, bleibt nicht ohne Folgen für die Gesundheit.

6. Mieses Arbeitsklima:
Meine Kollegen sind richtig gemein!

Ein schlechtes Arbeitsklima zählt zu den häufigsten Burn-out-Fallen. „Vor allem durch Mobbing geraten viele Menschen an einen Punkt, an dem sie weder ein noch aus wissen.  Zu mir in die Praxis kommen oft Leute, die in ihrem Job mehr mit sozialen Konflikten zu tun haben als mit der Arbeit selbst“, erzählt die Psychotherapeutin. Kränkungen, das Gefühl, dass jeder gegen jeden arbeitet, aber auch die fehlende Unterstützung durch ein Team – all das erhöht die Burn-out-Gefahr.

7. Mangel an Anerkennung:
Lob gibt es höchstens in der Schule!

Das haben Sie gut gemacht!“ Wie schwer doch dieser einfache Satz vielen über die Lippen geht! „Anerkennung für eine Leistung zu bekommen, ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Doch an diesem Punkt hakt es leider sehr oft“, weiß Tomaschek-­
Habrina. Lob gilt aber auch als Motor des Lernens: „Mit positiver Rückmeldung werden Menschen motiviert, dranzubleiben.“ Fehlt die Wertschätzung, führt der Weg über die Frust- und Trott- in die Burn-out-Falle.

8. Innere Kündigung:
Hat doch eh alles keinen Sinn!

Wir wollen etwas schaffen, auf das wir stolz sein können, wollen einen Beitrag zum Ganzen leisten und einen Sinn darin sehen“, nennt Tomaschek-Habrina ein weiteres menschliches Grundbedürfnis. Wenn Arbeit sinnlos erscheint, Dienst nur noch nach Vorschrift verrichtet wird, ist die innere Kündigung ausgesprochen. Meist ist hier Unterforderung im Spiel, die genauso krank machen kann wie Überforderung. „Wenn man nicht motiviert ist, weil man seine Kompetenzen nicht einbringen kann und nicht seinen Ressourcen gemäß eingesetzt ist, kommt es über kurz oder lang zu Erschöpfungssymptomen.“

9. Lauernde Jobangst:
Fliege ich als nächstes?

Krank kann freilich auch die ständige Bedrohung durch eine tatsächliche Kündigung machen, was in Zeiten von Börsenkrachs und Wirtschaftskrisen keine Seltenheit ist. Wenn es rundum im Unternehmen Entlassungen gibt und Gerüchte über einen möglichen Konkurs umgehen, hebt das nicht gerade die Motivation der Mitarbeiter. Im Gegenteil: Das Klima der Unsicherheit schürt Ängste und verhindert konstruktive Arbeit. „Angst blockiert jegliche positiven Handlungsmöglichkeiten“, sagt die Expertin. „Wenn ich ständig höre, dass es das Unternehmen vielleicht nicht mehr lange gibt, dann sehe ich keinen Sinn, weiterhin meine Kraft hineinzustecken.“

10. Wertekrise:
Meine Arbeit passt überhaupt nicht zu mir!

Der Sinn geht auch verlustig, wenn der Wert der Arbeit so gar nichts mit den eigenen Werten zu tun hat. Das trifft nicht nur auf den Vegetarier zu, der in einem Schlachthaus arbeitet, oder den Umweltschützer, der in einem Atomkraftwerk tätig ist, das kann sich auch in subtileren Bereichen zeigen. Und früher oder später kann die Gesundheit Schaden nehmen, wenn man sich ständig verbiegen muss.

11. Idealisierung der Arbeit:
Mein Job ist mein Leben!

Umgekehrt riskiert seine Gesundheit, wer sich im Übermaß mit der Arbeit identifiziert, wer glaubt, ohne Erfolg nichts wert zu sein und den Job zum Lebensmittelpunkt erhebt. „Unser Leben besteht aber aus vier Säulen, die man sich als Tischbeine vorstellen kann“, erläutert Tomaschek-Habrina. „Neben der Arbeitssäule gibt es die Ich-, die soziale und die Gesellschafts-Säule. Wenn eine dieser Säulen zu lang ist, dann kippt der Tisch und ist nicht mehr tragfähig“, verdeutlicht die Psychotherapeutin einen häufigen Krankmacher in der heutigen Leistungsgesellschaft.

12. Perfektionismus:
Gut ist nicht gut genug!

Eine Eigenschaft, die bei vielen Burn-out-Gefährdeten oder -Patienten anzutreffen ist: der innere Drang, immer alles perfekt und es allen recht machen zu wollen. Er hat etwas mit der eigenen Biographie zu tun, wird meistens in der Kindheit grundgelegt und ist der Garant für Frustration und oft auch Erschöpfung. Denn beim stets steigenden Arbeitspensum und -tempo wird es immer schwieriger, den perfektionistischen Anforderungen gerecht zu werden. „Ich sage sogar, dass man ihnen überhaupt nicht gerecht werden kann. Denn wer es allen recht machen will, schließt sich selbst nicht mit ein. Und wenn man es sich selbst nicht recht macht, hat man es nicht allen recht gemacht!“ analysiert Tomaschek-Habrina.

13. Unentbehrlichkeit:
Ohne mich geht es nicht!

Man findet sie auf jeder hierarchischen Ebene eines Unternehmens: Die Mitarbeiter, die sich für unentbehrlich halten und glauben, für jedes und alles zuständig und verantwortlich zu sein. Typisch für diese burn-out-gefährdete Spezies ist auch die Unfähigkeit, nein sagen zu können. Nicht auf seine Grenzen zu achten, ist eine weit verbreitete Burn-out-Falle in helfenden Berufen, aber auch in Klein- und Mittelbetrieben, wo Zuständigkeiten oft nicht eindeutig definiert sind.

