Bewegungsapparat & Sport

Kalt? Wie Kälte helfen kann

Den Zustand niedriger Temperatur kann man sich gleich in mehrerlei Hinsicht zunutze machen: zur Leistungssteigerung, zur Vorbeugung von Krankheiten – und vor allem auch zur Heilung.

von Mag. Sabine Stehrer

Es muss 30 Plusgrade Celsius haben, damit sich der Durchschnittsmensch im Zustand der Ruhe und Nacktheit wohlfühlt. Ist es kühler, verliert er mehr Wärme, als der Körper erzeugen kann – und früher oder später friert er: ein Vorgang, den wohl kaum jemand mag. Jedenfalls können Um­fragen zufolge die meisten Menschen niedrigen Temperaturen und Kälte nichts abgewinnen. Dabei lässt sich mit Kälte viel für die Gesundheit tun. Ärzte listen auf, wogegen Kältetherapien, auch Kryotherapien genannt, zum Beispiel helfen.

Kälte gegen Warzen, Akne, Blutschwämmchen

Flüssiger Stickstoff, der mit einem Spezialgerät, oft mit Kryosonden, auf die Haut aufgetragen wird, liefert sie: die eisige Kälte von bis zu minus 195 Grad Celsius. Mit diesen Temperaturen können zum Beispiel Warzen auf der Haut vereist und entfernt werden. Aber auch Pickel, die sich bei Akne bilden, oder Blutschwämmchen, Wucherungen an den Blutgefäßen, lassen sich durch Vereisung beseitigen.

Die Wirkung dieser Art der Kältetherapie ist damit erklärbar, „dass das erkrankte Gewebe durch die punktuelle Anwendung extremer Kälte zerstört wird und abfällt“, so der Präsident der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin GAMED, Univ. Prof. Dr. Wolfgang Marktl. Mit Vereisungen kann darüber hinaus etwa auch gegen störendes Narbengewebe, Vorstufen von Hautkrebs und bestimmte Formen von Hautkrebs vorgegangen werden.

Kälte gegen Fersensporn, Fingergelenksarthrose, Tennisellbogen

Luft, auf minus 32 Grad abgekühlt und mit einem speziellen Kaltlufttherapiegerät, der so­genannten Eispistole Cryo 6, auf die Haut gesprüht, kann bei Schmerzen helfen: Wie beispielsweise bei solchen, die aufgrund eines Fersensporns, einer Fingergelenksarthrose oder eines Tennisellbogens auftreten.

Diese Kryotherapie wirkt, „weil die Luft aus der Pistole nicht nur die Hautoberfläche, sondern auch tiefere Gewebeschichten kühlt und so die dort ablaufenden Entzündungsprozesse stoppt, die die Schmerzen und Schwellungen verursachen“, sagt Dr. Maria Holzmann, ärztliche Leiterin des Gesundheitsresorts Lebensquell in Bad Zell. Mit der eiskalten Luft aus der Pistole lässt sich aber auch gegen andere Entzündungen und Schmerzen vorgehen, die z. B. auf Rheuma oder Bandscheibenschäden zu­rück­gehen.

Kälte gegen Prellungen, Verstauchungen, Zerrungen

Eisbeutel, Gelpackungen und Kältesprays, auf die Haut aufgelegt und gesprüht, liefern Kälte von minus 20 Grad über minus 15 Grad bis zu 0 Grad: Diese Temperaturen helfen zum Beispiel bei Schmerzen und Schwellungen, die nach Verletzungen wie Prellungen, Verstauchungen oder Zerrungen von Gelenken, Muskeln, Bändern und Sehnen zu schaffen machen.

Erklärbar sind die Effekte dieser Art von Kältetherapie damit, „dass durch den Wärmeentzug und die Abkühlung tieferliegender Gewebeschichten die Durchblutung herabgesetzt wird, wodurch weniger Entzündungsbotenstoffe in das Gewebe gelangen und sich weniger Flüssigkeit einlagert“, weiß Marktl. Außerdem hilfreich sind diese Kälteanwendungen etwa bei Kopfschmerzen oder Nervenschmerzen, indem beispielsweise ein Eisbeutel dorthin gelegt wird, wo es wehtut.

Kälte gegen Fieber, Halsschmerzen, Verbrennungen

Mit Wickeln und Auflagen in Form von Geschirrtüchern, die in Eiswasser oder in kaltem Essigwasser getränkt werden, sowie fließendem kaltem Wasser lässt sich Kälte von 0 bis 15 Grad auf die Körperoberfläche aufbringen: Diese Temperaturen können beispielsweise Fieber und Halsschmerzen sowie Schmerzen und die Bildung von Blasen bei leichten Verbrennungen lindern.

