Bewegungsapparat & Sport

Stark im Alter

Frailty und Sarkopenie – hinter den beiden Fachbegriffen verbirgt sich ein Verlust an Selbstständigkeit, Lebensqualität und Mobilität im Alter. Diese Gebrechlichkeitszustände lassen sich jedoch durch therapeutisches Krafttraining positiv beeinflussen.

Prim. Dr. Alexander Skreiner
„Früher galt ein Oberschenkelhalsbruch als der Beginn des körperlichen Abbaus, heute können künstliche Gelenke zu einem neuen Start verhelfen.“

Die beiden Beschwerdebilder Frailty und Sarkopenie sind eng miteinander verbunden. Frailty ist ein Zustand allgemeiner Schwäche, der oft mit erhöhter Sturzgefahr und Infektanfälligkeit einhergeht. „Menschen in diesem Zustand reagieren besonders empfindlich auf äußere Belastungen wie Krankheiten oder Stress“, erklärt Prim. Dr. Alexander Skreiner, Leiter des Instituts für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation am Klinikum Wels-Grieskirchen. Typische Anzeichen sind starke Erschöpfung, ungewollte Gewichtsabnahme und verminderte Handkraft – letztere ist auch ein wichtiger Indikator für das Erkennen einer Sarkopenie. Dass der altersbedingte Muskelabbau bereits ab einem Alter von 30 Jahren schleichend beginnt, ist vielen nicht bewusst. „Durch den Verlust an Muskelmasse und -kraft wird man über die Jahre zunehmend weniger mobil und verliert an Selbstständigkeit“, betont Mag. Michael Pfob, Sportwissenschafter und Trainingstherapeut in Wels. Die Folgen sind eingeschränkte Lebensqualität und ein erhöhtes Sturzrisiko. „Die Lösung ist eigentlich einfach: regelmäßiges Krafttraining.“

Mag. Michael Pfob
„Durch den Verlust an Muskelmasse und Muskelkraft wird man über die Jahre zunehmend weniger mobil und verliert an Selbstständigkeit.“

Diagnostik und Therapie

Zur Diagnostik von Sarkopenie gehören neben der Messung der Handkraft auch spezielle Fragebögen, die das Sturzrisiko und die Muskelkraft analysieren „Eine einfache Handkraftmessung kann viel über den Zustand des Bewegungsapparates verraten“, erklärt Pfob. „In der Therapie setzen wir auf Krafttraining kombiniert mit ausreichender Kalorien- und Proteinzufuhr, Physiotherapie und Koordinationsübungen. So lässt sich der Muskelabbau verlangsamen oder sogar stoppen.“ Ein aktiver Lebensstil ist heute auch im hohen Alter möglich. „Früher galt ein Oberschenkelhalsbruch als der Beginn des körperlichen Abbaus, heute können künstliche Gelenke vielen Patientinnen und Patienten zu einem neuen Start verhelfen“, ergänzt Alexander Skreiner. Nach Operationen beginnen viele Patientinnen und Patienten rasch mit einem angepassten körperlichen Training, um ihre Fitness zu erhalten. Selbst nach schweren Erkrankungen wie Krebs kann gezieltes Training den Weg zurück in ein aktives Leben ebnen. „Gerade Tumorpatientinnen und -patienten leiden nach Chemotherapie oder Bestrahlung oft unter einer ausgeprägten Schwäche. Wenn es gelingt, sie zu regelmäßiger Bewegung zu motivieren, zeigt sich oft schnell eine Verbesserung“, erklärt Skreiner weiter. „Die Endorphinausschüttung beim Training führt zu einem Glücksgefühl und stärkt die Motivation.“

Kommunikation im Körper

„Use it or lose it“ lautet die Devise: Körperliches Training, vor allem Krafttraining, ist entscheidend für den Muskelerhalt und fördert die Kommunikation zwischen den Muskeln und anderen Körpersystemen. „Durch die körperliche Belastung werden Myokine freigesetzt, die wichtige Signale im Körper senden, beispielsweise an die Knochen“, erklärt Michael Pfob. Diese Botenstoffe und die mechanische Belastung beim Training stärken die Knochenstruktur, was der Entstehung von Osteoporose vorbeugt.

Gesundheitsvorsorge im Alter

Mit einer alternden Gesellschaft werden die Beschwerdebilder Frailty und Sarkopenie weiter an Bedeutung gewinnen. „Wir müssen unsere Gesundheitsvorsorge ausbauen und gezielte Trainingsprogramme für ältere Menschen anbieten“, fordert der Sportwissenschafter. Auch in der Patientenversorgung wird die individualisierte Betreuung zunehmend wichtig. Physiotherapie und angepasste Trainingsmethoden können ältere Menschen dabei unterstützen, ihre Mobilität und Selbstständigkeit möglichst lange zu bewahren. Zusammengefasst zeigt sich: Muskelkrafttraining ist weit mehr als nur Fitness. Es wirkt auf den gesamten Körper, verbessert das Wohlbefinden und schützt die Gesundheit. Ein Leben in Bewegung ist ein Rezept für ein aktives und selbstbestimmtes Alter – und dafür ist es nie zu spät.


Myokine im Close-up: Der Muskel als körpereigene Apotheke 

Die hormonähnlichen Botenstoffe werden von Muskelzellen während körperlicher Aktivität freigesetzt. In den letzten Jahren wurden über 600 verschiedene Myokine identifiziert, jedoch sind viele in ihrer Wirkung noch nicht vollständig erforscht. Über die Ausschüttung von Myokinen fördert Krafttraining nicht nur den Knochenaufbau, sondern schützt vor der Entstehung von Zivilisationskrankheiten und unterstützt Heilungsprozesse bei zahlreichen Erkrankungen: Durch ihre Kommunikation mit verschiedenen Organen fördern Myokine den Stoffwechsel, reduzieren Entzündungen und hemmen sogar das Tumorwachstum.


Fotos: © KWG, istock klyaksun

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