14. Permanente Verfügbarkeit:
Über mein Handy bin ich Tag und Nacht erreichbar!

Die moderne Kommunikationstechnologie macht’s möglich: Wir sind immer erreichbar – und glauben, es auch immer sein zu müssen. Smartphones treiben die permanente Verfügbarkeit auf die Spitze, denn damit hat man quasi zu jederzeit das halbe Büro in der Jackentasche. Tag und Nacht auf Abruf bereit zu sein, ist Dauerstress pur für Körper und Seele. „Wer das Handy im Schlafzimmer hat und um zwei Uhr früh darauf schaut, weil es aufleuchtet, wenn ein E-Mail hereinkommt, darf sich nicht wundern, wenn er Schlafstörungen bekommt“, berichtet Tomaschek-Habrina aus ihrer Praxis. Handyfreie Zeiten und eventuell Sprechstunden einführen, Sequenzen definieren, in denen konzentriert E-Mails bearbeitet werden: Das schafft entlastende Strukturen und die Möglichkeit, effizient zu arbeiten.

15. Selbstausbeutung:
Das erledige ich am Wochenende in aller Ruhe!

Weil es bei den permanent eintrudelnden E-Mails und ständig klingelnden Handys am Arbeitsplatz immer schwieriger wird, sich konzentriert einer Aufgabe zu widmen, wird vieles abends oder am Wochenende „in aller Ruhe“ von zu Hause aus erledigt. So verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zusehends, Erholung und Entspannung kommen viel zu kurz. „Die Arbeit, die eigentlich die Existenz sichern sollte, wird zunehmend existenzbedrohend, weil es immer schwieriger wird, eine gesunde Work-Life-Balance zu leben“, fasst Tomaschek-Habrina den Widerspruch der modernen Arbeitswelt zusammen.

16. Falscher Umgang mit Stress:
Wo, bitte, soll ich die Zeit für Sport hernehmen?

Neben dem anstrengenden Job auch noch Sport betreiben – dazu können sich viele nicht aufraffen und bringen sich so um eine besonders effiziente Methode, um Stress abzubauen. Sie riskieren damit, dass der Alarmzustand, in den der Körper in Stresssituationen versetzt wird, mit der Zeit chronisch wird. Die Folgen sind bekannt: Sie reichen von Bluthochdruck über Schlafstörungen bis hin zu Herzinfarkt und psychischen Problemen. „Der Verzicht auf Ausgleich und Bewegung erhöht die Burn-out-Gefahr massiv“, weiß Tomaschek-Habrina. Das ungesunde Vernachlässigen der eigenen Bedürfnisse zeigt sich auch darin, dass man sich nicht mehr genug Zeit nimmt für regelmäßiges, gesundes Essen jenseits der „Weckerlkultur“.

17. Fehlende Regeneration:
Nur Tachinierer machen regelmäßig Pausen!

Wer glaubt, durch pausenlose Arbeit mehr weiterzubringen, irrt nicht nur, sondern tappt auch in die Burn-out-Falle. Durcharbeiten erschöpft – und irgendwann geht gar nichts mehr. „Das ist auch so eine Torheit unserer Leistungsgesellschaft: Wer regelmäßig Pausen macht, wird schief angeschaut, fast schon als Tachinierer belächelt“, kritisiert Lisa Tomaschek-Habrina und rät, sich alle eineinhalb bis zwei Stunden eine kurze Auszeit für ein Kontrastprogramm zu nehmen. Für einen „Computerarbeiter“ könnte das heißen: Aufstehen und fünf Minuten um den Häuserblock gehen.    

18. Rückzug von Freunden und Familie:
Die rufen schon gar nicht mehr an!

Um wichtige Regenerationsmöglichkeiten und Seelenschmeichler bringt sich auch, wer die Zeit für die (Mehr-)Arbeit bei den Freunden, dem Partner bzw. der Partnerin, den Kindern einspart. Ein intaktes Sozialleben ist für die psychische Gesundheit sehr wichtig. „Immer mehr Menschen pflegen Kontakte nur mehr am Arbeitsplatz oder überhaupt nur noch virtuell“, sagt Tomaschek-Habrina. So geraten sie mehr und mehr in die Einsamkeit, die irgendwann krank machen kann.

19. Verzicht auf Highlights:
Urlaub ist keiner in Sicht!

Immer öfter verzichten wir auch aktiv auf etwas, von dem wir wissen, dass es uns gut tut“, stellt die Burn-out-Fachfrau fest. „Wir verzichten auf sogenannte Highlights im Alltag!“ Das kann ein wenn auch noch so kurzer Urlaub sein, auf den man sich freuen kann, oder ein Wochenende mit den Liebsten, an dem rein gar nichts auf dem Programm steht. „Die Aussicht darauf, immer wieder aus belastenden Situationen aussteigen zu können, stärkt Körper und Seele gleichermaßen.“

20. Ignorieren von Warnsignalen:
Was soll ich denn beim Arzt?

Kopfschmerzen, Verspannungen im Nacken, Schlafstörungen – so teilt uns der Organismus mit, wenn etwas nicht stimmt. „Wenn wir längere Zeit nicht auf unseren Körper hören, dann muss er eben noch deutlicher werden. Dann kommt vielleicht zu den Rückenproblemen eine Gastritis dazu“, sagt Lisa Tomaschek-Habrina. Und wenn auch diese Warnsignale ignoriert werden, kann es sein, dass der Körper als einzigen Ausweg nur noch den totalen Zusammenbruch sieht. „Burn-out ist nichts anderes als eine Notbremse des menschlichen Organismus. Man braucht sie nicht, wenn man langsam abbremst und bei ersten Anzeichen zum Arzt geht.“

Stand 10/2011

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