Die Wirkung solcher Kryotherapien beruht auf unterschiedlichen Mechanismen. So helfen Wickel um die Füße, Eiswasserpatscherl oder kalte Essigpatscherl, gegen hohes Fieber, „weil dem Körper durch die Kälte an den Füßen Wärme entzogen wird“, sagt Marktl. Kühlende Halswickel helfen gegen Halsschmerzen, weil die Kälte von außen entzündliche Prozesse im Rachen hemmt. Und über leichte Verbrennungen fließendes kaltes Wasser wirkt, weil es der Haut die schädigende Hitze entzieht.

Kälte gegen Polyarthritis, Hautkrankheiten, Depressionen

Luft, abgekühlt auf minus 110 Grad: Diese Temperatur erwartet einen in einer Kältekammer, wo man nur in Badekleidung, aber mit Haube, Handschuhen, Mund-Nasen-Schutz, Socken und Turnschuhen bis zu zweieinhalb Minuten herumgeht.
Diese Art der Ganzkörperkältetherapie hilft gegen Schmerzen aufgrund von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats, wie Abnützungen, einem Bandscheibenvorfall oder Rheuma. Die Eiseskälte lindert aber auch bei den Hautkrankheiten Neurodermitis und Psoriasis, der Schuppenflechte und  bei depressiven Verstimmungen die Beschwerden.

Die Effekte dieser Kältetherapie gehen auf verschiedene Mechanismen zurück. So werden dadurch „die entzündlichen Prozesse, die Schmerzen am Bewegungsapparat und Juckreiz bei den Hautkrankheiten verursachen, gestoppt“, weiß Holzmann. Missstimmungen vertreibt der Besuch einer Kältekammer, da der Kälteschock wie ein Kick erlebt wird und die anschließende Erwärmung ein Wohlgefühl verschafft.

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Wie Kälte vorbeugen kann

Die kalte Dusche, Kneippanwendungen, die mit einer kalten Anwendung abgeschlossen werden, und Saunieren mit anschließender Abkühlung: Alles das sind Kälteanwendungen, die Infektionskrankheiten vorbeugen, die durch Viren, Bakterien und andere Krankheitserreger übertragen werden. Wie, erklärt Wolfgang Marktl: „Durch den Wechsel zwischen Warm und Kalt wird die Durchblutung gesteigert.“ Und die verstärkte Durchblutung unterstützt das Immunsystem, das unter anderem über die Blutkörperchen Erreger abwehrt, bei seiner Arbeit.

Wie Kälte stärken kann

Mehrere Besuche einer Kältekammer, eine Liegekur mit täglichem ein-, zweistündigem Liegen in der Kälte, die sogenannte Terrainkur, während der täglich mehrere Stunden bei niedrigen Temperaturen gewandert wird:
Diese Maßnahmen dienen nicht nur der Stärkung des Immunsys­tems, härten also ab, sondern steigern auch die körperliche Leistungsfähigkeit. Wieso, weiß Wolfgang Marktl: „Die Aufenthalte in der Kälte erhöhen die Anpassungsfähigkeit des Körpers an Reize, wie an die Kältereize so auch an Trainingsreize.“ Außerdem führen Terrainkuren, Liegekuren und Besuche der Kältekammer zu einer Stärkung des Herz-Kreislauf-Sys­tems, konkret zu einer niedrigeren Pulsfrequenz auch bei Anstrengung. Weil durch die Kälteexpositionen und die anschlie­ßende ­Erwärmung die Muskeln gut durchblutet werden, regenerieren sie sich schneller, was zudem mehr Training möglich macht.

Wie Kälte schaden kann

Bei Asthma, Bluthochdruck, Infektionskrankheiten, Herzkrankheiten oder dem Raynaud-Syndrom, der Weißfingerkrankheit, bei der unter Einfluss von Kälte Durchblutungsstörungen an den Fingern, Zehen und der Nasenspitze auftreten, ist laut Wolfgang Marktl und Maria Holzmann von Kälteanwendungen, großflächigen Kältetherapien und Ganzkörperkältetherapien in der Kältekammer abzuraten, „da bei diesen Erkrankungen die Kälte schaden kann“.

Ob krank oder gesund, gilt außerdem: Setzt man sich Kälte so lang aus, dass man nicht mehr nur zittert – eine Maßnahme des Körpers, um Wärme zu erzeugen –, sondern der Körper das Blut von der Oberfläche zu den ­Organen im Inneren leitet, um deren Funktion aufrechtzuerhalten, kommt es zunächst zu Erfrierungen der Zehen, Finger, der Nasenspitze und der Ohren, dann zu Taubheitsgefühlen in Beinen und Armen.

Ist die Körperkerntemperatur von den normalen 37 Grad auf 32 Grad abgesunken, hört das Zittern auf, Lähmungen treten auf. Bei 30 Grad im Körperinneren wird das Großhirn heruntergefahren, es kommt zur Bewusstlosigkeit – und bei nur noch 28 Grad zum Erfrierungstod.

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Foto: iStock, Tatomm

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